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Wie werde ich Bartender Teil 6

Wie werde ich Bartender:in? Teil 6: einen Barchef haben

Im letzten Teil unserer Serie werfen wir einen Blick auf eine wichtige Figur im Leben eines jeden jungen Bartenders: den Barchef bzw. die Barchefin. Dieser wird im Idealfall vieles sein: Mentor, Erzieher, Identifikationsfigur und elterlicher Freund. Und den braucht man. Man muss sich darauf einlassen. Danach kann alles kommen.

Bis dato besteht unsere Serie – Wie werde ich Bartender:in? – aus fünf Teilen. Wir haben bereits in viele Bereiche des Karrierestarts geschaut. Das waren:

Im letzten Teil hingegen soll es nun um eine Person geben, die in dieser Form in keinem Lehrbuch auftaucht, auch in keinem Ausbildungsplan oder Leitfaden, ebenso wartet sie in keiner Barschule. Aber sie ist eine Person – das haben mir zahllose Gespräche mit professionellen Bartendern im Laufe der Jahre gezeigt – die es in fast jeder Bartender-Vita gibt und die in vielen Fällen ein Leben lang als abstrakte Richtgröße gilt, als verlässlicher Bezugspunkt, der das innere Selbstbild festigt – es geht um den ersten richtigen Barchef, zu dem man als Jungbartender:in Vertrauen aufbaut.

Der Barchef als Chef und Mentor

Nun ist es an dieser Stelle, ganz im Gegensatz zu den bisherigen Themen unserer Serie, natürlich nicht so, dass man sich den ersten wirklichen Barchef, der einen führt, weiterbildet und im Beruf festigt, gezielt aussuchen oder finden kann. Ebenso gibt es freilich nicht den einen festen, spezifischen Zeitpunkt im Karriereverlauf, an dem man auf ihn trifft. Manche Neulinge treffen schon in ihrem Ausbildungsbetrieb auf einen fähigen Barchef, andere erst danach. Wieder andere Quereinsteiger haben schon einige Jahre gastronomische Arbeit oder Bar-Jobs hinter sich, ehe sie in einen Laden geraten, der von einem wirklichen, erfahrenen und kompetenten Barchef geleitet wird. Es ist vielmehr so, dass der Barchef den Neuling findet, zum richtigen Zeitpunkt. Und er ist Gold Wert. Man muss sich nur auf ihn einlassen.

Außerdem gibt es unter dem Begriff „Barchef“ im Prinzip zwei Bedeutungen. Erstens: den Posten. Zweitens: den Menschen, der einen reifen Charakter hat. Es gibt mittlerweile viele sogenannte Barchefs, die 24 Jahre alt sind und nach einem zweiten Platz bei einer Competition einen Job bekommen, bei dem sie sich Barchef nennen dürfen. Auch ich selbst durfte diesen Titel im Alter von 23 Jahren und als studentische Aushilfe (!) in einem Betrieb führen, der das Wort „Bar“ eigentlich von seiner Tür hätte entfernen sollen.

Der Barchef bringt Ruhe und Routine

Nein, ein echter Barchef hat nicht einfach eine Visitenkarte, auf der das Wort steht – er ist ein Mensch, der sich im Laufe einer nicht mehr ganz so jungen Karriere viele Dinge erarbeitet hat: Ruhe etwa, Routine (im positiven Sinne), Lockerheit im Umgang mit allen Gästen (auch den schwierigen) und natürlich ein tiefes Verständnis vom Handwerk.

Daher ist es genau dieser Umstand, der das Aufeinandertreffen eines Berufseinsteigers mit einem erfahrenen Barchef so unheimlich wichtig macht. Denn während man sich das theoretische Fachwissen über Bars und Gastronomie mittels Büchern, Barschulen, Berufsschulen und Feierabendgesprächen aneignen kann, braucht die wirkliche, menschliche und soziale Festigung im Job einen Begleiter, der den Nachwuchs an die Hand nimmt.

Das liegt im besonderen Maße darin begründet, dass die Bar eben bis heute (wie wir immer wieder betont haben) keine anerkannte, zeitgemäße Berufsausbildung kennt, sowie in der Tatsache, dass es selbst innerhalb der Gastronomie keinen anderen Teilberuf gibt, der so sehr mit Kommunikation, Humor, Stressresistenz (bei gleichzeitigem Wahren der Form) und auch dem vielzitierten „dicken Fell“ zu tun hat. Die Wirkung der Betreuung durch einen Barchef, der den Einsteiger beim Erwerb dieser Kompetenzen begleitet, ist eigentlich in ihrer Bedeutung gar nicht messbar.

Es geht aber auch anders…

So, bis jetzt haben wir nur gejubelt. Dabei soll es selbstverständlich nicht bleiben. Denn wie bereits eingangs erwähnt, kann man sich den Barchef nicht aussuchen. Es mag sein, dass man als junger Bartender in der Ausbildung oder kurz danach erstmal an ein paar Kandidaten gerät, die zwar qua Macht und Weisungsbefugnis über einem stehen, aber als Mentoren nicht viel zu bieten haben – alte Tresenhaudegen, die mixen, als sei es 1973, die weder aufgeschlossen noch neugierig sind und die keine Wahrheit neben ihrer Meinung gelten lassen. Versoffene Grantler, die keine Schicht ohne eine halbe Flasche Amaro überstehen. Notorische, kaputte Choleriker, die im Prinzip nach 30 Jahren in der Mühle aus Kreuzfahrtschiffen, Happy-Hour-Bars und Robinson-Clubs eigentlich erstmal in Therapie gehen müssten, um mit ihren eigenen, inneren Dämonen abzuschließen.
Solche Hürden gilt es eventuell gar oft zu nehmen. Durch die Arbeit mit derartigen Leuten erhält der Neuling aber immerhin einen deutlichen Warnschuss, wohin es mit der noch jungen Karriere gehen kann, wenn man sie falsch versteht. Und solange man an solchen Stationen nicht versackt, bilden sicherlich auch sie als Erfahrung den Charakter. Dennoch sollte man nach einer nicht zu langen Zeitspanne das Weite und einen anderen Betrieb suchen, wenn man merkt, dass man unter Leuten arbeitet, die keinen Wert darauf legen, den Nachwuchs wirklich auf seinem Weg zu begleiten und zu formen.

Chef zu sein bedeutet nicht nur, das Sagen zu haben

Ein echter Barchef sieht anders aus. Ihm gelingt vor allem eins: Er beherrscht die Einsicht, dass auch er von seinem Nachwuchs noch immer lernen wird. Er ist trotz seiner Erfahrung, seiner Erfolge und seiner Routine bescheiden geblieben und begreift seinen Posten ganzheitlich. Denn irgendwo „Chef“ zu sein, das bedeutet nicht einfach, das Sagen und immer Recht zu haben – sondern die anvertrauten Untergebenen zu führen, anzuleiten, ihre Kenntnisse weiterzuentwickeln und die Mitarbeiter vor allem als Invest in die (auch eigene, persönliche) Zukunft zu verstehen.
Wo Bücher, Zeitschriften und andere Instanzen die Theorie bieten, leistet ein guter Barchef die Festigung in der Praxis, und zwar vor allem in der nicht-mixologischen Praxis. Er ist es, der einem die ersten paar Millimeter des besagten „dicken Fells“ verschafft, indem er in kritischen Situationen beruhigend, aber nicht beschönigend zur Seite steht, wenn es nicht läuft. Er ist es, der in bestimmten, stressigen Momenten lächelnd und mit vier Flaschen gleichzeitig pourend sagt „wir haben nie Stress, wir haben nur gut zu tun“, und dabei gleichzeitig darauf achtet, dass die Drinks immer noch sauber rausgehen. Er ist es, der vielleicht wider besseres Wissen an einem katastrophal chaotischen Abend den vollkommen überforderten, jungen Mitarbeiter für drei Minuten auf eine schnelle Zigarette vor die Tür schickt, obwohl der Laden brummt. Weil er als Mentor weiß, dass diese drei Minuten sich in der nächsten Stunde nachträglich wie ein Wunder auswirken können.

Ein Mentor tritt auch mal auf die Begeisterungsbremse

Er ist es aber auch, der beim ambitionierten Nachwuchs, der jeden Tag eine neue Infusion ansetzen will, zwischendurch beschwichtigend auf die Begeisterungsbremse tritt und sagt: „Lass mal gut sein, wir müssen mit all dem Kram, den wir hier machen, auch noch Geld verdienen.“ Und er ist bei seinem Team, auch in den öden, trockenen Situationen – wenn nach einer miesen, aber finanziell lukrativen Veranstaltung in der Bar noch das halbe Mobiliar umgeräumt und danach die Schubladen aufgefüllt und die Mise-en-place für den Folgetag gemacht werden müssen.
Da macht er mit, vielleicht stellt er dabei seinem Team sogar ein Gläschen Schnaps hin – obwohl er das eigentlich nicht darf. Ein guter Barchef weiß, wann so etwas sein muss. Weil er sein Team schätzt. Weil er nicht vergessen hat, wie sehr er sich selbst vor 15, 20 oder 25 Jahren nach einer solchen Figur gesehnt hat. Weil er verinnerlicht hat, dass er nicht einfach nur der Chef, sondern gleichzeitig Freund und in gewisser Weise allabendlich auch für sein Team der heimliche Gastgeber ist, der aus der Bar ein zweites Zuhause macht – wohlwissend, dass es dort auch mal kritische, ernste Töne gibt und geben muss.

Ein wohlwollender Mentor als zentraler Schritt

Wer einen guten Barchef gefunden hat, der wird das merken. Da man spürt, dass man bei ihm erstmal bleiben will, dass man sich ihm gern und auf eine positive Weise unterordnet. Auch, wenn der Barchef oft – wie denn auch sonst nach Jahrzehnten in der Gastronomie?! – bestimmte Schrulligkeiten, Spleens oder einen manchmal viel zu derben Humor haben wird.

Das gehört dazu, darauf muss man sich einlassen. Die mehrjährige Arbeit unter einem erfahrenen, gütigen und wohlwollenden Barchef, sie ist vielleicht der zentrale Schritt hin zum wirklichen Start in eine lange Karriere. Und irgendwann, nach bestenfalls einigen Jahren, zieht man von seinem Mentor fort und macht weiter. Als Bartender:in!

 

Wie werde ich Bartender:in? Die Serie

Teil 1: Die Voraussetzungen

Teil 2: Der Einstieg in die Gastronomie

Teil 3: Die klassische Berufsausbildung im Restaurant- oder Hotelfach

Teil 4: Der Sonderfall Barschule

Teil 5: Die richtigen Fachbücher lesen

Teil 6: Einen Barchef/Barchefin haben

Die Serie „Wie werde ich Bartender:in“ wurde 2017 erstmals auf MIXOLOGY Online veröffentlicht und 2022 überarbeitet und aktualisiert. 

Credits

Foto: Shutterstock

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