Unten laut, oben leise: Tipsy Tiger und Dry Club verbinden zwei Welten in Zürich
Schrill, laut und ein Magnet für Nachtschwärmer – so präsentiert sich die Bar Tipsy Tiger in der Zürcher Langstrasse. In der oberen Etage eröffnet sich ein ruhiger Raum mit mondäner Speakeasy-Atmosphäre: der Dry Club. Hier verwirklichen Luca Huber und Flurin Kopp ihren Traum, unterstützt von Samuel Widmer als Küchenchef. Wir haben uns das Bar-Ensemble genauer angesehen.
In Zürich einen guten Drink zu bekommen, ist längst selbstverständlich geworden. Die Limmatstadt bietet eine beeindruckende Vielfalt an geschichtsträchtigen und renommierten Hotel- wie Restaurantbars, die sich mit Neueröffnungen wie der Bar im Mandarin Oriental Savoy oder der Eden Bar im La Réserve weiter vergrößert hat. Hinzu kommen zahlreiche unabhängige Bars mit innovativen Trinkkonzepten und einzigartigen Erlebnisräumen, wie das im vergangenen Jahr eröffnete La Catedral.
Tipsy Tiger und Dry Club als Bar-Ensemble
Inmitten des pulsierenden Kosmos‘ der Zürcher Langstraße haben Luca Huber und Flurin Kopp einen weiteren neuen Bar-Hotspot geschaffen; mit den Bars Tipsy Tiger und dem darüber liegenden Dry Club ein Bar-Ensemble ins Leben gerufen, bestehend aus zwei völlig unterschiedlichen Konzepten. Küchenchef Samuel Widmer sorgt für eine kulinarische Vielfalt, die auf die jeweilige Atmosphäre abgestimmt ist. Der Tipsy Tiger fügt sich mit seiner markanten Industrial Design-Ästhetik, den auffälligen Tigermotiven auf Barhockern und Lampen sowie einer im Sommer geöffneten Glasfront, die in einen die Bar umgebenden Terrassenbereich übergeht, nahtlos in die urbane, gesellige Umgebung ein, die von Bars wie der Cinchona Bar und der originellen Olé Olé Bar geprägt ist.
Das Herzstück des Tipsy Tiger bildet ein langer, schlichter Tresen mit Marmorplatte, hinter dem gut sichtbare Zapfhähne sichtbar sind. Daraus strömen aber weder Hopfen noch Malz. Vielmehr handelt es sich um acht raffinierte „From the lab to the Tap“-Cocktails, deren Geschmacksprofil und Rezeptur die beiden Bartender gemeinsam kreieren.
Tap to the Top
Da die Cocktails und Highballs on Tap direkt vom Fass gezapft werden, bedarf es oft noch ihrer Erklärung. „Viele Gäste sehen das Konzept als Cash-Cow und vermuten, es ginge darum, dass wir uns damit unsere Arbeit durch Schnelligkeit oder Volumen erleichtern wollen“, schildert Luca Huber, der als gelernter Chemielaborant auf fundiertes und technologisches Wissen in der Herstellung zurückgreifen kann. „Diese Cocktails zu kreieren, sie in gleichbleibender Qualität und Quantität zu produzieren oder auch zu karbonisieren, braucht immens viel Zeit und auch Erfahrung.“
Dass sie für den aktuell auf der Barkarte stehenden „Clear Espresso Martini“ in Tap- und interpretativer Version zuvor ein Destillat aus Cold Brew Coffee produzieren, ahnen eben die meisten Gäste nicht, die die Drinks per QR-Code abrufen können. Zwar erleichtern die aus zehn Liter-Fässern gezapften Tap-Cocktails, ob karbonisiert oder nicht, die Arbeit des Teams im Erdgeschoss, doch sind diese immer auf die Prämisse zugeschnitten, qualitativ hochwertig zu sein. Ohne diese Methode wäre es nur schwer möglich, solche Cocktails dem Publikum so zügig zu servieren, das sich bei normalem Betrieb auf rund 60 und in Stoßzeiten auf bis zu 100 Personen im Erdgeschoss formieren kann.
Unten gesellig, oben mondän
Um die Leidenschaft der beiden Barchefs für gehobene Barkultur und kreative Drinks zu erleben, führt der Weg durch eine unscheinbare Tür am Ende des Tipsy Tiger-Tresens. Beim Öffnen ist ein dezentes Tigergebrüll zu vernehmen, bevor man von der lebhaften, geselligen Atmosphäre des Tipsy Tiger in eine mondäne und anmutige Sphäre eintritt – in die des eleganten Dry Club im Obergeschoss.
Der Dry Club ist eine Hommage an die Speakeasy Bars der US-amerikanischen Prohibitionsjahre. „Den Namen Tipsy Tiger zu finden, hat etwas länger gedauert, aber als wir das Konzept unserer Bar im Obergeschoss entwickelten, war der Name schnell geboren“, erzählen Kopp und Huber. Der Name soll an die Prohibition in den Vereinigten Staaten und den ikonischen Dry Martini erinnern, der eng mit dieser Ära verbunden ist. „Es war die Blütezeit von Kreativität und Bartending. Obwohl Bars illegal waren, haben viele Menschen dort ihre Zeit verbracht, und es sind viele, bis heute bestehende Drink-Kreationen entstanden. Egal, was um uns rundherum passiert, im Dry Club sollen Gäste eine schöne Zeit im Hier und Jetzt haben. Diese Atmosphäre wollen wir vermitteln“, erklärt Luca Huber.
Das Abschalten und zur Ruhe kommen im Hier und Jetzt, ob allein oder in Gesellschaft, an diesem gediegenen Ort, ist ein Grund, warum nur der Tipsy Tiger, nicht aber der Dry Club, auf Social Media präsent ist. „Das war eine bewusste Entscheidung. Der Dry Club will nicht elitär sein und alle Gäste willkommen heißen. Natürlich dürfen Gäste fotografieren und ihre Erlebnisse in Social Media teilen. Aber wir wollen diesen Mood als Rückzugsort von der Straße bewahren und jenen Menschen diesen Raum bieten, die danach suchen und wissen, dass es ihn gibt“, so Huber.
Ausgefeiltes Drink-Konzept
Die Barkarte des Dry Clubs ist elegant nach traditionellen Bar-Gläsern gegliedert, die klassische und Signature Drinks präsentieren. So finden sich unter „Nick and Nora“ Cocktails wie der „Clearly a Gimlet“ und sein alkoholfreies Pendant „Not a Gimlet“. Die Tumbler-Kategorie bietet Klassiker wie den Negroni sowie den Signature Drink „Sesam and Mushroom“, eine raffinierte Mischung aus Bourbon, Champignons, Sesam und Miso. Es gibt eine Getränkesparte der Highballs und natürlich die Martini-Sektion mit einem hauseigenen „Dry Club Martini“ aus gekühltem Gin und/oder Vodka und selbstproduzierten Tinkturen.
Bei unserem Besuch agiert Flurin Kopp hinter dem Marmortresen mit roségoldenem Barzubehör und serviert auf Wunsch einen Strawberry Margarita-Twist „Chocoberry Pepperita“ auf Basis von Tequila und Mezcal mit Schokolade-Pfeffer-Aromen und verlaufendem Schokolade-Salz-Potpourri an der Coupette. Samuel Widmer ergänzt das Erlebnis mit einem Auszug aus seiner Chef’s Selection: Cucumber-Salat mit Peanuts und Chili Crunch und Sellerie-Macarons mit Kräutern und Trüffel. Der Trinknachbar wünscht einen „Kinobi Kakigori“ mit Gin, Limette und asiatischen Pfeffersorten. Den Auftakt für diesen Drink stiftet ein feiner, mit Yuzu-Frucht aromatisierter Eisberg in der Coupette. Für dieses Shaved-Ice benutzt Kopp eine in der Backbar thronende Aparatur. „Es ist eine Kakigori-Eismaschine, die wir eigens aus Japan importiert haben“, erzählt der bekennende Japan-Fan.
Für die Umsetzung ihres Food-Konzepts haben die beiden Geschäftsführer ihren Freund Samuel Widmer als Küchenchef gewonnen. Widmer, der bereits im Parkhotel Vitznau, The Dolder Grand und im Schloss Schauenstein des Schweizer Sternekochs Andreas Caminada tätig war, setzt in beiden Bars kulinarische Akzente. Im Dry Club bringt er europäisch-asiatische Fine Dining-Variationen auf das Porzellan, während er im Tipsy Tiger die Burgerkultur auf ein neues Niveau hebt. Dort genießen die Gäste Highlights wie den „Tipsy Burger“ und „Triple Cooked Fries“ mit hauseigener Sauce, die sogar bis vier Uhr morgens serviert werden. Der Fine-Pairing-Gedanke aus Cocktails und Gerichten sollte zukünftig noch stärker in den Fokus gerückt werden, so der Wunsch der beiden.
Aus der Not eine Speakeasy-Tugend gemacht
Die Immobilie mit zwei unterschiedlichen Barkonzepten auszustatten, war anfangs nicht geplant. „Über dem Dry Club befinden sich Privatwohnungen. Die Immobilienvermieter wollten deshalb keine bis in den Morgen geöffnete Party-Location wissen. Dann hatte ‘Flu’ die Idee einer Speakeasy Bar, und so haben wir aus der Not und einem anfänglichen Killerkriterium eine Tugend gemacht“, schildert Huber die Entwicklung der beiden Einrichtungen basierend auf einem freundschaftlich verbundenen Fundament. „Ich könnte mir keine besseren Partner als Luca und Samuel vorstellen“, findet Kopp.
Inhaber dieser beiden unterschiedlichen Etablissements sind Anatol Gschwind und Lars Ruch, die auch den Zürcher Hive Club betreiben. Durch sie ist Flurin Kopp an das Projekt geraten, es ging an das Pläneschmieden, und bald formierte sich das Dreigespann aus Kopp, Huber und Widmer. „Für uns alle ist ein Traum in Erfüllung gegangen. Wir sehen darin eine Riesenchance, uns selbst zu verwirklichen und anzubieten, was wir gut finden. Es treibt uns jeden Tag an, unsere Energie, Zeit und unser Herzblut zu investieren“, heißt es unisono.
Luca Huber agierte zuvor unter anderem in der Clouds Bar im Zürcher Prime Tower und zuletzt als Barchef in Dirk Hanys Bar am Wasser, wo er mit Flurin Kopp zusammengearbeitet hat. „Er und andere haben sich damals bei Dirk für mich stark gemacht. Es war ein cooles Team“, denkt der gelernte Chemielaborant an seine „Tellerwäscher-Karriere“ zurück, die er gleichsam wie seine Partner auf das nächste Level heben will.
Egal ob im Erd- oder Obergeschoss.
Credits
Foto: Tipsy Tiger