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Widder Bar & Kitchen: Alles neu und doch vertraut

Die Bar-Szene in Zürich hat ihren Leithammel wieder: Transparenter als zuvor gestaltet, hat die Widder Bar das Restaurant als neue Spielfläche hinzu bekommen. Curry, Chili oder Koriander in Flüssigform ergänzen die Whisky-Bibliothek und demonstrieren die neuen Geschmackspfade, die Barchef David Bandak und sein Team eingeschlagen haben.

Wandkritzeleien im Fünf-Stern-Hotel? Ja, das Entree zur „Widder Bar & Kitchen“, wie die neue Kombination schon im Namen Trennlinien wegwischt, ist bei der Neueröffnung nicht wiederzuerkennen. Mittels Stiften kann jeder Gast einen Gruß auf der Metallwand an der Treppe hinterlassen, die ins Restaurant hoch führt. Lässigkeit an der Limmat demonstrieren dort eine Schauküche und der „Social Table“, an dem man sich selbst Bier und Sprudel zapfen kann. Den Tiganello bringt nach wie vor der Sommelier, aber ansonsten hat man sich vom „Fine Dining“ verabschiedet – und dafür die Bar ins neue Konzept einbezogen.

Mit dem Tumbler auf neue Geschmacksreise

Denn sie trägt ebenso wie die Küche zu den „Geschmackspfaden“ bei, die man anstelle einer Menüfolge auf die neue Karte setzte. Statt Vorspeise, Hauptgang und Dessert wählt man nun in der Widder Bar & Kitchen seine Geschmäcker. Basilikum, Rauch, Trüffel, Chili, Koriander, Pfeffer oder Curry werden in sechs Varianten durch dekliniert, die teils Edel-Street-Food veredeln (Berliner mit Schneekrabbe geben den Burger-Ersatz), aber mitunter auch auf eine Einzelzutat fokussieren. Der kambodschanische Pfeffer etwa als einzige Würzung der Garnelen vom Grill lebt von der Simplizität des Geschmacks. Und so wie es eine Makrone namens „Chili-Vanilli“ mit dezentem Nachbrenner gibt, gehören auch die Cocktails zum „Followers of Flavour“-Konzept des Hotels.

Der „Blood Bull“-Twist von David Bandak, bei dem der Vodka-Tomaten-Rinderbouillon-Mix mit einem Curry-Espuma getoppt wird, stellt dabei ein ideales Beispiel für die Aromareise mit dem Widderfell als fliegendem Teppich dar.

Man glaubt dem Barchef aufs Wort, dass dem ebenso fluffigen wie gewürzsatten Topping des Curry Hood (19 Franken) einige Versuche vorausgingen. Für Freunde der Abteilung „Savoury“ finden sich aktuell ohnehin einige Drinks auf der Karte. Zudem stehe die Winterkarte für „weniger Zitrussäfte und schwere Aromen“, erläutert Bandak die Auswahl. Den Truffle my Sazer (23 Franken) etwa riecht man schon, ehe er am Tresen steht. Zur Ausschilderung der sechs Aromapfade verwendet man Twists wie Buttermilch beim Pisco Sour (hier heißt er folgerichtig „Alles Widder oder was?“) oder Basilikum-Sorbet im hauseigenen Gin Basil Smash.

Neue Einsichten für die Widder Bar aus der Garage

Diese lockeren Elemente zu ebener Erde und im ersten Stock darf man bis zu einem gewissen Punkt auch als Lernpunkte der „Ausweiche“ in der Garage des Widder sehen. Denn der Erfolg der lockeren Party-Location „hat uns selbst überrascht“, wie General Manager Jan E. Brucker MIXOLOGY ONLINE erzählt. Bis Jahresende wird es noch weitergehen in der lockeren Atmosphäre. Mixologisch habe die Zeit auch „unseren Horizont erweitert“, sieht es Barchef David Bandak pragmatisch. Aus den anfangs zwei Barkollegen vor Ort wurden etwa am Ende fünf. Immerhin konnte so auch das neue Team Tritt fassen, mit dem man am alten Standort durchstartet. Selbständigkeit und der Wechsel zur Photographie hatten die Reihen der Widder-Crew zuvor dezimiert.

Zwischenzeitig wusste das Zürcher Ondit sogar, „dass die Widder Bar nach dem Umbau ein Club wird“, lacht Bandak – und gibt gleich den Bewahrer der klassischen Barkultur: „Mein Ziel ist, dass es das genau nicht wird.“ Seine Säulen dafür – neben den beiden massiven Widder-Skulpturen – bildet der Fokus auf klassische Drinks. Allenfalls saisonale Adaptionen der Karte, die künftig alle vier Monate wechselt statt monatlich, sollen hier Variationen ergeben. „Das kann ein Kräuterlikör sein, eine Schweizer Gin-Karte oder auch Aquavit, der mich persönlich sehr interessiert.“ Ansonsten versteht sich der 32-Jährige als Fortschreiber des Erbes von Markus Blattner und Dirk Hany, „die eine super Vorarbeit geleistet haben“.

Neue Heimkehr am alten Rennweg

Immerhin kennt auch der bislang jüngste Barchef das Haus am Rennweg bestens. „Insgesamt sieben Jahre bin ich schon hier“, so Bandak, der damit einen guten Teil der erst 22 Jahre währenden Hotelbar-Geschichte überblickt. Denn nach seinen Anfängen in Arosa und Brunnen/Vierwaldstätter See war er von 2007 an vier Jahre Teil des Widder-Teams, eher er kurz bei Peter Roth in der Kronenhalle hospitierte.

Seit 2014, als er vom Renaissance Zurich Tower zu Dirk Hanys Crew wechselte, ist Bandak ein Widder-Mann. Und verantwortet als solcher mit Chefkoch Tino Staub die neuen Geschmackspfade. Drei Monate Vorlauf stecken in den neuen Drinks zu den Kreationen der Küche, die sich vom Fleck weg bewährt haben: Vor allem der Champagner-Cocktail Citrus Cercle (20 Franken) in der kupfernen Ananas wird im Kitchen-Floor gerne geordert.

Die Bar hingegen wurde durch den Abriss einer Mauer einerseits transparenter, durch zusätzliche Tische wird es schneller kuscheliger im Zürcher Verschnauf-Treff nach dem Bahnhofstrassen-Shopping. Denn das Klavier blieb, auch wenn dem Restaurant die Sound-Landschaft aus London programmiert wird. Man ist seinem Ruf als Zürichs Jazz-Bar schließlich verpflichtet.

Und auch logistisch hat sich wenig verändert hinterm Tresen, seit Dirk Hany zu Pernod Switzerland gewechselt ist. Lediglich die nach dem Espresso greifende Bartender-Hand geht fallweise noch ins Leere, das Bedienfeld der Kaffeemaschine rückte nun in die Mitte des Tresens. Dafür sind auch die alten Spannungsschwankungen, Quell unzähliger Elektro-Witze der Habitués, mit dem Umbau Geschichte.

Aromatischer Gegenverkehr aus der Küche

Wichtiger als derlei Phantomschmerz ist aber die Wiedererkennungsfreude der Stammgäste. Sie haben ihre alten Favoriten schnell wieder entdeckt, der Senf-Drink AuGust-Mule, eine Kreation Bandaks, wird weiterhin gerne geordert. Die Balance zwischen neue Eigenkreationen und alten Klassikern müsse aber stimmen, gibt der Saarländer wieder den Traditionswächter. So werden auch die bekannten Whisky-Flights wieder zurück sein, wenn im März 2018 die Frühlingskarte präsentiert wird. Aktuell hat man bei den exklusivsten Flaschen der „Whisky Bibliothek“ auch auf eine Ausschenkgröße von einem Zentiliter gewechselt. Schließlich wolle man als Bar-Chef auch bei den 300 Franken-Flaschen, „dass sich diese verkaufen“.

Apropos Zukunft: Neben der Flavour Map für Champagner, mit denen die Widder Bar vermehrt aufwarten will, soll es bald auch den „Gegenverkehr“ vom Restaurant hinunter geben. Kleine Teaser-Versionen der Gerichte zu den „Follower of Flavour“-Cocktails werden dann vier kleine Drinks nach Wahl begleiten. „Wir suchen gerade die richtigen Gläser dafür aus“, geht David Bandak den neuen Aromapfad konsequent weiter. Beharrlich wie ein Widder.

Credits

Foto: Foto via Widder Bar.

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