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Kalifornischer Martini-Lunch in Grinzing

Über fünf Millionen Investment und eine Bar, die bis zu 380 Sitzplätze bespielt im Wiener Melrose denkt man groß. Dank Routinier Andreas Obermeier allerdings pflegt man in der amerikanischen Bar mitten in der noblen Weingegend durchaus auch das Detail.

Pin up-Girls mit Surfbrettern sind noch nicht aufgetaucht. Aber zumindest auf der Barkarte der „Wave-Bar“ haben sie den Heurigenbezirk Grinzing schon erobert. In Österreichs Hauptstadt lebt man gern vom alten Ruhm, mitunter auch 50 Jahre lang, wie Helmut Qualtinger gerne sang. Für die Gegend, in der einst die Winzer mit ihren schmucken Hauer-Häusern zu Landpartien innerhalb der Stadtgrenzen luden, stimmt dieses Bonmot wie kaum woanders.

Längst haben Bustouristen die Gegend erobert, „Buschenschanken“ mit 400 Sitzplätzen sind die Realität, die Romantik bleibt nur mehr ein beschworenes Nostalgiefetzchen in den auf der verstimmten Gitarre vorgetragenen Couplets über die „Weana-Stodt“. Die letzten echten Winzer führen einen Abwehrkampf, den die Boulevardzeitungen unterstützen, der aber nicht zu gewinnen ist. Besonders das Grinzinger Heurigen-Schlössl, ein grotesker Operettenstadl mit Speisenausschank für Japaner, stand als Sinnbild und Mahnmal dafür, dass sich die „guade oide Zeit“ nicht konservieren lässt.

Martini statt Wein-Folklore

Doch ironischerweise hat die gastronomische Moderne nun auch dieses Potemkin’sche Weinschloss hinweggefegt. Ankauf und Umbau schufen daraus ein Lokal, wie es Wien noch nicht gesehen hat. Genau genommen sind es zwei, das kalifornische Restaurant „Melrose“ und die darin integrierte Bar „Wave“. Letztere – und das zeigt die Challenge für das vierköpfige Team – bespielt theoretisch alle 380 Sitzplätze. Andi Obermeier, einer der größten Routiniers der Wiener Barszene (zuletzt verantwortlich in der Albertina-Passage), sorgt dafür, dass das auch jenseits der 40 Plätze im unmittelbaren Bar-Bereich funktioniert.

Mit dem Hauschampagner Gosset hat man sich für ein weniger bekanntes Haus entschieden, das allerdings zu den ältesten der Champagne gehört. Schließlich wird beim Brunch am Wochenende nicht nur zu Hangover-Drinks wie dem „Bloody Bull“ mit Rinder-Consommé geladen. Ab 10.30 Uhr serviert man auch den „Prince of Wales“, der gepflegte Vormittagsdrink ist ein bewusstes Angebot nach amerikanischem Vorbild. Hier kann dem ausgestorben geglaubten Martini-Lunch gefrönt werden, den „(Too) Dirty Martini“ mit Perlzwiebel, Cornichon, Pfeffer und Sherry gibt es auch dazu.

Mit nur 9,90 Euro pro Glas Gosset macht man den Anwohnern, zum nicht geringen Teil SUV-Fahrer mit einer Praxis in der Innenstadt, ein Angebot, das sie schwerlich ablehnen können. Zehn Champagner zur Wahl, darunter Dom Pérignon à 210 Euro die Flasche, heben die Laune der Chefärzte und Medienanwälte. Auch bei den Weinen regiert ein klares Konzept: „Österreich oder Neue Welt, dazwischen gibt es nichts“.

Preisgestaltung für alle

Wie aber ist es um die Cocktails bestellt? Konzeptuell spielt die Karte alle Register, vor allem die „Native Californians“-Seite, die auch den „Pisco Sour“ an der Westküste eingemeindet, überzeugt: Die „Tommy’s Margarita“ gibt es wahlweise mit Cabrito Blanco (10 Euro), 1800 Reposado (12 Euro) oder Don Julio Añejo (14 Euro). Zwei Euro unterscheiden in der gesamten Karte die drei Varianten „Premium“, „Prestige“ und „Perfect“. Es wird also je nach Geldbeutel eingeschenkt. Die jahrzehntelange Erfahrung Obermeiers hat dafür gesorgt, dass das einigermaßen exotische Generalthema Kalifornien nicht aufgesetzt wirkt. Da hilft auch das Barfood, das der philippinische Koch Jeffrey schickt: Nachos, Mini-Burger „Juicy Lucy“ oder mit Coke und Honig glasierte „Hühnerflügerl“.

So wird das Angebot an „Spritz“, darunter ein erfreulich herber mit Cynar (4,90 Euro), auch mit den drei „Temperance Drinks“ flankiert. Ein „Toasted Marshmallow Milkshake“ zeigt, dass es abseits der unausrottbaren „Shirley Temple“ deutlich moderne Alternativen für alkoholfreie Drinks gibt. Und richtig gehend nostalgisch wird es an der Marmor-Bar, wenn ein „Sherry Cobbler“ oder „Ramos Gin Fizz“ aufgetischt werden. Momentan betrachtet man das Angebot als „work in progress“. Mit einem überschaubaren Angebot von fünf saisonalen Drinks geht man in die ersten Monate der neuen Bar am Stadtrand. „Strawberry Mint Smash“ oder ein mit Himbeeren, Weizenbier und Tequila gemixter „Partners in Crime“ sorgt für sommerliche Erfrischung.

Zwischen Bourbon und Bowls

Löblich auch, dass man sich entschlossen hat, zwei Bowls anzubieten. Gäste gibt es ja genug für die Drink-Sharing-Variante, der sich auch die MIXOLOGY-Ausgabe 3/15 gewidmet hat. Wahlweise wird eine „Scorpion Bowl“ (Angostura Rum, Pisco, Orgeat, Orangensaft) oder das Tee-Service mit Hendrick’s G&T samt Gurke und Tasmanischem Pfeffer angeboten.

Die von Obermeier geschulte Crew geht es in puncto mixologischer Exzesse langsam an, „die Herbstkarte wird experimenteller“, verspricht das Bar-Urgestein. Dann werden z.B. nicht nur die Steak-Griller rauchen, sondern auch die Smoking Guns. Schließlich müsse man auch das Publikum und seine Wünsche erst kennenlernen. Schon vom Start weg ausgetobt hat man sich dem Thema entsprechend bei der Whiskey-Auswahl der „Wave“. Single Malt-Freund Obermeier hat auch beim Bourbon ein gutes Händchen, und so finden sich Buffalo Trace, Blanton’s Single Barrel einträchtig neben Wild Turkey 101. Die größte Auswahl weist mit 25 Positionen der Rum auf, schließlich benetzt man auch die zarte Pflanze Tiki vorsichtig in Grinzing. Mai Tai statt Weiße Mischung? Die Wöd steht auf kann Foi mehr laung

Credits

Foto: Fotos via Melrose Restaurant

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