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Die Bellboy-Gruppe hat ihr opulentes Konzept nach Berlin exportiert. Kann das funktionieren?

Viele Bars behaupten von sich, es ginge ihnen um das gesamtheitliche Erlebnis für den Gast. Die Bellboy Bar allerdings schreibt es sich als Konzept auf die Fahne. Nun legt die aus Tel Aviv kommende Gruppe um Gründer Ariel Leizgold mit einem Flaggschiff in Berlin los, in dem Opulenz zelebriert wird. Als Bar-Managerin hat Peggy Knuth angeheuert. Wir haben mit den beiden über das Bellboy Berlin gesprochen.

Es bleibt eine fordernde Zeit, Bars zu eröffnen – gerade in Wochen, in denen einmal wieder ein Lockdown beginnt. Nichts ist verboten, nichts vernünftig, über jedem Tag hängt das Damoklesschwert des „harten Lockdowns“ und über Orte zu sprechen, an denen Leute sich Alkohol einverleiben, wird ohnehin moralisch fraglich gehandelt.

Zwar hatten wir nun zwei Jahre Zeit, zwischen Orten zu unterscheiden, an denen blindlings geballert wird, und jenen, wo gehobenes, vermutlich auch entsprechend umsichtiges Trinken gegeben ist, dennoch: Die letzten Wochen entlang städtischer Barmeilen wirkten ungut, die Erzählungen einzelner verwirrt ob alldem und die Lage der Nation so ganz und gar nicht im Sinne der Gastronomie. Dabei besteht seit geraumer Zeit ein Ruckeln in den Reihen der Berliner Barflys – und vor allem derer, die bereits einmal in der seligen Anwesenheit der Tel Aviver Bellboy Bar waren. Wie etwa Peggy Knuth, ehemalige Barmanagerin des The Ritz-Carlton und brandneue Bar-Managerin der soeben geöffneten Berliner Dependance des Bellboy Berlin.

Die „Butlerbar“ ist einem intimeren Speakeasy nachempfunden

Das Bellboy Berlin ist eigen und eklektisch

Tatsächlich war das Bellboy seit ihrem Urlaub in Tel Aviv eine ihrer absoluten Lieblingsbars, bevor sie nun, drei Jahre später, die Anfrage bekam. „Da war ich natürlich erst einmal völlig aus dem Häuschen“, so Peggy Knuth. „Trotzdem habe ich mir viel Zeit genommen und lange nachgedacht, bevor ich mich entschieden habe, das Ritz zu verlassen und mich in ein neues Abenteuer zu stürzen. Veränderungen sind aber immer gut und ich merke bereits jetzt, dass ich schon viel Neues mitgenommen habe.“ Tatsächlich ist es dieser Tage gut, Gefallen an Veränderungen zu finden.

Und so hat sich auf dem Weg von Tel Aviv in die Berliner Mohrenstraße recht viel verändert. Nimmt man den Co-Founder der Bellboy Bar, Ariel Leizgold, beim Wort, sogar „quite dramatically“. Dies vor allem, weil die Bar in Berlin mehr Platz und somit auch gedanklichen Raum hergibt, gerade, wenn es zu einem fortschrittlichen Food-Angebot kommt: „Die Karte ist ein eklektischer Mix verschiedener Küchen, die Hand in Hand mit der besonderen, aus vielen Quellen schöpfenden Erfahrung in dieser Bar gehen, kombiniert mit dem Einfluss verschiedener Kulturen und internationaler Geschmäcker.“

Ob lediglich für ein Drink, ein Abendessen oder beides, alles ist möglich. Derzeit zwar nicht ganz alles, aber vor drei Jahren, als Leizgold den Laden geplant hatte, noch eher. Vor allem in der Mohrenstraße, einer eigentlich herzlich blanken Gegend, um an einem Tresen entlang zu flanieren. Laut Ariel Leizgold war jedoch klar: „Für uns macht es keinen Unterschied, ob andere Bars um uns herum sind oder nicht, denn die Leute kommen ja dezidiert zu uns. Und dass da sonst niemand ist, zeigt gerade, dass wir in unserem Konzept etwas eigen sein mögen.“

An der Präsentation wird nicht gespart: der „Breakwater“ Cocktail
„Call me Old Fashioned“

Bellboy Berlin: Opulenz zwischen Espuma und Plüsch

Apropos „eigen” – erst jüngst hat MIXOLOGY-Chefredakteur Nils Wrage über die „Garnish Wars“ geschrieben und dazu eine relativ klare Meinung eingenommen: Minimalism it is. In der Bellboy Bar sieht das etwas anders aus: getrunken wird aus Köpfen, Hörnern und Badewannen (wie im „Keep Clean“-Cocktail), gegessen aus Muscheln, Truhen und von dampfenden Steinen.

Überhaupt dampft hier beim Servieren viel, denn auch wenn die Ästhetik zunächst alle Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen scheint, spielt Aroma eine mindestens ebenso große Rolle, ob in liquider oder fester Form oder allem dazwischen. Wem ein Material in den Sinn kommt, dass in der Bellboy Bar weder in Form von Gefäß, Untersatz, Inhalt, Garnish, Sitzgelegenheit, Wandbeschaffenheit oder Interieur verwendet worden ist, werfe den ersten Stein. Ein Zuviel an Schmuck und sinnlicher Opulenz gibt es für Ariel Leizgold nicht: „Für uns gehört es einfach zusammen, dass die Zutaten, der Kunstgriff an der Blüte und die technische Handarbeit mit Aromen zusammenfallen, damit es zu eben der schönen Erfahrung kommt, die der Gast haben soll.“

Es scheint als habe Leizgold in puncto Größe und Vielseitigkeit dessen, was es an einem gastronomischen Ort zu erleben gibt, mit dem Berliner Bellboy auf einen Punkt bringen wollen. Wohingegen er in Tel Aviv mit der Bellboy Group noch andere Cocktail- und Weinbars sowie Restaurants führt, stehen ihm in Berlin mehr Formen der Bewirtung zur Verfügung. In dieser Radikalität des Gesamtkonzepts sieht er auch den Unterschied zu vielen anderen Bars in der Stadt – und vielleicht sogar dem Original in Tel Aviv. Dem stimmt auch Peggy Knuth zu: „Leute werden uns gezielt ansteuern. Ich glaube, Berlin ist bereit für eine Bar, die Spaß macht und in der neben Food und Drinks ganz besonders auch die Atmosphäre und der Service eine wichtige Rolle spielen. Hier geht’s um das Gesamterlebnis.” Das ist deutlich geworden.

Bellboy Berlin

Mohrenstraße 30
10117 Berlin

Glaube an Rücksicht und Regeln

In diesen letzten Tagen und Wochen, als die Bar in der ersten Dezemberwoche die Tore öffnete, hatte sich die komplette Crew viel Zeit genommen, um alle Drinks final auszubalancieren und abzuschmecken. „Das Menü hat Ariel aus Tel Aviv mitgenommen. Die Drinks sind sehr komplex und beinhalten sehr viel hausgemachte Zutaten, die wir alle gemeinsam hergestellt und verkostet haben.“

Wie hält man es durch eine Pandemie hinweg aus, sich mit zunehmender Intensität auf eine Baröffnung vorzubereiten? Gerade hausgemachte Zutaten sind schließlich nicht ewig haltbar und ein nächster Lockdown ist mitnichten unmöglich. Diesbezüglich schaut Ariel Leizgold der Lage positiv entgegen: „Wir leben jetzt seit 2020 mit dem Virus, und ich denke, wir müssen einen Weg finden, das auch weiterhin zu tun, ohne die Gastronomie zu ruinieren. Ich bin guter Dinge, dass wir das mit Rücksicht und vernünftigen Regeln hinbekommen werden. Mein Team in Tel Aviv hat das mit viel Herz und Seele für den sicheren Erhalt des Ortes geschafft, und so erwarte ich das auch von meinem Berliner Team.”

Der „Pinkroom“ des Bellboy Berlin

Mit Herz, Seele und Paprika-Pineapple-Ginger-Syrup

Sein Lieblingsdrink ist unbedingt der „Not a Vesper“, ein Vesper Martini Twist. Martini sei ohnehin sein To-go Drink, und wenn er in eine neue Bar gehe, stelle der die Messlatte dar. Wie sieht die Version also im Bellboy aus? Es ist ein Mix aus Vodka, Gin, den ätherischen Ölen aus Zitronengras, Tee und eine Bitters-Hausmischung. Peggy Knuth hingegen fällt die Entscheidung schwerer: „Steamed Seebass und Zucchini Pasta sind meine großen Favoriten, und als Snack zwischendurch würde ich auf jeden Fall unsere Bellboy Luxury Nuggets empfehlen. Als Drink dazu etwa den Holy Water Cocktail mit Eukalyptus, Sauvignon Blanc, Mastika infused Vodka und Limette – dazu bekommt man einen Hauch Weihnacht in die Nase.“

Das war damals auch ihr erster Drink in Tel Aviv. Sie empfiehlt außerdem den „Monsieur Z“ mit Mezcal, Smoked Paprika-Pineapple-Ginger-Syrup und Apricot. Und wer einen Blick auf die Instagram-Seite des Bellboy wirft, versteht, weshalb keine Anweisung zum Serving gegeben werden.

Aber versuchen darf es jeder. Jetzt auch in Berlin.

Credits

Foto: Bellboy

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