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Zehn Jahre. Vom Saftladen zur innovativen Bar.

Der neue Tischtresen

Das Bar-Interieur scheint ohnehin die Domäne dieser neuen Barbetreiber-Generation zu werden. Der jüngste Trend, der von GSALand ausgeht, ist der Tischtresen. Im Winter 2010 öffnete in Berlin das Buck & Breck. Dort sitzen die Gäste nicht an einer langen Barriere, sondern rund um einen erhöhten Tisch. Das Restaurant-Element Tisch wurde in die Bar übernommen und mit dem Tresen fusioniert. Dort sitzt man nun mit den anderen Gästen dicht am Bartender, der die Getränke in die Runde reicht.

In ähnlicher Ausführung ist diese Art von Tresen, die ein völlig neues Raumgefühl zaubert, bereits in der Münchner Bar Reichenbach und der Frankfurter Neueröffnung The Parlour installiert. Es ist zu erwarten, dass auch diese noch junge Erfindung, die Cocktail Geeks in Verzückung versetzt, bald in anderen Bars und anderen Ländern anzutreffen ist.

Immer mehr »Made in GSA«

Dass German Style Bartending mittlerweile Realität ist, dass der deutsche Sprachraum mittlerweile eigene Akzente im internationalen Barkosmos setzt, symbolisiert vielleicht am besten noch das Etikett »Made in GSA«. Dieses entstand auf Anregung des New Yorker Cocktail- Enthusiasten Martin Doudoroff, der der deutschsprachigen Szene ein mangelndes Bewusstsein für heimische Produkt vorwarf.

Das kann man heute nicht mehr behaupten. Neben dem eingangs erwähnten Flagschiff The Bitter Truth gibt es heute eine wachsende Zahl innovativer Produzenten, deren Spirituosen und Liköre die heimischen Bars erobern. Immer mehr Bartender experimentieren mit ihnen in Cocktails und kooperieren zunehmend mit Brennereien. Der Schwarzwälder Gin Monkey 47 etwa ließ das Münchner Bartender- Netzwerk Barzirkel die ersten Rezepturen verkosten und ist heute in fast jedem anspruchsvolleren Rückbüfett zu finden.

Liköre der Kreuzritter GmbH wie Goldengel oder Zingiba würzen Cocktailkreationen innovativer Mixologen. In einem Münchner Hinterhof produziert die Persephone Distillery ihren Duke Gin, während in Oberösterreich vom Brenner Reisetbauer Blue Gin destilliert wird. Und auch die Augustus Rex Brennerei in Dresden setzt in Zusammenarbeit mit Twist Bar Impresario René Förster auf das Barprodukt Gin.

Wahrscheinlich zeigt aber das Start-up Thomas Henry am besten, wie wichtig und wirksam die Barszene hierzulande als Resonanzboden für Innovation geworden ist. Innerhalb von nicht mal zwei Jahren hat sich das Angebot in der Mixer-Kategorie von Tonic & Co., bisher noch ein Sorgenkind der Bars, völlig umgekrempelt.

Die neue Vielfalt an Produkten ist manchmal fast ein bisschen überwältigend. Ein bisschen Besonnenheit kann da durchaus gut tun, wie auch Alexander Hauck von The Bitter Truth meint: »In manchen Bars geht es heute darum, die verrücktesten Sachen herzustellen. In einem leeren Laden zehn Minuten auf einen Drink zu warten, ist aber nicht der Sinn der Sache.«

Aber auch er erfreut sich an der neuen Vielfalt: »Es gibt eine sehr viel größere Auswahl an Bars als früher. Wenn man aufs Land rausfährt, entdeckt man heute plötzlich Cocktails und Spirituosen, die man früher nicht angetroffen hätte.«

Das Tempo, in dem sich die Barszene in GSALand entwickelt, gibt, bei allem kritischen Stirnrunzeln über einzelne Eskapaden, Anlass zur Freude. In diesem Sinne wünscht man den heimischen Bars und der nachwachsenden Bartender-Generation, dass die nächsten zehn Jahre ebenso fulminant verlaufen werden. Prosit!

(Dieser Artikel erschien erstmals in MIXOLOGY Issue 4/2012. Das Printmagazin MIXOLOGY erscheint alle zwei Monate. Informationen zum Abonnement finden Sie hier auf MIXOLOGY ONLINE.)

Illustration: Inga Israel

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