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American Single Malt Whiskys stehen vor dem juristischem Durchbruch

Was ist American Single Malt Whiskey? Fünf Fakten zu Definition und Erzeuger

Es kommt einer Sensation gleich, dass sich wenige Jahre nach der ersten Eingabe auch schon eine US-Verordnung herauskristallisiert: „American Single Malt Whiskey“ steht vor seinem Durchbruch. Jurististisch, wie möglicherweise auch beim Konsumenten. Was aber ist eigentlich American Single Malt Whiskey genau? MIXOLOGY Online erklärt, worum es beim „neuen Amerikaner“ geht, woran es sich noch spießt und vor allem, wo man ihn herbekommt.

Die Uhr tickt schnell: Am 27. September 2022 endet die Einspruchsfrist für die neue Regelung des „American Single Malt Whiskey“. Man muss dazu nicht wissen, wie das US-amerikanische „Alcohol and Tobacco Tax and Trade Bureau“ (TTB) und seine Zuständigkeiten funktionieren. Nur so viel sei gesagt: In der Regel geht es um recht lasche Kategorie-Definitionen, die Europäer in Staunen versetzen und Juristen zur Schnappatmung verhelfen. Vor allem ziert man sich praktisch aus Prinzip, Neues ins Regelwerk zu integrieren – der letzte erfolgreiche Kandidat war Cachaça aus Brasilien, der davor in den USA einfach als Rum galt. Wobei das auch schon wieder zehn Jahre her ist.

Doch mit der neuen Regelung, die diesmal ein einheimisches Destillat betrifft, überraschte die Behörde viele. Nicht nur, dass es verhältnismäßig schnell ging mit dem Lobbying für „American Single Malt Whiskey“, das seit 2016 betrieben wurde. Mit dem amerikanischen Single Malt bricht man auch mit einem Dogma. 51 Prozent reichen als namensgebender Bestandteil einer Getreidemischung zum Whiskybrennen („mash bill“) bislang aus. Man kennt das ähnlich vom Brot, auch da ist ein „Roggenbrot“ in der Regel nicht mit 100% Roggenmehl erzeugt worden. Doch genau das geschieht nun. Anders als bei Rye Whisky (mind. 51% Roggen) und Bourbon (51% Mais) muss es beim American Sinlge Malt 100% gemälzte Gerste sein! Die wesentliche Änderung dabei: Bislang galt ein Destillat rechtlich als „malt whisky“, wenn nur 51% gemälzte Gerste verwendet wurden. Nicht einmal die Bezeichnung „Single Malt Whisky“ gab es bis dato also – so viel zu den erratischen Definitionen des TTB.

1) American Single Malt: So ist der „Neue“

Die Grunddefinition – 100% gemälzte Gerste aus einer Brennerei, destilliert und gelagert in den USA – dürfte wohl sicher so kommen. Auch die Obergrenzen beim Destillieren mit 80% Vol. bzw. 160 proof wird man für den neuen Whiskey-Typus nicht variieren. Doch bei anderen Parametern zeigt sich das TTB noch ungewohnt offen für Vorschläge. So steht etwa die Beschränkung der Fass-Größe auf 700 Liter zur Debatte. Auch, ob es die Designation „straight” für American Single Malt Whiskey geben wird, ist Teil der Diskussion. Für den „Malt Whisky” galt sie bisher ab nur zwei Jahren Reifung.

Und natürlich stellt sich bei dieser Neuvermessung des US-Whiskeys auch die Frage, ob Färbung oder gar Aromatisierungen zulässig sein sollen. Der Großteil an den bis dato 33 Kommentaren zum Entwurf arbeitet sich an dieser Frage ab. Tenor der Hersteller: Bloß nicht!

Alastair Brogan feiert mit „Boulder“ bereits sein zehntes Jahresjubiläum als Brenner in den Rocky Mountains
Alastair Brogan feiert mit „Boulder“ bereits sein zehntes Jahresjubiläum als Brenner in den Rocky Mountains

2) Boulder: „Rockies“ statt Highlands

Womit wir bei den Erzeugern wären. Am nachvollziehbarsten ist die Connection des neuen Malts zu den Maßstäben setzenden Scotch Whisky sicher bei „Boulder“ in Colorado. Denn Alastair Brogan, der heuer sein zehntes Jahresjubiläum als Brenner in den Rocky Mountains feiert, stammt aus Schottland. Wie auch seine 1.000 Gallonen fassende Pot Still, auf der er den programmatisch „New American“ genannten Single Malt fertigt. Drei Jahre in neuen US-Weißeichen-Fässern gelagert, die ausgekohlt wurden wie sich das gehört, geben dem mit 42% Vol. gefüllten Colorado-Malt eine holzige Frische und ordentlich „Kante“. Mittlerweile gibt es eine getorfte Version ebenso wie Fass-Finishes in ehemaligen Sherry- oder Port-Fässern – als wäre man in den Highlands, nicht den „Rockies“. Vertrieben werden die Whiskys von Alastair Brogan hierzulande von Waldemar Behn.

Christian Krogstad aus Portland gilt mit „Westward“ als maßgebliche Stimme für den neuen Whisky-Stil

3) Westward: Der Vorkämpfer von Portland

Was sich aus europäischer Nabelschau vielleicht reichlich exotisch im Lande des Bourbons und Rye ausnimmt, ist ökonomisch übrigens längst keine Spinnerei mehr: American Single Malt Whiskyes wuchsen allein zwischen 2014 und 2017 um 131%. Es waren nicht zuletzt diese Zahlen, mit denen Diageo über seinen Inkubator „Distill Ventures“ 2018 bei der Oregon-Brennerei „Westward“ einstieg. Die 2004 gegründete Brennerei im Hipster-Mekka Portland gilt als maßgebliche Stimme für den neuen Whiskey-Stil. Dabei mag es nicht unwesentlich sein, dass Gründer Christian Krogstad ursprünglich Brauer in der IPA-Hochburg war. Gemälzte Gerste statt eine gemischte „mash bill“ wurde seine Obsession – als selbststilisierte „leading voice for American Single Malt“. Schließlich gehört Westward zum recht überschaubaren Gründer-Kreis der 16 Brenner, die in der „American Single Malt Whiskey Commission“ maßgeblich für die neue Regelung verantwortlich waren.

Der Einstieg von Distill Ventures diente auch der Kapazitätssteigerung der Brennerei. In Portland werden an guten Tagen 11.000 Liter eines Pale Ales gebraut, das dann zweifach gebrannt wird und am Ende fünf oder sechs Barrels Single Malt ergibt. Für Deutschland hat seit 2021 Kirsch den Vertrieb des Single Malt-Pioniers über.

4) Balcones: Texas gibt den Schotten

Auch wer sich nicht für die „neumodischen“ Gersten-Whiskeys aus den USA interessiert, kann schon von „Balcones“ gehört haben. Denn Keith Bellinger und sein Brennmeister Jared Himstedt gehören zu den Pionieren bei alten Mais-Sorten für ihre Bourbons. Der Blaue New Mexico-Mais kommt als „Baby Blue“ und „True Blue“ auf den Markt. Bei der gemälzten Gerste setzt man auf die Sorte „Golden Promise“ aus Schottland – für die man auch eigene Felder in Texas (alles andere als „Barley“-Land) anlegte. In der Destillerie in Waco, die eine Jahreskapazität von 350.000 Litern aufweist, entstehen mittlerweile auch gesuchte Jahreseditionen auf der schottischen Forsyths-Anlage.

Auch die Praxis des „Double Ageings“ ist keine europäische Spezialität mehr. Zuletzt ließ man den Single Malt aus Waco im Rum-Fass reifen und füllte ihn dann mit 64,2% Vol. ab. Auch die Basis-Variante, sportliche 52% Vol. stark und über whic.de erhältlich, fällt durch die Reifung unter sengender texanischer Sonne kräftig-intensiv aus. Hat da wer gerade Manhattan gesagt?

„Westland“ stammt aus Seattle im Bundesstaat Washington
„Westland“ stammt aus Seattle im Bundesstaat Washington

5) Westland: Der amerikanische „Twist“

Die Frage, was denn nun das „amerikanische“ Element an diesem Single Malt ist, wenn man im Wesentlichen die schottischen Regelungen kopiert, kann man sich durchaus stellen. In Seattle im Bundesstaat Washington liegt ein Teil der Antwort bereits im Namen der Brennerei „Westland“. Man befindet sich hier im Nordwesten, der alten „Frontier“ zur Wildnis. Und teilt diese Lage übrigens mit der Mehrzahl der US-Gersten-Brenner, die sich von Kalifornien nach Norden ziehen. Nicht umsonst gilt der pazifische Nordwesten mit Anbaugebieten wie dem Skagit Valley als eine der besten Gegenden für Gerste.

Sichtbarer Ausdruck und ein ziemliches Sammlerstück ist die „Garryana“-Serie, für die Master Distiller Matt Hofmann die Oregon-endemische quercus Garryana (Garry-Eiche) nützte. Auch beim Rauchmalz geht man einen amerikanischen Weg, der mit den „Solum“-Abfüllungen des Jahrgangs 2020 beginnen soll und derzeit noch reift. Dazu kommt der Fokus auf einzelne Getreidesorten, den die „Colere“-Serie repräsentiert. „Weniger Fass-Charakter, mehr Getreide“, heißt die Devise, der zuletzt das Destillat der Wintergerste „Talisman“ folgte. Und auch hier denkt man dank eines internationalen Eigentümers, Rémy Cointreau, keineswegs nur an die USA als Markt. Womit es auch diese Malts in Deutschland, importiert von Eggers & Franke, zu finden gibt.

American Single Malt Whiskey: da kommt was

Egal also, welchen Dreizeiler das „Alcohol and Tobacco Tax and Trade Bureau“ im Oktober verabschiedet: Wir werden definitiv mehr „American Single Malt Whiskey“ in europäischen Bars sehen in den kommenden Jahren. Auch wenn die Bezeichnung noch ein bisschen schwer über die Lippen geht.

Credits

Foto: Mark McInnis (Westward); Boulder

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