Ein Frankfurter Vogel namens Yaldy
Auf ihre Overalls warten die Jungs noch, aber das wissen die Gäste nicht, die mit ihren Drinks in den Händen auf Backhockern vor Bartischen sitzen, die auf dem Trottoir der südlichen Moselstraße aufgereiht sind. Jene Overalls sollen sinnbildlich verkörpern, was das Team hier in der frisch eröffneten Yaldy Bar im Frankfurter Bahnhofsviertel macht: „Handwerk“, so Mit-Betreiber Michele Heinrich.
Das Yaldy hat schon Stammgäste
Wobei wir aus sicherer Quelle wissen, dass bei einem Bartender wie Michele Heinrich schon ein bisschen mehr dahinter steckt, als lediglich die geübte Handhabung eines Shakers. Michele Heinrich kreiert Drinks, in denen Empathie steckt sowie eine Detailverliebtheit, die weit über den Standard hinausgeht; und Verfahren wie Rotationsverdampfung impliziert, mit denen er sich in den letzten Jahren in der benachbarten The Kinly Bar einen Namen gemacht hat.
Völlig ruhig und fast introvertiert wirkt der gebürtige Bayer beim Gastgeben. Ganz im Gegenteil zu seinem Partner Andrei Lipan, ein Grundsympath, der sich viel Zeit nimmt, um mit Gästen zu sprechen und ihnen die richtigen Weine zu empfehlen. „Hier kriege ich immer genau den Drink, der zu mir passt,“ erzählt ein weiblicher Gast, die mit ihren Freundinnen die Yaldy Bar besucht und sich nach ihrem zweiten Besuch bereits als Stammgast bezeichnet.
Garantiert gute Produkte
Länger konnte sie auch kaum hierher kommen, denn das Yaldy hat erst am 3. Juni 2020 eröffnet. Das genaue Datum wissen jene, die entweder zufällig vorbeigelaufen oder mit dem Yaldy-Team eng verbandelt sind. Die Eröffnung war nämlich so soft, dass sie nicht einmal bei Instagram angeteasert wurde, dem Leitmedium von Michele Heinrich alias jetsetmichi.
Das Gründerduo wollte eine Bar kreieren, losgelöst von Jahrzehnten oder Mottos, die Schubladen aufmachen und einschränken könnten. „Wir wollen einfach zeitlos und frei sein,“ erklärt Michele Heinrich. Sie bieten neben exzellenten Drinks auch Weine an. Und Speisen, darunter viele vegetarische, „saisonal, nachhaltig und bezahlbar“. Was sie von anderen nun wirklich unterscheide? „Wir garantieren gute Produkte,“ lautet die einfache Antwort, die keine Fragen mehr offenlässt, höchstens Vorfreude, ein wenig Appetit – und vor allem Durst.
Rückblende zum ersten Besuch im März
Frankfurter wissen, dass der Laden, in den Michele Heinrich und Andrei Lipan eingezogen sind, einst ein Hotspot für die Feierbandler und Nachtschwärmer war. Heute sitzen in der Moselstraße 15 ganz gediegen Frauen vor Sektkelchen, ein Paar mit der Nase über seinem Teller, Kleingruppen vor Highballgläsern, in denen Blumen stecken. Und wir, die im Schaufenster sitzen, mit großen Weingläsern in den Händen, um vom Logenplatz aus das Treiben vor der Bar und das Spähen der Neugierigen auf der anderen Straßenseite zu beobachten.
Bei unserem ersten Besuch, an einem Vormittag im März, waren die Türen auch auf, aber nur, um zu lüften. Der Kercher stand damals bereit und einige Bretter, wo jetzt die Theke erweitert wurde. Die Tische waren bereits geschreinert worden, massive Holzplatten mit schwarzen Beinen. Davor standen schwarze Designerstühle, an der Wand eine Bank, die sich an der Längsseite des schlauchförmigen Raumes entlang zieht.
Links würden die Gäste sitzen, während recht die massive Theke prunkt. Das war damals schon absehbar, als Corona die Pläne, im April zu öffnen, zerschoss. Anders als die meisten zu dieser Zeit, wirkten Michele Heinrich, Andrei Lipan und der Rest des Teams auch damals ruhig und entspannt. „Angst haben wir nicht,“ waren damals die Worte von Michele Heinrich gewohnt ruhig – und man kaufte es ihm ab.
Das Frankfurter „Tapas Parisian“
Jetzt, im Juli – und ohne Kercher und Besen – ist es im Barraum recht dunkel. Betongraue, hohe Wände und heruntergedimmte Birnen dominieren, nur ganz hinten ein Lichtblick. Buchstäblich. Die offene Küche ist in grellem Türkis gekachelt, dahinter geschäftiges Treiben, Dämpfe und Stimmgewirr. Da die Karten noch nicht gedruckt sind, bekommen wir eine Empfehlung von Joshua Besemer, der zusammen mit Michele Heinrich aus dem Kinly die Straße runter mitkam.
Wir bekommen einen Coco Laurent gemixt, einen auf Gin basierten Aperitif, der mit einer Infusion aus Campari, Salbei und Ras el-Hanout, Orangen-Sherbet, Zitrone und Soda ziemlich frisch und überraschend leicht daher kommt – und dabei trotzdem ein wenig ernst anmutet. Dann kredenzt uns Andrei Lipan drei Teller, die wir uns teilen, vorab Sauerteigbrot mit Olivenöl und Meersalz. „Tapas Parisian Style“ nennt man das hier. Der erste Teller besteht aus Miso-Creme, Spitzkohl, Portobello und einem Eigelb, das beim Anstechen zerfließt. Eine Symbiose, die so umami schmeckt, dass wir uns förmlich reinlegen möchten. Und auch die anderen zwei Teller – Pulpo auf Bohnen und zweierlei Spargel mit Johannisbeeren – sind top. Die Teller liegen preislich zwischen 12 und 24 Euro, da würde der Hesse sagen: „Ai, da kann mer net meggern!“
Viel fehlt nicht mehr, die Karten, eine Küchenhilfe und, natürlich, die Handwerker-Overalls, die das Team fast zu bescheiden, aber umso bezaubernder werden wirken lassen. Yaldy ist übrigens ein schottischer Ausruf für Aufregung und Begeisterung – und diesem schließen wir uns gerne an … Yaldy!
Credits
Foto: Yaldy