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Bloomsbury Martini Cocktail | Mixology — Magazin für Barkultur

Ein kalter Abend an einem warmen Ort: Der „Bloomsbury Martini“

Für gewöhnlich kennt man Licor 43 in Verbindung mit Milch. Er funktioniert aber auch in einem klassischen Martini Cocktail. Das Resultat nennt sich Bloomsbury Martini und besticht nicht nur durch eine zartrosa Farbe, sondern auch durch komplexen Geschmack.

Ich bin ehrlich: Wenn ich eine Bar betrete, dann kenne ich meine Bestellung oftmals bereits, bevor ich überhaupt in das Menü geblickt habe. „Ich glaub’, ich nehm einen 20th Century“, fährt es mir dann durch den Kopf, und ich ende im Immertreu oder Buck & Breck. Heute aber möchte ich mich inspirieren und vom Abend leiten lassen.

Dreiecksbeziehung: Bar, Drink, Mensch

„If loving you is wrong, I don’t wanna be right. If being right means being without you, I’d rather be wrong“, tönt sanft und jammervoll das verdichtete Leiden Millie Jacksons auf dem Soul-Klassiker und Konzeptalbum „Caught Up“ durch den Raum. Ginge es nach Jackson, die auf ihrem Album die Dreiecksbeziehung zwischen Ehemann, Ehefrau und heimlicher Liebschaft poetisch und voller Schluchzen verarbeitet, so bräuchte ich wahrscheinlich einen kräftigen Drink. Einen Greenpoint vielleicht, oder einen Alaska.

„Ich bin seit Jahren erfolgreich in einem Lobby-Verband politisch hier in der Hauptstadt tätig“, erreicht mich ein Gesprächsfetzen rechts vom Tresen. Ein offensichtlich selbst-proklamierter Connaisseur, im besten Alter schnurstracks auf die 60 zugehend, versucht dort eine verblasste Schönheitskönigin aus Südamerika mit Fachwissen zu beeindrucken. „Eigentlich bin ich gar nicht auf diese Plattform angewiesen, ich lerne auch sehr gerne Menschen auf analoge Weise kennen. Du musst dir gar keine Sorgen machen, ich will einfach nur ein paar Drinks mit dir trinken und einen schönen Abend verbringen“, entfährt ihm doch glatt dieser entlarvende Klischeesatz.

 

Licor 43 macht Martini zum Bloomsbury Martini

„Einen staubtrockenen Gin & Tonic bitte“, wirft er dem Bartender entgegen. „Haben wir hier nicht“, kriegt er zu hören. „Na dann, warum dann nicht einen guten alten Klassiker? Ich nehme einen Old Cuban und für die Dame bitte noch einen Gin Fizz, oder vielleicht doch …“

„Ich empfehle da einen Bloomsbury Martini“, würde ich am liebsten sagen, traue mich aber nicht. Und doch, die augenscheinlich wie eine Verunglimpfung des großen Bruders wirkende Variante eines neoklassischen Drinks passt in den Abend wie kein anderer Drink. Die lose, scheinbar von einem Drink von Robert Hess adaptierte Hommage an den Martini, bedient sich einer der Flaschen, die in mancher Bar regelrecht verstaubt sein dürfte:  Licor 43.

Licor 43: Ja, er passt in den Cocktail

Man mag sich tatsächlich zunächst verwundert die Augen reiben. Andererseits: Wann hat man ernsthaft einmal versucht, den spanischen, seit 1924 vertriebenen Likör mit klebrig-süßer Vanillenote seriöser zu verarbeiten als in einem Glas mit Milch? Glücklicherweise, so möchte der größte Kritiker schreiben, werden dem Martini wenigstens nicht seine eigentlichen Zutaten genommen. Ihm werden lediglich der Kräuterlikör und ein paar Dashes Peychaud’s Bitters hinzugefügt. Gerührt und im Martiniglas serviert, trägt der Drink schließlich die gleiche rosarote Farbe wie die der Brille unseres Lobbyisten.

Die Vanillenote gibt dem Martini in ihrer wohligen Dosierung und im Zusammenspiel mit den anderen Kräutern des Likörs eine unbekannte, herbe Würzigkeit, die das eigentliche Aroma jedoch in keiner Weise erdrückt, viel eher aber ergänzen kann. Leidig schaue ich rüber zu der Szenerie, die längste Zeit ein Date gewesen sein sollte. Sie ist weg und schlürft jetzt einen Old Cuban woanders. „Hättest du mal einen Bloomsbury Martini bestellt“, denke ich mir, und Millie Jackson raunt: „They all say ‘Not Guilty’, but the evidence will show“.

Credits

Foto: Shutterstock

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