Die Mixology Verkostungsrunde April 2019
Berentzen Premium Frucht Liqueur Birne
Wer in den 1990er Jahren aufgewachsen ist, hatte gute Chancen, einen Berentzen Saurer Apfel als erste, schwer bekömmliche Alkoholerfahrung zu verzeichnen. Abseits vom Image zwischen Klassenfahrt und Junggesellenabschied produziert Berentzen allerdings auch richtig gute Spirituosen: Im MIXOLOGY TASTE FORUM Doppelkorn von 2018 etwa holte sich die Traditionsmarke die beste Bewertung der Kategorie. Immerhin stecken über 250 Jahre Erfahrung im Berentzen Korn.
250 Jahre Erfahrung, die man absolut bemerkt: Denn in der Nase liegt der Berentzen Premium Frucht Liqueur Birne so glasklar und rein, dass uns die Notizen schwer fallen. Echte, frische und leicht holzige Birne in der Nase, Birne im Geschmack, Birne im Nachgang. Während der Likör in der Nase noch vor allem fruchtig ist, schmeckt man auf der Zunge deutlich die „brandige“ Note, ohne dass der Likör dabei spritig wirkt. Getragen wird der Brand dann extra von frischen Birnen, hinten raus wird die Süße leicht klebrig, was uns aber nicht abschreckt vor diesem feinen Likör.
— Berentzen Premium Frucht Liqueur Birne; 700 ml, 25% Vol., ca. € 13,-
Ramazzotti Espresso Edizione Limitata
Gibt es, zumindest in teutonischen Gefilden, eine bekanntere Amaro-Flasche als die von Ramazzotti? Wohl kaum, denkt sich auch die Verkostungsrunde – und nur angesichts der braunen statt roten Färbung wird klar, dass es sich beim Ramazzotti Espresso Edizione Limitata um eine begrenzte Sonderabfüllung handelt. Die Gedanken bleiben also allein aufgrund der Optik zunächst bei krautigen Assoziationen hängen.
Umso verblüffender daher dann Aroma und Geschmack: dunkel gerösteter Kaffee (klar), Kardamom, Pfeffer und Eukalyptus. Neben Süßholz liegen starke Röstaromen auf der Zunge. Ein wenig möchte man meinen, man probiert hier eine Praline, Zartbitter-Trüffel vielleicht, richtiggehend trocken. Im Nachklang dann noch eine leichte Schärfe, vielleicht aus Nelke und Zimt. Insgesamt extrem rund und eine absolute Bereicherung des Sortiments – wenn auch nur für kurze Zeit.
— Ramazzotti Espresso Edizione Limitata; 700 ml, 25% Vol., ca. € 12,-
Licor 43 Baristo
2000 Jahre soll es den berühmten Likör aus 43 Kräutern bereits geben. Ob das nun wirklich stimmt – geschenkt! Die spanische Marke hat in den letzten Jahren, also quasi in den letzten Sekunden ihres biblischen Alters, immer mal wieder durch eine Sonderedition auf sich aufmerksam machen können, zuletzt etwa mit dem Licor 43 Orochata. Jetzt gibt es was Neues, ganz im Trend der noch immer rollenden „Third Wave“ der Kaffeekultur.
Denn wir haben nochmal Kaffee im Programm unserer zuckersüßen Verkostungsrunde. Die Mutterfirma Diego Zamora hat mit dem Licor 43 Baristo einen bohnentreuen Likör auf den Markt gebracht. Der Single Origin Kaffee dafür kommt aus Gran Canaria, dem nördlichsten Kaffeeanbaugebiet der Welt. In der Nase ist klar: Dieser Likör ist mit Coldbrew angesetzt, was eine sehr interessante, ganz eigene Geschmackswelt kreieren könnte. Leider bleibt eben dieses Motiv der rote Faden, von der Nase bis zum Nachklang. Für mehr Komplexität hätte vielleicht ein wenig von der Würzigkeit des gigantisch großen Bruders geholfen, der scheint aber genau damit für den Neuling gegeizt zu haben. Das Fazit der Runde lauter daher: Eine grundsätzlich funktionierende Idee, deren Realisierung allerdings noch ein wenig nach Beta-Phase anmutet.
— Licor 43 Baristo; 700 ml, 31% Vol., ca. € 22,-
Giffard Amarande
Das französische Traditionshaus zeigt sich in letzter Zeit aktiv: Die Frequenz an Produkt-Launches sowohl bei Sirup als auch Likör kann sich sehen lassen. Das jüngste Familienmitglied ist der Giffard Amarande, seines Zeichens Mandellikör auf Basis von Cognac – also durchaus mit Blick auf die höherwertige Kategorie entwickelt.
Woher die schöne, goldbraune Farbe rührt, lässt sich schwer sagen – mögen es die Mandeln sein oder der Cognac. Oder beides. Deutlich wird dafür die grundsätzliche Verwandtschaft von Kirsche und Mandel spürbar: Fast geisterhaft steigen die beiden Aromen aus dem feinen Likör empor und treiben ein wildes Spiel in der Nase; beide gestochen scharf und für sich selbst stehend, wirkt auf der Zunge das Zusammenspiel durchaus harmonisch. Marzipan und Rosenwasser sind Notizen, die selbstverständlich sind, aber trotzdem erwähnt werden wollen. Nicht ganz so offensichtlich sind dann Eukalyptus und ätherische Öle, die überraschen. Nach hinten raus wird es nochmal etwas dunkler, Leder und Holz klingen zusammen mit etwas gebrannter Mandel lange nach.
— Giffard Amarande; 700 ml, 40% Vol., ca. € 22,-
Baileys Strawberry & Cream
Ohne sexistisch klingen zu wollen: Junggesellinnenabschied in Neumünster, ick hör’ dir trapsen. Ein anderes Einsatzgebiet jedenfalls kann man sich für den Baileys Strawberries & Cream nur schwer vorstellen. Die erwartungsgemäß zartrosa-milchige Flüssigkeit duftet weder nach Alkohol noch nach Erdbeeren noch nach frischer Sahne, sondern eher nach Erdbeerjoghurt. Und zwar dem, der nur bedingt Kontakt mit Erdbeeren gehabt hat.
Da es sich um eine Spirituose handelt, wissen wir vom Etikett freilich nichts Genaueres. Auch der zweite Eindruck macht’s nicht besser: Synthetisch, klebrig und in vollem Umfang volksfesttauglich. Wir legen jeder Bachelors’ Night mit tiefer Inbrunst den klassischen Irisch Cream ans Herz.
— Baileys Strawberry & Cream (limitierte Edition), 700 ml, 17% Vol., ca. € 15,-