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Kolumne Theken & Marken: Sport & Alkohol

Täglich begegnen uns Marken in der Barkultur, monatlich sucht Kommunikationsdesigner Iven Sohmann das Gespräch. Was uns Leuchtreklamen, Produktverpackungen oder gar Getränkekarten zu erzählen haben, hinterfragt diese Kolumne. Heute zum Thema Vorbilder: Sport ist Sport und Schnaps ist Schnaps?

»Wer andere besiegt ist stark. Wer sich selbst besiegt, hat Macht.« steht in Rot auf Weiß auf der finalen Powerpoint-Slide der PR-Abteilung. Die Vereinsoberen nicken titelgeil. »Also, meine Herren, wie dieser Laozi sagt: Macht nutzen, selber schlagen, pack ma’s!«

So oder ähnlich muss es sich bei einem Meeting des FC Bayern München vor Kurzem (mal wieder) zugetragen haben. Anders ist die Schwurbelschwadronade der letzten Wochen kaum zu erklären. Warum dürfen wir nicht trotz Pandemie und Flugverbot pünktlich zum Tinnefturnier im Sklavenstaat abreisen? Warum nerven die Gesundheitsexperten statt gute Laune zu verbreiten? Warum werden wir als Vorbilder dieser Gesellschaft nicht einfach zuerst geimpft, damit alle anderen es uns gleichtun? Derlei zum Himmel stinkende Ungerechtigkeiten kann nur zu wittern glauben, wer im Jahr zwei nach COVID-19-Ausbruch noch immer am korrekten Maskentragen scheitert und die Nase weiter hoch trägt.

FC Bayern – Stern der Sünden

Woher genau der Verein, aus dessen Hymne in diesen Tagen nur die Hybris (»Deutschlands bester, bis in alle Ewigkeit«) und die Opferrolle (»Wo wird klar schon angegriffen, wo wird täglich spioniert?«) herauszuhören sind, seine Vorbildlichkeit ableitet, bleibt mehr als fraglich. Die Einhaltung der Corona-Regeln kann es angesichts des Rumgejettes, der Tattootermine sowie der Kuscheligkeit auf der Ehrentribüne kaum sein. Vielmehr haben die Fehltritte beim wiederauferstandenen »FC Hollywood« eine beachtliche Tradition, für die nicht einmal auf die turbulenten Neunziger oder die Kirch-Affäre um die Jahrtausendwende zurückgeschaut werden muss. Ein kurzes Worst-of der letzten Dekade:

+++ Drei Mitarbeiter der FCB-Nachwuchsabteilung wegen rassistischer Äußerungen entlassen +++ Neuer gröhlt kroatische Fascholieder +++ Ribéry ohrfeigt Journalisten +++ Ribéry boxt Robben +++ Ribéry hatte Sex mit minderjähriger Prostituierten +++ Coman wegen häuslicher Gewalt schuldig gesprochen +++ Rummenigge wegen Uhrenschmuggel vorbestraft +++ Breno muss wegen schwerer Brandstiftung für drei Jahre und neun Monate ins Gefängnis +++ Hoeneß wegen Steuerhinterziehung zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt +++

Bei allem Respekt für die sportlichen Leistungen, es gibt Rockerclubs, die weniger Dreck am Stecken haben als der FC Bayern München. Allein, dass der deutsche Rekord- und Skandalmeister nicht als Positivbeispiel für die Gesellschaft taugt, spricht andere Vereine freilich nicht heilig. Auch Spieler von Borussia Dortmund fuhren in der Vergangenheit beispielsweise Auto ohne Führerschein, pinkelten in Hotellobbys und warfen Döner nach Menschen. Vorbildliches Verhalten ist anders. Vielleicht sollte der Fußball schlicht aufhören seine Stars weiter zu guten Vorbildern zu verklären, die sie offensichtlich nicht sind? Dagegen spricht jedoch, dass der Profi-Fußball vom Widerspruch, vom Zwiespalt, ja von der Heuchelei zu Leben scheint. Apropos. Alkohol. Da war ja was …

Fußball – das Trink- und Versteckspiel

Besonders deutlich offenbart sich die Inkonsequenz der Vereine und Verbände auch bei ihrer traditionell absurden Drogenpolitik. Spätestens seit Eintracht Braunschweig 1973 als erste deutsche Fußballmannschaft überhaupt mit einer Trikotwerbung auflief – sponsored by Jägermeister – sind alkoholhaltige Getränke aus den Stadien des Landes nicht mehr wegzudenken. Trotz aller Alk-Gegenwärtigkeit werden die Verantwortlichen aber nicht müde, auf die gesundheitsschädlichen Aspekte des Alkoholkonsums hinzuweisen, (anderen?) Drogen generell den Kampf anzusagen und Profis bereitwillig mitanzuprangern, wenn sich diese in ihrer Freizeit auch nur in der Nähe einer Bar blicken lassen. Der Hattrick der Doppelmoral.

Die Bier-san-Bier-Jahre eines Mario Baslers, der beim FCB trotz aller obigen Skandale heute noch wegen ein paar Kneipenbesuchen als das Enfant Terrible schlechthin gilt, sind vorbei. Heute lassen vor der Sponsorenwand mit den Brauereilogos nur die frechsten der Frechen verlauten, sich nach dem Sieg »vielleicht ein Kaltgetränk« zu genehmigen. Beiden sei es gegönnt, aber wie scheinheilig ist dieses Rolemodel-Gewese bitte? Sobald die kickenden Rennpferde ihre Titel erlaufen haben, reißen die Zügel aber bitte sofort und es wird artgerecht und medienwirksam gesoffen. Dann Paulaner gib ihm! Das Trinken mit zweierlei Maß hat in Wirklichkeit nämlich nichts mit der vielgepriesenen Vorbildfunktion der Spieler zu tun, sondern alleine mit ihrer sportlichen Leistungsfähigkeit als Motor des Profits. Und natürlich geht es auch bei besagtem Impfvorschlag nur um eben jene und nicht etwa um noblere Motive wie die Gesundheit der restlichen Bevölkerung. Spritzenreiter, Spritzenreiter, hey, hey!

Sind Profifußballer auch nur Menschen?

Bei allen Privilegien und aller zurecht geforderten Demut darf daran erinnert werden, dass auch Profifußballer nur Menschen sind und entsprechend als solche behandelt werden sollten. Das gilt selbstredend in beide Richtungen. Wenn sie im Urlaub also genüsslich an einer Dose Chang-Bier süppeln möchten, okay, cool. Wenn’s lieber AstraZeneca oder ähnliches sein soll, auch cool, aber dann bitte anstellen wie alle anderen und nicht am Tresen mit den Scheinen wedeln, nervt eher, Danke!

Ach und nicht, dass wir uns da falsch verstehen: Alkoholsucht ist ein gesamtgesellschaftliches Problem, für das der Fußball weder alleinige Ursache noch alleinige Lösung ist. Für die dazugehörige Therapie kann eine aufrichtige Kommunikation über Konsum aber allemal hilfreich sein. In diesem Sinne: Flasche leer, ich habe fertig!!!

Credits

Foto: Mr. Fred

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