Globale Trinkkultur. Eine europäisch-transatlantische Reise.
Ein »richtiges« Land hat man erst dann, wenn man ein Bier und eine Fluglinie hat – eine Fußballmannschaft oder Atomwaffen können nichtschaden, das Mindeste ist jedoch das Bier. — Frank Zappa. Gut gesagt, Frankie! Andererseits hat er aber auch seine Kinder Moon Unit, Dweezil, Ahmet Emuukha Rodan und Diva Thin Muffin Pigeen getauft, was doch zu denken gibt! Und dieses Zitat ist zudem über zwei Jahrzehnte alt: Um heutzutage als Nation zu gelten, muss man eine anständige Cocktailkultur aufweisen können. Aber was zum Teufel soll man darunter verstehen?
Fragt man einen dieser schnurrbärtigen Typen in Stulpenstiefeln, wird der nicht lange überlegen: klassische Cocktailbars wie sie vor der Prohibition üblich waren, frische Säfte, hochwertige Spirituosen, Blueberry Vodka, Yay Rye, Eis – ganz wichtig … so ungefähr wird seine Antwort ausfallen. Doch im Grunde zählt das alles nicht – innovative Cocktailbars verhalten sich zur Trinkkultur eines Landes wie die Haute Couture zur Straßenmode: Sie gehen nicht unbedingt Hand in Hand, wenn auch sie sich gelegentlich überschneiden. Eine Cocktailkultur bedeutet, dass Händler wie Verbraucher Cocktails in all ihren Formen kennen und schätzen. Man ist vielleicht geneigt, Ländern wie Holland, Frankreich, Slowenien eine Cocktailkultur zuzusprechen, weil sie preisgekrönte Bartender und ein, zwei Bars von Weltruf haben, doch übersieht man dabei, dass in diesen Ländern viele Leute überhaupt keine Cocktails trinken, nie getrunken haben, und dass das Gewerbe häufig nichts von moderner Cocktailkultur wissen will.
Nur ein Beispiel: Wie alt ist die Cocktailkultur in Großbritannien? Ich würde sagen, ungefähr 25 Jahre. Angefangen hat sie in den Achtzigern mit Fun-Pubs und Party-Bars wie TGI Fridays (»Thank God it’s Friday«: über ein Franchisesystem organisierte Bars): Sie haben mehr Leute aus der Arbeiter- und Mittelschicht zum Cocktailtrinken animiert, als ein ganzes Jahrhundert von Londoner Hotelbars, die nur eine zahlenmäßig nicht ins Gewicht fallende Elite bedienten.
Und was heißt anständig?
Ich fing um 1999 an, systematisch zu reisen – im Jahr waren das zwischen 20 und 35 Länder -– und bemerkte, dass eine Cocktailkultur sich linear entwickelt, nämlich:
1. Das Land hat keine Cocktailkultur
2. Eine Cocktailkultur entsteht – Fun Pubs und Party Bars mit Flair Bartending und Drinks wie Chocolate Monkeys.
3. Die Cocktailkultur entwickelt sich – Drinks wie Cosmopolitans und Brambles in Lounges.
4. Die Cocktailkultur boomt – Drinks wie Last Words und Old Fashioneds in klassischen Cocktailbars.
Jede Phase war notwendig: Die süßen Disco- Drinks läuteten den Übergang von Vodka-7UP und Bier zu Cocktails ein, die sich dann mit der Mode zu straighten Neo-Klassikern entwickelten, bis das Land mit seinen jungen Stiefelund Schnurrbartträgern schließlich auf eigenen Beinen stand. Und so weiter und so fort.
Ein gutes Jahrzehnt lang bin ich ein- bis zwei mal im Jahr nach Südkorea gefahren, wo ich in Seoul und Pusan Seminare abhielt. Bis zur Eröffnung von Mr. Chow’s (später Asia Chow) im Jahr 2004 haben die besten Cocktail Bars des Landes Unmengen von June Bugs zubereitet, die Bartender überschlugen sich. Ein Fehler? Natürlich nicht: Es war das Getränk, das 1990 in London und 1985 in New York Furore gemacht hatte. Kann man diese Phasen überspringen? Wahrscheinlich nicht. Ich glaube kaum, Dale de Groff hätte damals seine Penicillins und Laphroaig Projects an den Mann gebracht.
Was eine Cocktail-Kultur ausmacht:
1. In jeder größeren Stadt gibt es zumindest eine Spitzenbar, d.h. eine Bar, die tatsächlich auch als weltbeste Bar nominiert werden könnte.
2. Einmal im Jahr findet eine anspruchsvolle Barmesse statt.
3. Es gibt intelligente Printmagazine zur Barkultur
4. Die meisten Konsumenten trinken Cocktails, wenn sie ausgehen und haben ein vernünftiges Repertoire von Lieblings-Cocktails und Marken.
5. Die Medienberichte zum Thema Cocktails sind gut recherchiert und informiert.
Daraus lässt sich eine Liste mit den führenden Cocktailkulturen erstellen: