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Das White Rabbit in Frankfurt: Was lange gärt, wird gut

Der neueste Barzuwachs in Frankfurt nennt sich White Rabbit. Wir haben das Team um den ehemaligen Kinly-Mitarbeiter Alexej Grjasnow getroffen, um über das ambitionierte Projekt in der Frankfurter City zu sprechen. Willkommen im Wunderland der Fermente und Essige.

Neu muss nicht immer fortschrittlicher heißen. Im Gegenteil. Bartender Alexej Grjasnow geht hinter dem frisch hochgezogenen Tresen sogar noch einen Schritt weiter – zurück. Er lässt Rotationsverdampfer und Sous Vide aus der Kinly Bar hinter sich und widmet sich stattdessen uralten Techniken im jüngsten Bar-Neuzugang Frankfurts, dem White Rabbit.

Alexej im Wunderland

Das hielt die Tür für Gäste länger verschlossen als eigentlich geplant, und wie üblich in dieser Corona-Zeit: nicht ganz freiwillig. Obwohl diese Tür heute sogar angelehnt ist, denn drinnen werkelt das Team. Draußen sind die Straßen noch immer so leer, dass man meinen könnte, der neu erbaute MainTor Komplex in der Frankfurter City entspringe einer Kulisse aus der modernen Truman Show. Dort, am Fuße des Winx Towers, in dem sich die Sonne spiegelt und Anwälte, Berater und diverse andere vor ihren Bildschirmen sitzen, entsteht sie also, die Bar mit dem Konzept, das tagsüber und nachts greift und Elemente aus Alice im Wunderland impliziert. Und die schon vor der Pandemie geplant war.

Die Scheiben sind mit Folie abgeklebt, so dass man sich im Inneren wirklich ein bisschen so fühlt wie unter Tage. 300 Karotten wachsen und leuchten von der Decke, die übrigen Glühbirnen sind heruntergetrimmt. In der Nachtansicht präsentiert sich das ausgefuchste Design, das so etwas wie Infinity-Spiegel vorsieht, 30 Sitzplätze impliziert und sich der Farben Schwarz, Weiß und Rosa bedient. Weiße Tischplatten, schwarze Stühle, rosa Samtvorhänge.

Alexej Grjasnow arbeitet im White Rabbit mit Fermenten und Essigen
Optisch orientiert man sich im White Rabbit in Frankfurt an „Alice im Wunderland“

White Rabbit

Neue Mainzer Straße 6
60311 Frankfurt am Main

Überall blubbert und brodelt es

Doch etwas bricht die klare Linie des Interieurs. Eine Styroporbox auf dem Hochtisch am Fenster, in der es zu leben scheint. Glasbehälter auf dem Tresen, in denen Pumpen trübe Flüssigkeiten zum Blubbern bringen, Kannen, in denen es brodelt und zischt. Und hinter der Bar reihen sich Flaschen dicht an dicht, auf dessen Etiketten Bezeichnungen wie „Bananenessig“, „Süßholz“ oder „ZMelisse Wodka“ gekritzelt sind.

Was dahinter steckt? Alexej Grjasnow und sein Ziel, Bartechnik nochmal ganz anders zu denken. Der 32-Jährige sitzt an einem der Tische mitten im Raum und ist kaum zu bremsen, als er über die Zeit spricht, in der alles ruhig schien, in der er sich aber „bewegt“ hat. Es seien hier Dinge entstanden, die tatsächlich neue Möglichkeiten gebracht hätten.

Basis für seine Arbeit sind die Minuten und die Stunden, vor allem aber das Team, das in der Frankfurter Barszene groß mitmischt. Bis auf Andreas Cortina (ehem. Chinaski) sind alle da, sie treffen sich zweimal die Woche, immer montags und freitags. Marc Rüppel, der vorher im The Parlour hinter der Bar stand, kocht gerade weißen Tee, der als Milchersatz herhalten könnte. Sascha Grundmann, der schon im Kinly neben Alexej Grjasnow mixte, werkelt in der kleinen Küche.

Das Team will Low Tech auf High Level bringen

Das Team hat sich vorgenommen, mit einfachen Mitteln zu arbeiten. Es will Low Tech auf High Level bringen. Das bedeutet konkret: zurück zu den Wurzeln. Zu uralten Techniken, zu Salz, Essig, zu Kōji. Mit ätherischen Ölen experimentieren sie auch. „Wir haben inzwischen so viel ausprobiert. Manche Ergebnisse sind extrem gut, manche durchwachsen“, erzählt Alexej Grjasnow, pausiert und lacht, als würde er sich gerade an etwas Spezielles erinnern.

Das Noma-Handbuch Fermentation erwähnt Alexej Grjasnow öfter, daraus haben sie auch die Essigherstellung adaptiert. Das passiert in jenen Gläsern, in denen die Aquarium-Pumpen hängen. Denn um Essig zu produzieren, muss Sauerstoff hinzugefügt werden. Das weiß der Bartender freilich: 13 Semester Chemiestudium, Laborpraktika und Forschungsprojekte haben geprägt. Er kann regelrecht Fachsimpeln über Klären, Laktobazillen, ph-Werte und Osmose.

„Die selbstgemachten Essige unterscheiden sich ungemein von den fertigen, denen fehlt diese scharfe Essignote. Unsere haben ein viel ausgeprägteres Aroma,“ sagt Alexej Grjasnow, der offiziell als Beverage Manager agiert, auf dessen Visitenkarte in Wahrheit aber „Yoda“ steht. Später wird er Espressotassen mit Sellerieessig, Rosinenessig und Bananenessig aufgießen, um zu Verkosten.

Das Team des White Rabbit in Frankfurt ist bereit

Im White Rabbit wird auf Pairings gesetzt

Wie integrieren sich diese Ergebnisse in den Drinks? „Wir arbeiten mit Pairings,“ sagt der Yoda und schwärmt von ihrer Dark-and Stormy-Variante namens „Friedrich“, in der jener Bananenrum mit Tonkabohne auftaucht und mit Minzsirup und Gingerbeer ergänzt wird. Seinen „Hamlet“ mischt der Bartender gleich am Tresen, das ist eine Mischung aus Kaffir, Granatapfel, Traube, Earl Grey und Vanille. Seine Augen beginnen zu leuchten, als er die orangerote Flüssigkeit in Coupettes abseiht. Er nimmt einen Schluck, und nun heben sich auch seine Mundwinkel.

Jener Genuss sowie das Raumerlebnis sollen auch bei den Gästen des White Rabbit in Zukunft im Fokus stehen. Die Jungs werden eher im Hintergrund arbeiten, der Arbeitsbereich ist insgesamt abgesetzt. Auch die Fermente sollen bis zur Öffnung außer Sichtweite sein. Was nicht bedeutet, mit dem Experimentieren aufzuhören. Tatsächlich wünscht sich das Barteam sogar, diesen Werkzeugkasten des Wissens irgendwann zu teilen und Rezepturen weitergeben zu können.

Eine Terrasse und Essen gibt es ebenfalls

Da verschwindet Marc Rüppel und kommt mit Macarons zurück aus der Küche – zum Gegenschmecken. Denn die rosa Naschwerke sind so etwas wie essbare Mini-Hamlets aus der Patisserie. Sie sollen hier tagsüber zusammen mit Kaffeespezialitäten, Frühstück und Lunch verkauft werden, im To-Go-Geschäft. Oder zum Verzehr vor Ort, hier drinnen oder draußen, es wird eine Terrasse mit weiteren 35 Sitzplätzen geben. Morgens wird Brioche angeboten, Granola und Frittata, mittags Quinoa-Salat, Rote-Bete-Tatar mit karamellisiertem Lauch oder eine Spinat-Gorgonzola-Quiche.

Abends begleitet Barfood wie Edamame, 3 Jelly Caprese oder Meat Puff Pastry die Drinks. Gäste könnten aber auch einfach ein Bier bestellen. Jede und jeder so, wie sie oder er gerne möchte. Doch bis dahin wird noch etwas Geduld abverlangt. So bleibt genug Zeit für weitere Experimente – und Vorfreude.

Credits

Foto: Tina Franke

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