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Die Walhalla of Whisky in Regensburg

Die Walhalla of Whisky in Regensburg ist ein Monument der menschlichen Unvernunft. Und genial.

Was für ein Mammutprojekt: Mehr als sechs Jahre hat der Whisky-Liebhaber Pit Krause an seiner „Walhalla of Whisky“ in Regensburg gearbeitet. Das Resultat: ein mehrere Tausend Flaschen großer, alkoholischer Streichelzoo samt Tropfen, die eigentlich zum Reich der Legenden zählen. Vor allem aber thront über dem Ort eine Philosophie: Whisky ist kein Anlageobjekt – sondern zum Trinken da.

Die Geschichte des Getränkejournalismus müsste ohne das Wortspiel mit „Spirit“ und „spirituell“ neu geschrieben werden. Also, buchstäblich. Das entsprechende Kompendium wiese deutlichen Lochfraß auf; das wäre, als würde man den Mainzelmännchen das „Gudn Aaaamd“ wegnehmen. Auch folgender Beitrag wird leider keine Ausnahme bilden; zu sehr muss man den Bogen vom Fass hinüber ins Unfassbare spannen: in Regensburg hat die „Walhalla of Whisky“ eröffnet, und „Museum“ ist diesem Ort als Bezeichnung ungefähr so angemessen wie „Imbiss“ dem Tantris.

13.500 Exponate gibt es in der Walhalla of Whisky, in der Hauptsache natürlich Flaschen, volle wie leere
13.500 Exponate gibt es, in der Hauptsache natürlich Flaschen, volle wie leere
Den Namen Macallan muss man Whisky-Enthusiast:innen nicht lange erklären
Den Namen Macallan muss man Whisky-Enthusiast:innen nicht lange erklären

Ein Ort der Transzendenz

Es gibt in der Nähe der Stadt ja bereits eine Walhalla, nämlich der von Ludwig I. im 19. Jahrhundert errichtete, bedeutenden Persönlichkeiten „teutscher Zunge“ gewidmete Gedenktempel. Eigenartige Zeiten, als man in Bayern der teutschen Zunge Denkmäler setzte.

Neben dem Regionalbezug und der schönen Alliteration ist der Name der neuen Walhalla vor allem deshalb zutreffend, weil sie eben nur zweitrangig ein Spirituosen-Denkmal ist, sondern (jaja) eine viel höhere, spirituelle Ebene hat: Die „Walhalla of Whisky“ ist ein Monument der menschlichen Unvernunft in ihrer schönsten, weil liebevollsten Ausprägung: sie huldigt der Reinheit einer Idee, anstatt leichtes Geld verdienen zu wollen. Das Projekt geht auf die Initiative engagierter Menschen zurück, zumeist Mitglieder des Slowdrink-Clubs (einem Verbund mit weltweit mehr als 7000 Anhängern) unter der Ägide des Whisky-Universalgelehrten Pit Krause, der seine Sammlung allgemein zugänglich machen wollte. Und am Ende soll das auch noch getrunken werden – womit wir über den nordischen Anklang hinaus ein bewundernswert epikureisches Unterfangen in seiner Vollendung sehen.

Sehen und Staunen ist eben nur ein Aspekt der Sammlung; die Walhalla ist in diesem Falle ein Ort der Transzendenz: Man verlässt die Position des Beobachters und wird, zumindest ein wenig, zum Teilhaber. Ein bisschen wie ein alkoholischer Streichelzoo. Das bedeutet natürlich nicht, dass jeder dahergelaufene Dosenbiertrinker hier seine Drecksgriffeln an die Exponate legen darf, aber der Grundsatz der Sammlung ist eben ein Besonderer: Hier wird keine Mumienpflege betrieben, sondern das Leben gefeiert. Das bedeutet, dass im Grunde jede Flasche dazu ausersehen ist, den ehrenvollen Klingonentod im Glas zu finden, anstatt einfach lautlos ihrem Ende entgegen zu verdunsten.

Pit Krause macht seine Sammlung der Öffentlichkeit zugänglich – in dieser Größe weltweit vermutlich einzigartig
Pit Krause macht seine Sammlung der Öffentlichkeit zugänglich – in dieser Dimension weltweit vermutlich einzigartig

Whisky, dieses ungenießbare Genußmittel

Whisky ist, aus betriebswirtschaftlicher Hinsicht gesehen, Schrödingers Schnaps: ungeöffnet, am besten noch mit Schachtel, erreichen alte Abfüllungen seit Jahren höhere Renditen als sämtliche anderen Anlageformen, zumindest die legalen. Sobald man ihn öffnet, verpufft dieser Wert im Nirgendwo. Ein ungenießbares Genussmittel. Wobei darin die Schönheit der Walhalla of Whisky liegt: alle Beteiligten frönen, provokativ formuliert, dem Nonsens. Es sind aber keine dummen, sondern ganz im Gegenteil allesamt kluge Menschen, die wissen, dass Profitmaximierung ein unfassbar ödes Lebensziel ist. Sie haben Zeit und Energie in erheblichem Maß geopfert, um etwas zu schaffen, das bedeutender ist als Geld. Und sie haben das erreicht. Die Walhalla of Whisky ist errichtet worden durch den Einsatz vieler Kriegerinnen und Krieger, die in Missachtung aller Eigeninteressen in die Schlacht zogen und jetzt hochverdient auch Einzug halten dürfen in Walhall, mit der Aussicht auf mehr als nur Bier und Met, denn, so entspricht es dem Selbstverständnis, „Whisky ist zum Trinken gedacht“. Der ganze Bau ein einziger Anti-Investmentfonds.

Lange hat es gedauert, mehr als sechs Jahre sind ins Land gegangen, bis endlich Eröffnung gefeiert wurde, aber im Unterschied zu mythischen Gefilden haben irdische Baulichkeiten Brandschutzvorschriften und baustatische Regulierungen und Wärmedämmungsvorgaben und ähnliche Zeiträuber, die sich beharrlich einer Fertigstellung widersetzen – besonders, wenn der Löwenanteil der Arbeit von Freiwilligen nach Feierabend oder am Wochenende geleistet wird. Ganz abgesehen davon ist die Herberge des Museums, ein historisches Gemäuer, das unter anderem auch einer hiesigen Brauerei als Fasslager diente, zwar entsprechend pittoresk, lässt aber, wie das historischen Gemäuern so eigen ist, an Praktikabilität vermissen, was andererseits an Atmosphäre geliefert wird.

Zugegeben: Wir wissen nicht, worum es sich bei dieser Flasche handelt. Höchstens die Zuordnung zur Gattung „Kurioses“
Zugegeben: Wir wissen nicht, worum es sich bei dieser Flasche handelt. Höchstens die Zuordnung zur Gattung „Kurioses“
Die Walhalla of Whisky lädt ein zum Trinken und Staunen
Die Walhalla of Whisky lädt ein zum Trinken und Staunen

Rares, Kurioses, Erstaunliches

Nun, dem Besucher kann das egal sein, und den Erbauern mag als Trost dienen, dass die andere Walhalla, die Walhalla 1.0 gewissermaßen, zwölf Jahre bis zur Fertigstellung gebraucht hat. Doppelt so schnell wie Leo von Klenze, das ist ja auch schön. Im Gegensatz zum mythischen Walhall muss man nicht einmal ein Gefallener sein, um in diese hier hineinzugelangen; es ist jedoch nicht auszuschließen, dass man hinterher stolpert. 13.500 Exponate stehen hier, in der Hauptsache natürlich Flaschen, volle wie leere. Die leeren fungieren als Denkmäler eines erfüllten Daseins, die vollen, sämtlich aus dem Privatbesitz von Pit Krause, warten geduldig auf den würdigen Verkoster – auch wenn das im Einzelfall schon ein recht hohes Maß an Würde erfordert.

Natürlich ist der Löwenanteil der Sammlung den Schotten gewidmet, aber auch die Iren sind erschöpfend vertreten, ebenso wie Japan (Yamazakis, für die man ohne Weiteres das Katana ergreifen würde) und natürlich auch die Amerikaner – erstaunlich, wie viele Kinder der gute alte Rip van Winkle offensichtlich noch in die Welt zu setzen imstande war.

Bis um 1800 gehen die ältesten Flaschen zurück, und wer je einen Überblick über die Evolution dieses Getränks bekommen möchte, kommt um einen Besuch nicht herum. Blends aus der Zeit um den ersten Weltkrieg herum, die zu 80 Prozent aus den Produkten einer der Destillen der heutigen Champions League stammen, sind geeignet, ein ganz neues Licht auf diese gerne mit einem herablassenden Lächeln bedachte Kategorie zu werfen. Altes, Seltenes, zu Unrecht Gehyptes sowie zu Recht Gefeiertes steht eng Seite an Seite, und auch an Kuriosem herrscht kein Mangel: Wussten Sie, dass Jim Beam den Ausbruch des Mount St. Helens 1980 zum Anlass nahm, um eine Sonderedition herauszubringen? In Form eines Vulkans? Während der Eruption? Mit dem Stopfen in Form der Aschewolke? Tja. Ob der Inhalt entsprechend dem geschmackvollen Äußeren angelegt war, bleibt einstweilen ein Geheimnis.

Papa, ist das da ein echter Black Bowmore?

Viele Whisky-Liebhaber werden zum ersten Mal Flaschen zu Gesicht bekommen, die früher eigentlich nur dem Reich der Legende zuzuordnen waren. Es ist, um das Bild ein weiteres Mal zu bemühen, ein Streichelzoo, aber voller Einhörner. Gut, möglicherweise ein fragwürdiger pädagogischer Ansatz, aber ich stelle mir das auch als schönen Familienausflug vor – „Papa, Papa, ist das da ein echter Black Bowmore?“

Rum hätte auch noch Platz finden sollen, aber es erwies sich, dass die Räumlichkeiten nicht analog zu Dr. Who’s blauer Telefonzelle innen größer waren als von außen gedacht. Also kein Rum. Fürs Erste. Mal abwarten. Es ist auch so ein Platz zum Staunen geworden, und man sollte sich, analog zum Miniatur-Wunderland in Hamburg, mehrere Besuche vornehmen und sich darauf freuen, immer wieder etwas Neues zu entdecken. Da auch die Öffnungszeiten dem Engagement der beteiligten Walhallenser unterworfen sind, gibt es momentan nur Öffnungen von Donnerstag bis Samstag bzw. nach Absprache; jedem Interessierten seien aber auch die Tastings ans Herz gelegt. Schließlich ist es nur wenigen Sterblichen vergönnt, derartig heldenhafte Tropfen je zu verkosten. Eine spirituelle Erfahrung.

Walhalla of Whisky
Alte Nürnberger Str. 12
93059 Regensburg
walhallaofwhisky.de

Credits

Foto: Walhalla of Whisky

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