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Die Mixology-Verkostungsrunde Mai 2015

Zweimal deutscher Gin, neuer Mezcal, gewagter griechischer Likör, spanischer Wermut und eine neues Tonic von der Saar: Hinterland Gin, Spitzmund Gin, 12 Hierbos, Atenco Mezcal, Nordésia Vermut und Doctor Polidori’s Tonic. Die neue Verkostungsrunde ist da!

Es bleibt dabei: Gin ist nach wie vor das Segment der Stunde. Von keiner anderen Gattung erreichen uns derart viele neue Produkte wie vom Wacholderbrand, vor allem aus dem deutschsprachigen Raum. Daher dieses Mal zur Abwechslung zwei neue Gins, wo sonst nur einer auftaucht. Ansonsten begeben wir uns aber auf die gewohnte gustatorische Reise: von Franken nach Kiel, von Griechenland nach Nordspanien, von Mexiko wieder zurück an die Saar. Wer kann überzeugen, wer enttäuscht? Am Ende wissen Sie mehr.

Hinterland Gin

Aus dem Allgäu kommt der Hinterland in einer für einen neuen deutschen Gin ungewöhnlichen Flasche: Schnörkellos, leicht konisch und mit feinen Rundungen, dazu ein schlichtes, weißes Etikett mit dezenter violetter Beschriftung und dem Konterfei eines typischen Alm-Öhi. Aber schmecken wir die Natur auch?

Die Farbe der Beschriftung lässt nicht zu wünschen übrig, denn es stehen zunächst florale Töne von Lavendel und Veilchen im Vordergrund, dazu eine etwas dunklere Spur von Paradieskörnern. Der Gin bewegt sich im Glas mit leichter Bindung. Im Mund überrascht der Gin entgegen der Nase mit ausgesprochen trockener Milde ohne jegliche alkoholische Schärfe, dafür mit pikanter, erdiger Pfeffernote, hier macht sich der Engelwurz bemerkbar.

Was bleibt, ist der Lavendel, diesmal flankiert durch einen feinen Anklang von Süßholz. Obwohl der Wacholder nur hintergründig stattfindet, mag man das Etikett „New Western“ nicht auf den Hinterland kleben. Ein dezenter, aber direkter Gin, der durchaus in klassischen Einsatzgebieten punkten kann.

0,5 l
43,5 % Vol.
ca. 33 €

Spitzmund Gin

Aus dem hohen Norden macht sich nach dem Gin Sul der nächste Gin aus einer Tonflasche auf den Weg in die durstigen Kehlen der Republik. Der Kieler Bartender Andreas Werner, Betreiber der Trafo-Bar, war unzufrieden mit den meisten erhältlichen Gins, weswegen am Ende der Spitzmund Gin als Ergebnis steht. Die Flasche vermittelt mit ihrem mattglänzenden Anthrazit-Look einen sehr hochwertigen und singulären Eindruck.

Der erste Eindruck ist ein deutlicher Ton von confierter Orange, begleitet von ein wenig Ingwer. Zunächst gänzlich abwesend scheint die auf dem Etikett angegebene Pflaume. Nach kurzer Zeit gesellt sich dazu eine klare Note von Koriandersaat und Piment, während der Wacholder sich nicht bemerkbar macht. Der Spitzmund wird dem stolz geführten Label „New Western“ gerecht — ein Gin, der jedenfalls nicht in den Martini möchte. Im Mund tritt die erwartete Süße zutage, ein wenig Bitterkeit, begleitet von einem überraschenden, leichten Mousseux.

Zwar behält der Gin im Mund eine gewisse Komplexität bei, diese erscheint jedoch wenig harmonisch, zur Süße gesellt sich im Rachenraum eine nun doch deutliche, leicht adstringente Wacholder-Spur mit minzigen Komponenten, die jedoch relativ eindimensional ist. Auch die orangige Zitrusnote bleibt für sich stehen und erscheint nur flüchtig eingebunden. Ein Gin, der vor allem für den Einsatz mit modernen Tonic-Spielarten gemacht scheint.

0,5 l
47 % Vol.
ca. 37 €

Atenco Mezcal Pechuga

Zunächst immense Freude über das tolle Produktdesign: der Atenco Mezcal thront durch seine breite, zylindrische und kassettierte Flasche stolz und monolithisch auf dem Tisch — ein Augenfang in jedem Rückbuffet. Neu auf dem Markt, will der Atenco sich auch in Deutschland an dem kleinen Kenner-Markt Mezcal beteiligen.

An die Nase dringt ein unheimlich komplexes Aromenprofil aus Leder, Blüten, Phenol, dazu eine ordentliche Portion geschnittenes Gebirgs-Heu. Besonders die bei so vielen beliebten Mezcal-Abfüllungen in den Vordergrund gestellten Noten von Rauch, Bacon und Mineralien sind zwar vorhanden, aber dezent und hintergründig eingebunden. Im Mund besticht zunächst ein Wechselspiel aus leichter Süße und etwas Salzigkeit, der Brand selbst ist erstaunlich mild und fein, ohne in spritige Gefilde abzugleiten.

Die Komplexität aus dem Nosing wird komplett gewahrt und mündet in ein langes, ausgewogenes Finish. Ein toller Mezcal, der das Segment bereichert. Zwar zu einem nicht ganz günstigen, aber angemessenen Preis. Eine absolute Empfehlung.

0,7 l
45 % Vol.
ca. 98 €

12 Hierbos

Die Produzenten des weltbekannten und vor allem bei deutschen Restaurantbesuchern geliebt-gefürchteten Ouzo 12 servieren uns den neuen, grünen Kräuterlikör mit dem simplen Namen 12 Hierbos — 12 Kräuter. Die Mischung leuchtet grün, das allerdings mit mäßiger, natürlich wirkender Tönung, die Konsistenz ist indes recht dicklich-sirupartig.Die Nase scheint die Färbung des Produktes bestätigen zu wollen: kraftvolle Noten von Anis, Süßholz, Wermukrat und Thymian lenken die Assoziationen unmittelbar in Richtung Absinth. Von einer „sanften Anisnote“ wie das Etikett sie ankündigt, kann jedoch nicht die Rede sein — dafür ist diese einfach zu stark. Nach Kurzem ahnen wir ein wenig Vanille. Dennoch ein Aromenprofil, das durchaus anregend wirkt und Überlegungen zum Einsatz an der Bar wach werden lässt.

Leider lässt der Geschmack jene Gedanken rasch verfliegen. Eine mehr als übertriebene Süße erweckt einen unschönen medizinischen Eindruck — fast erahnt man den Würfelzucker, der sich Löffelweise ins aromatische Mazerat gesenkt hat. Daneben kommen leider kaum Aromen zur Geltung. Traurigerweise eines jener Beispiele, wie zuviel Zucker einen an sich möglicherweise vielversprechenden Likör untergraben kann. So bleibt wohl doch nur der Grieche an der Ecke als Einsatzgebiet.

0,7 l
28 % Vol.
ca. 12 €

Nordésia Vermut Rojo

Aus jener Galizischen Getränkeschmiede, die auch den in immer mehr Bars anzutreffenden Nordés Gin produziert, kommt der fast gleichnamige Wermut in den zwei klassische Abfüllungen rot und weiß. Spanischer Wermut erfreut sich derzeit großer Beliebtheit — angesichts der großen Tradition des Landes bei der Fertigung von Likörweinen kein Wunder. Bei der Verkostungsrunde kommt der rote auf den Tisch.

Während der Trend bei den neuen roten Marken eher zu sehr tiefer, erdiger und charaktervoller Würze und damit einhergehender Farbe geht, verhehlt der Nordésia seine Herkunft keinesfalls: das, was da so satt-rot, aber leicht transparent im Glas leuchtet, ist ein gewürzter, aufgespriteter Wein. Sein Konsistenz ist sehr flüchtig, die leicht ölige Bindung vieler roter Sorten fehlt. Schmeckt man das auch?

Tatsächlich ist der Wermut sehr dezent gewürzt. Der erste Eindruck ist der von Nelken und Piment. Dazu kommen filigrane Kräuternoten von Lorbeer. Nach längerem Nosing tritt eine abstrakte, leicht deftige Note hinzu, die auf Beigaben wie Cassia, Angelika, Ysop und Süßholz schließen lässt. Dennoch handelt es sich beim Nordésia Rojo um einen Wermut, der ganz eindeutig noch Wein sein möchte. Nur wenig Süße, nur wenig Würze — dafür mit eindeutiger Reminiszenz an die spanische Sangría-Tradition (im positiven Sinne). Ein feiner, Aperitif, der sich nach einiger Zeit eher einem Ruby Port annähert. Als Wermut in klassischem Einsatzgebiet dürfte er es jedoch schwer haben.

0,75 l
16% Vol.
ca. 12 €

Doctor Polidori’s Tonic*

Im Hause Capulet & Montague Ltd. stellt man neuerdings ein Tonic Water her, um den vitalen Markt weiter zu bereichern. Laut Aussage des Produzenten möchte man ein dezentes, leichtes Tonic bieten, das mit nur wenigen eigenen Aromen kommt und so dem jeweils gewählten Gin genügend Fläche gibt.

Zunächst fällt allerdings die überaus grobe, nicht wirklich gut eingebundene Kohlensäure auf, die stark aufschäumt und dann leider sehr schnell aus dem Glas entweicht. Besonders auf rauhem, doppelt gefrostetem Eis dürfte sich dieser Effekt noch verstärken, sodass man es schon nach kurzer Zeit mit einem stillem Gin & Tonic zu tun haben dürfte.

Bestechen kann Doctor Polidori mit einer gesunden Trockenheit. Daneben überlagert allerdings eine recht penetrante, ins Synthetische abgleitende Blumigkeit den restlichen Geschmack des Tonics. Verwunderlich, wenn man bedenkt, dass man ein filigranes, klassisches Tonic mit nur wenig Eigengeschmack herstellen wollte. Tonics mit Gewürz- oder Blütenaromen sind ein wachsendes Segment, das viel Anklang findet. Aber dann sollte man dieses Gebiet auch explizit bedienen, sonst könnte es zu langen Gesichtern an den Tresen kommen.

0,2 l
0 % Vol.
Preis: k.A.

*Offenlegung:

Bei der Probe von Dr. Polidori’s Tonic Water handelte es sich um ein nicht zu Verkostungszwecken bereitgestelltes, vorläufiges und nicht regulär abgefülltes Ansichtsmuster. Die Verkostungsnotiz versteht sich daher als nicht erschöpfend und kann nicht als Empfehlung gegen den Verkauf des Produktes gewertet werden. Eine genauere Beschreibung des endgültigen Produktes behalten wir uns vor.

Credits

Foto: Foto via Sarah Liewehr

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