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Zucker. Oder wie das Süße in den Cocktail kam.

Die Reise des Zuckers in Europa begann mit der Invasion von Alexander des Großen in Indien. Es dauerte aber über Tausend Jahre, bis er richtig kleben blieb und auch in den Bars heimisch wurde. Ein kleiner Ausflug in die Geschichte mit Heimkehr in der Gegenwart.

Zucker – eine vergessene Zutat, wo doch hinter jedem Tresen eine Flasche mit flüssigem Zucker steht? Auch wenn Zucker inzwischen allgegenwärtig ist, so war das nicht immer der Fall: Früher war Zucker alles andere als gewöhnlich : Unter «Cocktail» verstand man 1806 eigentlich nur «Spirituosen, jede Art von Zucker, Wasser und Bitters», und die Mixologen von damals hatten es mit Rezepturen zu tun, die die unterschiedlichsten Sorten von Zucker verlangten, auch wenn ein Bartender wahrscheinlich nur das verwendete, was er gerade zur Hand hatte.

Wie ratlos muss ein Bartender gewesen sein, der in dem 1823 erschienenen Oxford Night Caps blätterte, dem ersten Buch, das sich ausschliesslich Drinks widmete : Das schmale Bändchen mit seinen 40 Rezepturen spezifizierte sieben verschiedene Sorten von Zucker : Einfach – und Doppelzucker, Zuckerhüte, Zuckerhüte aus Raffinade, Lissabon-Zucker, Zuckerwürfel und brauner Zucker.

Honig und Honigwasser wurden nur einmal in einer Fussnote erwähnt und zwar im Zusammenhang mit alten griechischen Heilmitteln. Zucker, der von Alexander dem Grossen in Indien entdeckt worden war –  er  beschrieb ihn als « Zucker aus Halmen » – verschwand jedoch in den folgenden Jahrhunderten aus den Rezepturen.

Wiederkehr nach über Tausend Jahren

Obwohl diese erste Begegnung bewirkte, dass Zucker von Asien nach Europa kam, verstrich ein ganzes Jahrtausend, bis in der Karibik angepflanzter Zucker  den Honig als bekanntesten Süssstoff in Europa ersetzte. Das war gegen Ende des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts, so dass man die Entwicklung und Verbreitung einer Cocktailkultur als direkte Folge der Verbreitung von Zucker betrachten kann.

Das 1862 veröffentlichte Cocktailbuch von Jerry Thomas How to Mix Drinks or The Bon Vivant’s Companion kam zusammen mit einem ähnlichen Buch von einem andern Autor, einem Professor Schultz,  auf den Markt. Sein Titel lautete Manufacture of Cordials, Liquors, Fancy Syrups, Etc. Nach ein paar einleitenden Bemerkungen zur Destillation und Filtration widmete der Professor gleich zu Beginn des Buchs mehrere Seiten dem Schritt für Schritt beschriebenen Prozess der Reinigung und Raffination von Zucker. Er detaillierte acht Phasen, die der Zuckers bis zur Karmelisierung durchläuft (eine Bezeichnung, die er auf den Grafen Albufage Caramel von Nimses zurückführte).

In Cooling Cups and Dainty Drinks (1869), dem ersten britischen Rezeptbuch, das ausführlich auf Cocktails einging, erklärte William Terrington, wie Zucker hergestellt wird, und was guten Zucker ausmacht. Zuckerhüte beschrieb er als « weisssen Zucker in Kegelform».

Um die Jahrhundertwende war granulierter Zucker – aus Zuckerrohr oder Zuckerrüben – so verbreitet, dass in den Cocktailrezepturen die Art des Zuckers nicht mehr spezifiert wurde, und das wurde auch bis zum Ende der Prohibition so gehandhabt, bis dann in ein paar Büchern wie der Mr. Boston-Serie die Bezeichnung « Puderzucker » für extrafeinen Barzucker auftauchte.

In den USA, wo  «Puderzucker » für Zuckergüsse verwendet wird, stiftete das grosse Verwirrung, denn diese spezielle Art enthält Weinsteinsäure oder andere, die Rieselfreudigkeit fördernde Zusätze, die in Cocktails nicht benutzt werden sollten. Noch vor zehn Jahren haben amerikanische Bartender (denen meistens nicht klar war, warum die Bezeichnung « Puder » benutzt wurde) heftig dagegen protestiert, « Puderzucker » in ihren  Cocktails zu verwenden.

Brauner Zucker und Melasse waren in Cocktailrezepturen noch nie besonders beliebt gewesen: Der Grund war, dass die Unreinheiten in diesen Süssstoffen die Unreinheiten in den Spirituosen verstärken. Da die Qualität von Spirituosen wie Rum inzwischen aber erheblich besser ist als vor hundert Jahren, können diese Aromen wieder eingesetzt werden. Heisser gebutterter Rum schmeckt zum Beispiel am besten mit braunem Zucker.

Agave, Honig, Melasse

Obwohl Ursprung und Name längst vergessen sind, ziehen die meisten Bartender das alte griechische Honigwasser (Honig und Wasser im Verhältnis 1 : 1) reinem Honig vor. Honig hat ungefähr dieselbe Süsse wie Zucker. Dieses Verhältnis gilt auch für  einfachen Syrup  in Cocktailrezepturen.

Agave-Sirup – auch Agave-Nektar genannt, obwohl es sich dabei um einen Sirup handelt – ist ungefähr 1,6 mal süsser als Zucker. Beim Mixen sollte man deshalb etwas weniger davon nehmen. Agave-Sirup ist verhältnismässig neu auf dem internationalen Markt, wo er erst in den letzten Jahren auftauchte. Natürlich war schon vor der Ankunft der ersten Europäer in Mexiko bekannt, wie süss geröstete Agaven schmecken. Bei den steigenden Honigpreisen wird Agave als Süssstoff immer beliebter, ein paar Hersteller vermarkten Agave-Sirup bereits «mit Honiggeschmack».

Abgesehen von Likören und Sirupen – die mehr oder weniger alle mit Zucker gesüsst werden – finden nur wenig andere Süssstoff-Quellen Verwendung, in erster Linie sind das Honig, Agave und Melasse. Jede bringt einzigartige Aromen zur Geltung, was etwas mehr Experimentierfreudigkeit rechtfertigt.

Auch wenn Bartender vorzugsweise Agave mit Tequila und Honig mit Whisky und dunklen Zucker oder Melasse mit Rum kombinieren, so ist das nur ein Anfang. Es wäre an der Zeit, diese willkürlichen Beschränkungen hinter sich zu lassen und das weite Feld neuer Möglichkeiten zu erforschen.

Wer etwas tiefer in die Materie eindringen möchte, sollte dem Berliner Zucker-Museum einen Besuch abstatten : 1904 erbaut, ist es das älteste Zuckermuseum der Welt. Sehenswert sind vor allem die Sammlung antiker Destillierkolben und die Ausstellung zur Alkoholgewinnung aus Zucker.

 

Bildquelle: aboutpixel.de / Cane sugar © LasseK.

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