Erhaben und elegant: Der White Truffle Martini
Ein Martini mit Trüffel und Avocado? Doch. Der White Truffle Martini von Susanne Baró Fernández funktioniert teuflisch gut. Der Twist auf den puristischen Klassiker besticht durch ein beeindruckendes Zusammenspiel von Umami-Noten. Man muss nur an ein paar Trüffel rankommen und dem Gin ein Sous Vide-Bad einlassen.
Er ist nicht weniger als der König der Drinks. Ein ewiger Regent, der Stürmen und Winden trotzte, zahlreiche Cocktail-Revolutionen überstehen konnte und im Wandel des Zeitgeists seinen Ruf zu festigen vermochte. Herab blickt er von seinem erhabenen Gebilde über die Hänge, die sein Land zieren. Vorbei schweift sein Blick an alten Weggefährten, die einst ihm ähnlich waren, und fällt schließlich auf all die ihn imitierenden Gaukler der niedrigen Stände.
Dabei ist seine Macht äußerlich kaum auszumachen. Blass und labil wirkt der Herrscher in seinem Auftreten, farblos und langweilig kritisierten ihn die ewigen Nörgler. Seine wahre Stärke liegt dabei im Verborgenen. Es ist die unnachahmliche Fähigkeit, genau jene Charakterzüge im Zusammenspiel zu perfektionieren, die für sich genommen tatsächlich recht unwürdig erscheinen. Das konnte er schon immer, der Martini, King of the Kings.
Auf den Boden geholt …
… ist der Martini – in seiner unter den tausenden von Derivaten ausgemachten Version – möglicherweise der unscheinbarste und gleichzeitig wirkungsvollste Drink der Welt. In seiner klassischen Komposition aus Gin, Wermut und einer Olive fast zu schlitzohrig, um ihm mit den richtigen Worten gerecht zu werden. Trocken und appetitanregend, erfrischend-leicht und eine hervorragende Bühne für besondere Wermut-Sorten, ist er wahrlich eine Rezeptur, deren Korsett schrecklich eng ist und dennoch hervorragend passt.
Wieso also DEN unanfechtbaren Klassiker twisten? Vor einiger Zeit schrieb ich gar darüber, dass manche Drinks keine Abwandlung benötigen. Dem widerspreche ich auch heute nicht. Ich ergänze lediglich meine Meinung und füge hinzu, dass nicht jede Abwandlung a priori diffamiert werden darf. Wir befinden uns in einer schwierigen Zeit, in der Dinge haltlos diskreditiert werden von gerade denjenigen, die es eigentlich besser wissen. Natürlich erfreuen wir uns alle an einer das Land überkommenden Welle der klassischen Cocktail-Revolution mit Martini, Martinez, Last Word und Bijou. Und doch muss diese Welle kein Tsunami sein, der die Andersdenkenden heimtückisch aufsucht.
Susanne Baró Fernández und ihr White Truffle Martini
„Es geht mir darum, dem Gast meine Karte zu erklären. Ihm näherzubringen, was für ein Drink ihn erwartet. Natürlich mag das in Form eines Twists geschehen, aber von der Rezeptur her orientiert sich der Drink an einem klassischen Martini, das heißt, er ist sehr spirit-forwarded. Ein klassischer Martini also im Cuisine-Style“, so Susanne Baró Fernández, eine eben dieser Andersdenkenden, über ihren White Truffle Martini.
In ihrer Adaption verleiht sie Trüffel-Gin, Wermut, Nocellara-Olive und Avocado-Öl die tragenden Rollen. Was zunächst anmutet wie ein wilder Stilmix, fügt sich im Zusammenspiel zu einem beachtlichen Schauspiel, das denjenigen, der es gustatorisch wahrnehmen darf, baff zurücklässt.
So verleiht der Albatrüffel aus dem Piemont, der zusammen mit dem Gin für nur kurze Zeit das Sous Vide aufsuchen darf, dem Destillat eine unbeschreibliche Nachhaltigkeit, die sich durch eine besondere Nuss-Note mit erdigen Tönen hinterlässt, ohne dabei an einer leicht süßlichen Komponente zu mangeln. Im Aufeinandertreffen mit Noilly Prat, einem der für „Dry Martinis“ wohl charakteristischsten Wermuts, treffen extrovertierte Eleganz auf gehobenes Understatement. Und so beruhigt der Wermut den Gin ein wenig, raubt ihm durch seinen trockenen Mantel jedoch nicht gänzlich seinen Esprit.
White Truffle Martini und die Kraft der Avocado
Finalisiert wird der ohnehin schon in Vorbereitung und Geschmack spektakuläre White Truffle Martini mit Avocado-Öl. Nun mag diese Trend-Frucht aufgrund des ökologischen Aufwands hinter ihrem Anbau von Nahrungs- und Lebensmittelexperten möglicherweise zurecht kritisiert werden, doch fügt sie dem White Truffle Martini ein Aroma hinzu und erweitert so die geschmackliche Wahrnehmung. Die umamige Kombination aus Avocado und Öl rundet den Cocktail von Susanne Baró Fernández ab, verleiht ihm eine sanft anmutende Cremigkeit und – das ist vielleicht das wichtigste – drängt sich dem Gast ob der Ungewöhnlichkeit auf, ohne dabei zu enttäuschen. Das ist selten, das ist gut.
Zurück bleibt ein würdiger Twist, perfekt zugeschnitten auf die Soll – und Mussvorschrift der deutschen Justiz. Trinken muss man ihn wohl nicht, und doch geht es beim White Truffle Martini um das intendierte Sollen. Denn den normalen Martini können wir doch schließlich immer trinken, aber diese Abwandlung darf man nicht verpassen. Prosit!
Credits
Foto: Foto via Tim Klöcker