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Der Jägermeister 9556 reifte 26 Jahre im Fass

Das Vermächtnis des Günther Findel: der „9556 Nights of Exploration“ von Jägermeister reifte 26 Jahre im Fass

Den 90. Geburtstag feiert Deutschlands einziger Weltstar am Rückbuffet erst 2024. In diesem Jahr stand eine andere Jahreszahl im Mittelpunkt: 26 Jahre reifte der „9556 Nights of Exploration“. Der Partykracher legt damit einen ziemlich irren Kräuterlikör vor.

„Der Findel“ – unter diesem Codenamen lief seit 1997 ein Projekt in Wolfenbüttel, das man durchaus „historisch“ nennen darf. Und das nicht, weil der hauseigener Historiker der Wolfenbütteler, Florian Eisenblätter, die Eckdaten zum „9556 Nights of Exploration“ in Erinnerung rief.

Mit Tannenzweigen (man ist schließlich bei „Jägermeister“!) geschmückt, stand das Fass Nr. 146, das den Namen Dr. Günther Findels trägt, im Lagerkeller. Ältere Wolfenbütteler erinnern sich noch an den 2002 verstorbenen praktischen Arzt, der als Schwiegersohn von Jägermeister-Erfinder Curt Mast später ins Unternehmen einstieg. Gehstöcke und Briefmarken habe er gesammelt, gibt Eisenblätter vor der Weltpremiere Einblick in die Persönlichkeit.

In diesem Fass reifte der Jägermeister 9556 Nights of Exploration für 26 Jahre
In diesem Fass reifte der Jägermeister 9556 Nights of Exploration für 26 Jahre

Grundlagenforschung am Grundstoff

Vor allem aber war der Herr Doktor Wissenschaftler durch und durch. Seine Doktoranden-Stiftung fördert den Nachwuchs und auch Fass 146 diente der Empirie: Was passiert mit dem Grundstoff, den im Fass vermählten Mazeraten der 56 Jägermeister-Kräuter, wenn man sie länger als das übliche Jahr im Holz belässt? Also „von der Fasslagerung zur Fassreifung übergeht“, wie es Dr. Berndt Fincke als Vicepresident Products und damit Nachfolger Findels formuliert. Denn an sich bevorzugt man bei den zwischen 5.000 und 21.000 Litern fassenden Eichenfässern bewusst „neutralisiertes“ Holz. Doch so sanft ist keine Eiche, dass sie nicht nach über einem Vierteljahrhundert auch aromatisch ein kräftiges Holz-Wort mitzureden hätte.

„Fast mystisch“ nennt Fincke, vielen Barprofis als eher nüchternes „Jägermeister“-Urgestein vertraut, die hier ablaufenden Prozesse. Als mittlerweile dritter Produktionsleiter in Niedersachsen betreute er die seit 1997 lagernden 6.860 Liter „Grundstoff“ in Findels Fass. Nicht alle, die den Launch via Stream in die USA und China verfolgen, verstehen wohl, was es zwischen den Zeilen bedeutet, wenn Fincke meint: „Der Inhalt war lange nicht sehr gefällig.“ Denn nicht nur mittels Gaschromatograph werden die Veränderungen minutiös verfolgt; auch sensorisch checkte man den Likör aus Fass 146 immer wieder. Am Ende wurden es 9.556 Tage Reifezeit.

Der hauseigene Historiker Florian Eisenblätter sorgte für die geschichtliche Einordnung
Der hauseigene Historiker Florian Eisenblätter sorgte für die geschichtliche Einordnung des Findel-Fasses
Dr. Berndt Fincke, mittlerweile dritter Produktionsleiter bei Jägermeister, gab Einblicke in den Reifeverlauf des Fasses
Dr. Berndt Fincke, mittlerweile dritter Produktionsleiter bei Jägermeister, gab Einblicke in den Reifeverlauf des Fasses

Kunst-Verpackung für die Unikate

Ein Marketing-starkes Unternehmen wie Jägermeister schreibt das aber nicht so auf die Flasche. „Wir sind eine „Night Company““, formuliert es Sven Schindler. Der globale Markenverantwortliche in Wolfenbüttel spielt damit auf den internationalen Slogan „Best nights“ an. Selbst der Verkaufsstart nimmt auf die Exportkunden Rücksicht: „Der 11.11. wurde es nicht wegen des Karnevals“, erläutert Schindler für die deutschen Premieren-Gäste, „sondern dem ‘Singles’ Day’ in China, einem enormem Einkaufstag.“

Denn mit einem Retail-Preis von 560 Euro haben die Flaschen stellt der „9556 Nights of Exploration“ auch ein „für uns ganz neues Segment“ (Sven Schindler) dar. Dementsprechend hat man sich auch von der Schutzverpackung von Kunstwerken inspirieren lassen: Statt einem Umkarton wurde es eine knall-orange Transportkiste aus Birkenholz, das auf niedersächsischen Wäldern stammt. 2.500 handnummerierte Exemplare wurden so geschaffen, die man „aber nicht am Regal verstauben sehen möchte“. Daher führt ein Code im Inneren des Schraubverschlusses zu einem Kunstwerk des Berliners Mago Dovjenko, zeitgemäß als Non-Fungible Token (NFT) angelegt.

„Der Findel“ – das Fass mit der Nummer 146 wurde im Jahr 1997 befüllt
„Der Findel“ – das Fass mit der Nummer 146 wurde im Jahr 1997 befüllt
Mit 560 Euro hat der exquisite Jägermeister „9556 Nights of Exploration“ auch seinen stolzen Preis
Mit 560 Euro hat der exquisite Jägermeister „9556 Nights of Exploration“ auch seinen stolzen Preis

Geschmack-Check des „9556 Nights“

Lässt man diesen Zusatznutzen einmal ebenso außen vor wie den Preispunkt, dann kann Jägermeisters“Ultra Premium-Schluck ziemlich überraschen; etwa mit der „Trinkanleitung“, die in Berndt Finckes Worten einen fast flehentlichen Ton in Richtung der „Ex-und-weg“-Community annimmt: „Bitte diese Rarität nie als eiskalten Shot genießen!“ Im Glas zieht der haselnussbraune „9556 Nights of Exploration“ feine Schlieren, die ein röstiger Geruch begleitet. Aromatisch ist hier ganz klar die lange Holzfass-Lagerung eingeprägt: Rumrosinen, Lebkuchen-Gewürze und (mit längerer Wartezeit) dann auch Eberraute verbinden sich mit einer zarten Süße-Wahrnehmung. Sie stellt noch am ehesten die Brücke zum originalen „Jägermeister“ dar.

Das viskose Mundgefühl zeigt kurz einen „Haribo Colafläschchen“-Moment, dem eine überraschend kräftige Schärfe von Ingwer und Penja-Pfeffer folgt. Die pikanten Botanicals haben in den 26 Jahren offenbar deutlich nachgezogen – wie das jeder Bartender kennt, der einmal eine Chilireduktion stehen ließ. Die Süße eines Kaffeelikörs am Gaumen begleitet ein eigenständiger Touch, den man mit Orangenkandis beschreiben kann. Bei aller Süße steht diese Fruchtigkeit aber nie ganz über der Würze des 26-jährigen Kräuterlikörs. „Hard spice“-Noten dominieren das lange Finish; vor allem Piment ist da zu schmecken, aber auch die Pikanz von Galgant-Wurzel im Rückaroma. Vor allem dieses Spiel macht die Attraktivität und den Unterschied der Luxusvariante zum Original-„Jägermeister“ aus.

Das technische Fazit zu „Findels Fass“

André Pintz (Imperii, Leipzig) und Brand Ambassador Nils Böse standen bei der Wolfenbütteler Premiere an der Bar bereit, um den Kräuter-Methusalem dann noch in zwei Varianten zu zeigen. Gemixt wurde mit der 560 Euro-Flasche zwar nicht, aber der Vergleich zwischen Nosing-Glas und Tumbler zeigte die Filigranität des 26-jährigen Jägermeisters deutlich: Mehr Luft im Tumbler ließ die Süße stärker gegenüber der kräutrigen Schärfe durchkommen. Die Finesse bewahrte in diesem Fall das kleinere Glas weit besser.

Und wie würde die wissenschaftliche Erkenntnis Dr. Findels 2023 aussehen? „Ein Rum-ähnliche Zunahme der Ester“ bestätigt Berndt Fincke eines der gemessenen Ergebnisse über die Zeit. „26 Jahre machen einen signifikanten Unterschied, wir finden einige nicht übliche Noten wie Orange, Kirsche und Zwetschke vor.“ Der Konsument mit tiefen Taschen erlebt hier die Flasche mit dem Hirsch also gleichsam als 26-Ender. Waidmannsdank!

Credits

Foto: Jägermeister

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