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Gerstensaft ohne Gerste: Vida Latina Agavenbier

Bier aus Agaven. Was dem konservativen Teutonen die Zornesröte ins Gesicht treibt, kommt als „Vida Latina“ auf den europäischen Markt. Wir haben uns den Pflanzensud vorgenommen. Dabei entstehen nicht nur Antworten, sondern auch Fragen und Ideen.
Die Frage liegt tatsächlich nah, zumindest, wenn man dem Reinheitsgebot gegenüber eine lockere Einstellung pflegt: Weshalb sollte Bier eigentlich grundsätzlich aus Getreide gebraut werden? Das haben sich auch die Querdenker des schwedischen Firma AliasSmith AB gedacht, die sich auf den Import und Vertrieb mexikanischer Genussmittel spezialisiert haben.
Die Wüstenpflanze als Sehnsuchtsobjekt
Die Agave steht also schon länger im Fokus der Firma. Und somit scheint der Schritt zum „Vida Latina“ gar nicht mehr so fern. Als Basis des Sudes kommt ausschließlich die zuckerreiche Pflanze in den Sudkessel, der auch Tequila und Mezcal ihre Würze verdanken. Da das Produkt nicht in Deutschland, sondern in Mexiko produziert wird, darf es jedoch auch hierzulande als „Beer“ gehandelt werden.
Der eigentliche Brauprozess verläuft auch tatsächlich wie beim Gerstensaft, ebenso kommt Hopfen als Aromageber und natürliches Konservierungsmittel hinzu. Eine Besonderheit des Vida Latina ist jedoch, dass es durch seine Basis komplett frei von Gluten ist und überdies einen sehr geringen Kaloriengehalt von nur etwa 38 kcal pro Flasche.
Aufgrund des Herstellungsprozesses rechnen wir dennoch mit einem Geschmackserlebnis, das eindeutig Richtung „Bier“ gehen sollte.
Frischer Auftritt
In der für Nord-und Mittelamerika typischen, grünen 355-ml-Flasche (12 Flüssig-Unzen) mitsamt einem ebenso grünen Etikett, verweist das Vida Latina stolz auf seine pflanzliche Herkunft. Im Glas präsentiert es sich dann mit hellem Bernsteinton und leichter Trübung. Die Farbgebung ist durchsetzt mit orangenen Reflexen.
Der im Vorfeld als „cremig“ angekündigte Schaum kommt jedoch nur in sehr geringer Menge zustande und ist darüberhinaus recht instabil. Auch die Kohlensäure ist recht zurückhaltend.
Beim Nosing erinnert das Vida Latina stark an ein mildes, leichtes und sommerliches Ale: es verströmt zunächst Aromen von Aprikosen, Orangenzeste und grüner Bananen. In der zweiten Nase treten etwas dunklere Aromen von Brioche, Karamell und Blütenhonig hinzu. Untermalt wird der Duft von einer leichten, für viele Agavenspirituosen charakteristischen Rauchnote, die jedoch sehr hintergründig ist.
Schwierige Fortsetzung
Im Antrunk macht sich leider zunächst die schwache Kohlensäure bemerkbar: das Bier wirkt ein wenig kraftlos. Überraschend ist ein, im Vergleich zum Nosing, überaus trockenes, kompaktes Geschmacksbild mit einer sehr prägnanten, zuerst gut eingebundenen, nach hinten raus aber etwas eindimensionalen Säure.
Der nicht näher spezifizierte Hopfen macht sich indes kaum bemerkbar, generell schmeckt die Bitterkeit nur leicht vor. Am Gaumen entwickelt das Vida Latina dann doch die versprochene feine, cremige Bindung und sorgt für ein ausgewogenes Finish, das durch kräftige Töne von herber Schokolade und Banane sowie durch leichte Röstnoten getragen wird.
Quo vadis, Agave?
Einen großen Minuspunkt gibt es für die halbgare Kohlensäure, die vielleicht auch nur am Verkostungsmuster liegen mag. Obwohl das Vida Latina auch jenseits dessen noch nicht genau zu wissen scheint, wo es hin möchte, ist es trotzdem ein spannendes Produkt.
Das blumig-fruchtige Bouquet, das ein leichtes, unkompliziertes Sommerbier erwarten lässt und dann durch den schlanken, trockenen Geschmack konterkariert wird, könnte allerdings besonders bei unerfahrenen Gaumen für Irritationen sorgen. Für eingefleischte Fans aromatischer, würziger Stile wie IPA oder Porter könnte das Bier wiederum zu wenig Malz- und vor allem Hopfenpower haben.
Alternative? Aber bitte mit Nachhilfe!
Hier gilt es für die Hersteller, nicht einzuschlafen und ein wenig an der Balance und Feinabstimmung zu schrauben. Für die Konsumenten wiederum heißt es: wachsam bleiben, denn nicht immer muss es Getreide sein. Generell darf das Experiment „Agavenbier“ als geglückt gelten.
Denn auch, wenn beim Vida Latina sicherlich noch Luft nach oben ist, könnte es doch als interessante Alternative zu so manchem Lager oder Ale dienen. Fragt sich nur, was Tequilafreunde dazu sagen.
 
 

Credits

Foto: Agavenfeld via Shutterstock

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