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Der Collins & seine Anverwandten, Teil 10: Der Mojito

Die wahre Geschichte des Mojito wird wohl für immer ein Geheimnis bleiben. An Theorien, Hinweisen und Mythen mangelt es jedoch nicht. Der auf Rum und Minze basierende Drink ist dem Daiquiri ebenso nahe wie dem Mint Julep. Nichtsdestotrotz ist der vermutlich bekannteste kubanische Cocktail aber vor allem ein Verwandter des Collins.

Sir Francis Drake

Stammt der Mojito von Sir Francis Drake? Ihm soll der Rum nicht geschmeckt haben und deshalb habe er den Geschmack desselben durch Zugabe von Minze, Limette oder Zitrone und Zucker verbessert. Dieses Mischgetränk habe auch gegen Magenbeschwerden geholfen und sei bei den Freibeutern sehr beliebt gewesen. Da Sir Francis Drake bei den Spaniern den Namen Draque hatte, wurde sein Mischgetränk ebenso bezeichnet, und daraus sei der Mojito geworden. So jedenfalls berichtet es erstmals Fernando Campoamor. Darüber hinaus meinen manche, nicht Sir Francis Drake wäre der Erfinder gewesen, sondern der unter ihm fahrende Richard Drake. Beide seien nicht verwandt gewesen.

Diese Aussage steht im Zusammenhang mit der Tradition des 16. Jahrhunderts, Minze als Heilmittel bei Magenbeschwerden einzusetzen. Auch der 1596 verstorbene Sir Francis Drake muß davon gewußt haben, als er im Auftrag der britischen Königin Elisabeth I. spanische Schiffe enterte. Sie revanchierte sich, indem sie ihn zum Ritter schlug.

Man muss bei der Einschätzung auch berücksichtigen, dass Rum oder Zuckerrohrschnaps damals noch keine Standardspirituose war, die man auf Schiffen mitführte. Admiral Penn war der erste, der nach der Eroberung Jamaikas 1655 die tägliche Ration an Bier durch Rum ersetzte, und erst 1731 wurde die tägliche Rumration von der britischen Admiralität für alle Schiffe angeordnet.

Der Draque als Vorläufer des Mojitos wird in einer 1838 erschienenen Novelle erwähnt mit den Worten: „Ich nehme jeden Tag um elf Uhr einen Draquecito und er tut mir gut.“ Durch Verwendung von Sodawasser soll daraus der Mojito geworden sein.

Doch für diese Geschichte gibt es keine Belege, es ist reine Vermutung. Aber es gibt noch andere Berichte, die uns etwas über die Entstehung des Mojitos mitteilen. Geben sie darüber Auskunft, wer ihn erfunden hat?

Mojito (nach Armin Zimmermann)

4 cl weißer kubanischer Rum
1,5 cl Zitronensaft
1 cl Zuckersirup (2:1)
13 cl Sodawasser
1 Minzstängel

Zubereitung: Zitronensaft, Zuckersirup, angeklatschte Minze und Rum im Collinsglas verrühren. Nicht drücken, nur rühren. Eiswürfel zugeben und rühren. Soda zugeben und erneut rühren. Erneut etwas Soda zugeben und rühren. Eiswürfel zugeben, mit Soda auffüllen und kurz umrühren.

Emilio Gonzales

Die Bar des Plaza Hotels in Havanna wurde in den 1930er Jahren nicht nur von ausländischen Touristen, sondern auch von der einheimischen Bourgeoisie besucht. Dort arbeitete der Bartender Emilio Gonzales, den man auch als „König der Bartender“ bezeichnete, und er hat den Mojito als Abwandlung eines Mint Juleps erfunden.

Der Strand „La Concha“

Erasmo Brito, Mitglied des 1861 aufgelösten „Club de Cantineros de la Républica de Cuba“, erzählt, dass der Mojito im ersten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts am Strand „La Concha“ entstand. Dort befand sich ein aristokratischer Club, und ein dort arbeitender unbekannter Bartender hat den Mojito entwickelt. Er teilte sein Rezept mit einem Bartender namens Rogelio, der in einer anderen Bar von Marianao, am selben Strand gelegen, arbeitete.

Der Strand „Sibboney“

Jesús Piña Despaigne, ein Bartender aus Santiago de Cuba berichtet, dass der Mojito in Santiago entstand, wie so viele andere Cocktails auch. Dies geschah am Strand „Siboney“, und Herr Méndez war der Urheber. Von dort aus ist er dann nach Havanna gelangt.

Die Bodeguita

Ernest Hemingways Motto war: „Mein Mojito in der Bodeguita und mein Daiquiri in der Floridita.“ Der Besitzer der Bodeguita, ein Herr Martinez, erfand den Mojito, so sagt man.

Die Prohibition

Aufgrund der Prohibition reisten viele US-Amerikaner nach Kuba, die Mint Juleps trinken wollten. Dort gab es jedoch keinen Bourbon, weshalb die kubanischen Bartender stattdessen Rum nahmen und das Ganze mit Sodawasser ergänzten. Alternativ soll ein aus den USA stammender Bartender, der wegen der Prohibition nach Kuba gegangen war, den Mojito erfunden haben.

Die Sklaven

Man sagt, dass Sklaven den Mojito auf kubanischen Zuckerrohrplantagen im späten 19. Jahrhundert erfunden haben.

Die Farmer

Kubanische Farmer erfanden den Mojito im späten 19. Jahrhundert und brachten ihn dann nach Havanna und in andere Orte.

Wer war es nun wirklich?

Für alle genannten Entstehungsmythen gibt es keine belastbaren Quellen und Beweise. Es sind Mythen, und wer den Mojito erfand, weiß man nicht. Grundsätzlich darf man aber davon ausgehen, dass er eine kubanische Erfindung ist, denn die ersten Rezepte stammen alle aus kubanischen Büchern.

Die Bezeichnung

Es gibt mehrere Erklärungen für den Namen. Er soll von einer ursprünglich kanarischen Würzsauce stammen, oder auf den westafrikanischen Namen für einen kleinen Zauber oder Zauberbeutel Bezug nehmen. Alternativ wird auch gesagt, er stamme vom Wort mojado ab, was „nass“ bedeutet.

Doch die Erklärung wird eine andere sein. Die erste interessante Rezeptur stammt aus dem Jahr 1927. In „El arte de hacer un cocktail“ wird ein Mojo Criollo aufgeführt, der jedoch nichts anderes als ein Daiquiri ist: eine Mischung aus Rum, Limón und Zucker. Im „Libro del cocktail“ aus dem Jahr 1929 wird ein Rum Cocktail beschrieben, der gleichzeitig den Namen Rum Mojo hat. Dieser besteht aus Zucker, Limettensaft und Limettenschale, Minze, Bacardi und Sodawasser. Erst 1930 taucht in „Club de Cantineros de la Republica de Cuba“ die Bezeichnung Mojito auf, für eine Mischung aus Zucker, Limette, Rum, Minze und Mineralwasser.

Aufschlußreich ist nun die doppelte Bezeichnung aus dem Jahr 1929 als Rum Cocktail und Rum Mojo. Der Begriff „mojo“, so sagt Erasmo Brito, bedeute allgemein so etwas wie „Mischung“. Der Rum Mojo wäre damit einfach nur ein Rum-Mischgetränk, was genau genommen sogar die korrekte Bezeichnung wäre, denn für einen echten Cocktail fehlt der Bitter. Später wurde dann der „Mojo“ zu einem „Mojito“, also zu einer kleinen Mischung. Man könnte diese Verkleinerungsform verwendet haben, um auf den geringeren Alkoholgehalt bei der Verwendung von Sodawasser hinzuweisen, oder es war einfach nur umgangssprachlich eine Mode, so wie man bei uns oft in eine Kneipe geht, nicht um ein Bier, sondern ein Bierchen zu trinken.

Gab es einen Vorgänger?

Es stellt sich die Frage, wodurch der Mojito inspiriert wurde. Der Daiquiri mag eine Rolle gespielt haben mit seiner Kombination von Rum, Limette und Zucker. Ebenso kann man der Meinung sein, es wäre der Mint Julep gewesen. Doch viel naheliegender ist die Inspiration durch den Collins. Nicht nur Anistatia Miller und Jared Brown vertreten diese Meinung. Im Grunde ist der Mojito ein Rum-Collins, der mit Minze aromatisiert wird. Der Weg vom Collins zum Mojito ist kürzer als vom Daiquiri oder vom Mint Julep. Auch Charles S. Baker ist in seinem „Gentleman‘s Companion“ aus dem Jahr 1939 dieser Meinung. Er schreibt: „SLOPPY JOE’S MOJITO, der ein BACARDI COLLINS ist“.

Die wahre Geschichte des Mojito: Wer hat‘s erfunden?

Leider muß man feststellen, dass der Mojito nicht nur in Kuba erfunden wurde. Schon viel früher kam jemand auf die Idee, einen Rum-Collins mit Minze zu aromatisieren. Dort heißt die Mischung zwar nicht Mojito, doch es ist einer, wenn auch fälschlicherweise als „John Collins“ bezeichnet.

Ein Zeitungsartikel vom 6. Juli 1877 vermeldet: „THE BROOKLYN EAGLE spielt in einem Artikel über Sommergetränke auf den “John Collins” als ein Getränk an, das aus “Wasser, gesäuert mit Zitronensaft, Zucker, Pfefferminz und ein wenig altem Santa Cruz-Rum” hergestellt wird, und fügt hinzu, dass es nach John Collins, einem irischen Schauspieler von einigem Ruf, benannt wurde! Wir dürfen nicht zulassen, dass mit der Wahrheit der Geschichte auf diese Weise nachlässig umgegangen wird, und wir müssen dagegen protestieren, dass eine solche Interpretation eines ehrwürdigen Getränks irgendwo außerhalb der Slums von Brooklyn akzeptiert wird, wo es uns nicht überrascht, dass er, wenn er nach diesem Rezept zusammengebraut wird, seine Anhänger dazu bewegt, … ihre Frauen aus den Fenstern im dritten Stock zu werfen. … Gesäuertes Wasser, Pfefferminz, Zucker und Rum, fürwahr! … Der eigentliche „John Collins“ besteht aus einer halben Zitrone, die in einen Soda-Tumbler gepresst wird (halb mit zerstoßenem Eis gefüllt, oder auch nicht, wie es der persönliche Geschmack verlangt), einem großzügigen Weinglas Old Tom Gin – Genever kann ersetzt werden, wenn Old Tom unerreichbar ist, aber das Ergebnis ist zwangsläufig minderwertig – , einer Flasche Soda und einem gehäuften Esslöffel Puderzucker, und zuallerletzt muss die Mischung sofort getrunken werden.

Die Zubereitung

Betrachtet man die überlieferten Rezepturen, so gibt es zahlreiche Varianten, die sich im Laufe der Zeit veränderten. Detailliert soll darauf an dieser Stelle nicht eingegangen werden, und auch nicht diskutiert werden, welche der zahlreichen Ansichten nun korrekt sind. Beispielhaft nehmen wir nur einmal die Minze. Sie wird entweder gerührt, zerdrückt, geschüttelt, oder einfach nur als Dekoration hineingesteckt.

Meine Rezeptur weicht vom Standard ab, und ich möchte erklären, warum dies so ist. Ein Mojito mit mehr Rum und weniger Soda ist auch formidabel. Ich hingegen habe mich für eine dem Collins ähnlichere Variante entschieden, mit weniger Rum, auch wenn viele sagen mögen, das sei nicht der originale Mojito. Für mich ist es so an einem heißen Tag aber erfrischender. Interessanterweise hat es sich gezeigt, dass in diesem Fall die Verwendung von Zitronensaft ein stimmigeres Ergebnis schafft als mit Limettensaft, der ja in der Regel mit Rum eine bessere Kombination ergibt – nicht jedoch im Collins.

Credits

Foto: Sarah Swantje Fischer

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