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Torf Nils Wrage

Wenn Torf nicht gleich Torf ist

Es gibt kaum einen Bestandteil im schottischen Whisky, um den so viel Gewese gemacht wird wie um den Torf. Kein Getreide und keine Wasserquelle ist imstande, eine trinkende Gemeinde so zu splitten wie die „Torfnasen“ vom Rest.
Torf allerdings ist nicht einfach nur ein Rohstoff, der dafür verwendet wird, aus gedarrtem Malz einen torfigen oder rauchigen Whisky zu machen. Denn, wie bei so vielem:  Torf ist nicht gleich Torf. Dabei wird regelmäßig so über ihn gesprochen. „Ist dieser Whisky getorft oder nicht?“ – „Ah, torfige Whiskys sind meine Sache leider gar nicht.“ – „Nun, ganz leicht getorft geht.“ Und dabei ist letzterer Satz noch einer der distinguiertesten. Torf teilt; teilt ein in Mögen oder Nichtmögen, in drin oder eben nicht drin. Dabei ist die Sache mit dem Torf doch vielfach interessanter.
Bei einer Destillerie-Führung auf schottischem Inselboden, nämlich der westlichen inneren Hebrideninsel Jura, spricht Rachel Jones, Distillery Visitor Center Manager, davon, dass es doch vor allem darauf ankäme, welche Sorte Torf für die verschiedenen Jura-Qualitäten verwendet würde. Wie, Sorten? Geht es nicht lediglich darum, wie lange die keimende Gerste über dem Torffeuer liegt, das Darren aufhört und, früher weniger, später mehr Torfaromen entwickelt? Sie kennen unsere rhetorischen Fragen dieser Natur – nein, geht es freilich nicht. Und eigentlich hätte man es sich denken können; schließlich gibt es rauchigere Whiskys und torfigere, die einen schmecken mehr nach einem ausgetrunkenen Lagerfeuer, die anderen nach einer Nacht in der Zahnarztpraxis, abgefackelter Tankstelle oder einem Feuerwerk aus Mullbinden. Und nicht eine dieser Beschreibungen ist auch nur ansatzweise despektierliche gemeint, ganz im Gegenteil.

Torf: Mmmhh, gummiartiges Abwasser!

Thomas Plaue, Master of Whisky bei Diageo, führt dies bei einem kurzen Intermezzo am BCB ganz ähnlich an. „Es kommt darauf an, ob der gestochene Torf von der Oberfläche des Bodens ist oder von tief unten, ob es sich um Insel-Torf handelt oder um Torf vom Festland.” Kommt der Torf eher von der Oberfläche des Bodens, so schmeckt er nach Rauch und Schinkenspeck, Lagerfeuer und loderndem Holz. Aus den unteren Gefilden des Bodens entnommen, schmeckt er hingegen eher nach den „Laphroaig-Noten“, nach Phenol und Asphalt, nach Benzin und nach Krankenhaus. Der Unterschied zwischen Insel- und Festland-Torf speist sich vor allem aus der Zusammensetzung, die, man hat es vermutet, auf der Insel deutlich mehr Sand enthält als auf dem Festland und somit die Konsistenz und damit den Zersetzungsprozess beeinflusst.

Was, „phenolisch“ alleine reicht nicht?!

Und als wäre es an dieser Stelle nicht schon nerdy genug, wollen wir uns nun einmal dem Phenol selbst zuwenden. Schließlich ist „phenolisch“ nicht einfach ein Aroma, das man nennt, wenn man beim Laphroaig-Tasting auf Nummer sicher gehen will. Phenole sind aromatische Alkohole und stickstoffhaltige, ringförmige Verbindungen. An Stellen wie dieser wird immer wieder deutlich, wie spannend Chemieunterricht hätte sein können. Hätte man die lebensweltlichen Kontexte anders gewählt. Je nachdem, wie viele Methylgruppen einer solchen Verbindung letztlich anhängen, gibt es neben den Phenolen auch die Kresole und verschiedene Guajakole. Letztere sind für die würzig süßen Raucharomen verantwortlich, wie sie vor allem in den Mooren auf den Orkney-Inseln vorzufinden sind, am Hobbister Hill.
Die klassisch medizinischen Islay-Noten kommen vor allem aus den Phenolen und Kresolen aus den Mooren Gartbrecks, Glenmachries und Castlehills auf Islay sowie aus dem Machrihanish-Moor in Campbeltown. Je nach Position dieser Methylgruppen schmeckt es dann auch einmal gummiartig, schwefelig oder gar nach Abwasser. Man kann es Menschen, die für torfige Whiskys wenig übrig haben, kaum schmackhaft erklären. Dem Rest läuft bei Aufzählungen dieser Natur das Wasser im Mund zusammen. Mh, gummiartiges Abwasser!

Die fünf Regionen in Sachen Torf und Whisky

Ganz grundsätzlich teilt man Torf also in fünf verschiedene Regionen ein, aus denen sich das aromatische Profil von Torf ergibt; das sind besagte Moore auf Islay, St. Fergus in Aberdeenshire, Torf aus Campbeltown, den Hobbister Hill auf Orkney und Tomintoul an der Speyside. Letztlich kommt es natürlich auch darauf an, wie die Vegetation jeweils ist. Weil Disteln, Heidekraut, Sand und Farn schlichtweg verschieden schmecken.
Und für alle, die zu späterer Torfstunde noch glänzen wollen, die Methylgruppenstory aber nicht mehr zusammen bekommen: Phenolische Aromen kommen beim Whisky nicht nur durch den Torf, sondern auch durch das Fass. Auch beim Auskohlen des Eichenfasses bilden sich phenolische Strukturen, die dem Whisky medizinische Noten und Süßholz-Aromen verleihen können. Und jetzt war’s auch wissenschaftlich genug und der nächste Laphroaig schon wieder verdient. Manchmal ist es dann doch ganz einfach.

Credits

Foto: Nils Wrage

Comments (1)

  • Stefan Wilke

    Toller Beitrag! Gut gemacht!

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