Die Sexyness karbonisierter Drinks, am Beispiel der Ultimate Paloma
Sie überraschen im Geschmack, sind stabil in der Haltbarkeit und bestechen durch ihre transparente Farbe: karbonisierte Drinks haben einige Vorteile. Die Herstellung erfordert ein wenig Aufwand, spielt aber gerade Bars in die Hände, die auf ein starkes Mise-en-Place setzen. Ein perfektes Beispiel ist die Ultimate Paloma von Damien Guichard aus dem Berliner Truffle Pig.
Eine gewisse Heimlichkeit ist man vom Truffle Pig in Berlin-Neukölln ja gewöhnt: klingeln am Feueralarm, danach der Eintritt durch den Wandspiegel. Durch einen leeren Gastraum zu treten, in eine Bar voll hochgestellter Stühle, das ist allerdings neu.
Wie lange diese Stühle noch hochgestellt sein werden, kann aktuell niemand sagen. Eines jedoch ist sicher: Wenn darauf endlich wieder Gäste Platz nehmen dürfen, werden sie auch den Drink ordern, um den es heute Stelle geht: die Ultimate Paloma von Barchef Damien Guichard. „Der Drink war von Anfang an ein Bestseller”, erklärt der Hausherr, der seine Paloma serviert wie gewohnt: stilecht aus der Plastikflasche.
Moment mal, High-End-Cocktails aus der PET? Auch das eine Folge der Krise? Nein, ausnahmsweise nicht. Denn was die Ultimate Paloma so besonders macht, ist ihre Karbonisierung, also ihre Versetzung mit Kohlensäure. Diese verändert nicht nur die Art der Darreichung, sondern auch einiges an Geschmack und Aussehen. Und um das zu erreichen, muss sie eben durch eine Plastikflasche …
Ultimate Paloma
Zutaten
4,5 cl Tequila Blanco (in diesem Fall Patrón Silver)
3 cl Grapefruit-Cordial
0,5 cl Faude Blutorangengeist
9 cl Wasser (karbonisiert)
1 Dash Salzlösung
Die Sexyness der Karbonisierung
Aber der Reihe nach. Als erster Eindruck besticht die Ultimate Paloma durch ihre besondere Ästhetik. Transparent und leicht opal schimmernd, von einer einzelnen, kristallklaren Eisstange gekühlt, kommt der Drink ausgesprochen minimalistisch daher. Kontrastiert von der explosiven Farbigkeit der Grapefruit-Garnitur, ist das zum einen einfach verdammt stylish, hat aber auch seinen praktischen Grund. „Um Drinks zu karbonisieren, muss jede trübe Zutat von ihren Schwebstoffen befreit werden. Denn diese würden dazu führen, dass sich die Kohlensäure nicht homogen verteilen kann“, erläutert Damien Guichard die erste Bedingung für das Gelingen.
Im Falle der Ultimate Paloma betrifft das zuerst den hausgemachten Grapefruit-Cordial. Dieser wird im Vorfeld durch die Verarbeitung mit Agar Agar gewonnen. In der Verbindung mit dem Grapefruitsaft entsteht dabei eine Art Gelatine, die die Schwebestoffe bindet und so ermöglicht, diese mühelos von dem flüssigen Rest zu trennen. Sind alle Zutaten von ihren Schwebestoffen befreit, kommt es vor allem auf das richtige Verhältnis von Wasser und Temperatur an, welches über Gedeih und Verderb entscheidet.
„Im Prinzip ganz ähnlich wie bei Tee“, vergleicht Guichard die Zubereitung. Doch während es bei Tee vor allem um die richtige Wärme geht, spielt beim Karbonisieren der richtige Kältegrad die entscheidende Rolle. Nur wenn der Drink ausreichend gekühlt ist – „wir machen es bei 4° Grad, aber grundsätzlich gilt: je kälter, desto besser“ ¬–, verteilt sich die Kohlensäure gleichmäßig in der Flasche. Und diese wird, nach dem sie zu zwei Dritteln gefüllt wurde, gleich dreimal innerhalb von 24 Stunden an den Zapfhahn gehängt.
Die Anlage dafür, eine große Flasche CO2 mit Schlauch, befindet sich direkt unter dem Tresen. An diese werden die umfunktionierten PET-Flaschen angeschlossen, als Anschluss dienen Ventile, die statt der herkömmlichen Deckel auf jede der Flaschen geschraubt werden. Sind die Flaschen dann ausreichend geladen, müssen sie weitere vierundzwanzig Stunden ruhen, damit die Kohlensäure „durchziehen“ kann.
Der Aufwand lohnt sich. Aus mehreren Gründen.
Im ersten Moment mutet das Ganze dann doch ziemlich aufwendig an. 48 Stunden Zubereitungszeit für einen Drink? Lohnt sich das? Guichard beantwortet die Frage mit einem glatten: „Ja.“ Denn nach der recht aufwendigen Produktion wartet die Methode mit einigen Vorteilen auf. „Die Zeiten, in denen Bartender alles à la Minute produziert haben, sind meiner Meinung nach vorbei. Die Zubereitung mag zwar ein wenig kompliziert anmuten, aber dafür können wir vor Eröffnung fünf bis sechs Liter vorbereiten, die wir dann sehr schnell servieren können.“ Und wie jeder, der einmal hinter einem Tresen gestanden hat, weiß: Ab dem Moment, an dem sich die Türen öffnen, zählt oft jede Minute. Oder wie es Guichard bezeichnet: „It’s a business, after all.“
So zeigen karbonisierte Drinks einige ihrer Vorteile im Service. Sie sind auf Bestellung sehr schnell zu servieren und durch die homogene Karbonisierung in jeder Serviermenge und Glasgröße gleichbleibend gut und stabil. Ebenfalls reduzieren sie die Menge an Flaschen, die in das Geschehen involviert sind, was auch gerade in Zeiten von und nach Covid für einige Gäste ein Argument sein könnte. Denn das Bewusstsein für Hygiene und Übertragungsrisiko werde sicherlich noch für einige Zeit in den Köpfen der Gäste verankert bleiben, ist sich Guichard sicher.
Der optische Wow-Effekt
Soweit die Argumente seitens der Bartreibenden. Wie aber steht es um den Vorteil für die Gäste? Diese bekommen mit den karbonisierten Vertretern nicht nur eine knackige Ästhetik, sondern auch einen herrlich frischen Drink, der im Falle der Ultimate Paloma schnell den Eindruck eines zeitlosen Klassikers hinterlässt. Perlende Kohlensäure, die würzige Schärfe des Tequila und die ehrliche Bitterkeit der Grapefruit vermählen sich perfekt zu einem Drink, der genau so als Aperitivo wie als Alternative zum Allstar Gin & Tonic funktionieren kann. Und durch seine Leichtigkeit ebenfalls für Fans des Low-ABV-Trends geeignet ist. „Viele unserer Gäste bestellen den Drink gerade wegen des optischen Wow-Effekts“, wie Guichard es nennt. „Viele sehen den Drink bei anderen Gästen, wollen wissen, was das ist und ordern ihn auch.“
Die Charikteristik des Tequila muss dabei genau in Szene gesetzt werden, denn sie kann durchaus dominant sein. Dass dies gerade bei geklärten Drinks zu beachten ist, merkte auch das Team des Truffle Pig. „Bei unserem Sparkling Tequila Sunrise mussten wir die Hälfte des Tequila-Anteils durch Vodka ersetzen. Denn auch wenn es die meisten Aromen durch das Agar Agar schaffen, verlieren manche Öle und Geschmäcker an Potenz, wie etwa auch die Grenadine.“
Lust auf Neues
Auf die Frage, ob diese neue Art der Drinks langfristig der Spritzkultur den Rang ablaufen könnte, winkt Guichard ab. „Ich halte nichts davon, Gästen einen Drink vorzuschreiben. Wer Lust auf einen Spritz hat, der soll genau den bekommen. Ich will vor allem, dass Gäste sich wohl fühlen. Wer Lust auf etwas Neues hat, dem stehen hier jedoch alle Möglichkeiten offen.“
Wann auch immer das wieder sein wir.
Credits
Foto: Damien Guichard