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Solar Bar: ganz oben oder so-la-la?

Brüder zur Sonne zur Theke. Brüder zum Lichte empor. So oder ähnlich singt der sozialistische Arbeiter. Und so mag auch der Gast der Solar Bar munter den Fahrstuhl betreten, um eine der raren Sky-Bars der Hauptstadt zu erkunden. Willkommen im nördlichen Kreuzberg. Wir blicken hinein, herum und herab.

Der Eingang liegt etwas im Verborgenen, gleich Vis-à-vis der markanten Ruine des Anhalter Bahnhofs. Über den Hof einer Autowerkstatt führt der Weg zum Eingang des Hochhauses, den ein zuvorkommender Doorman hütet. Eine Garderobière ermöglicht einen unbeschwerten Aufenthalt und so tritt man hinein in den gläsernen Fahrstuhl, um den Weg zur 16. Etage über den Dächern von Berlin anzutreten. Der Fahrstuhl ist außen am Gebäude angebracht und bietet bereits einen faszinierenden Blick auf die Areale von Gedächtniskirche über Reichstag zum Alexanderplatz.

Das Restaurant: Vorstufe oder Hürde auf dem Weg zur Bar?

Nun tritt der Gast zunächst in das Restaurant. Es geht lebhaft und munter zu. Weiß gedeckte Tische reihen sich entlang der großen Panoramafenster aneinander. Die Nase wittert: Es ist Spargelsaison. Ein kalte Erbsensuppe zu 8 Euro, der Spargel mit Filet vom Alpenrind zu 36,50 oder ein Kabeljau an Rauchfisch-Consommé zu 22,50. Populär scheinen auch die Menüs mit der Handschrift von Küchenchef Jon Kremin zu sein: Ein 4-Gang-Vergnügen zu 57 Euro.

Checkpoint Cocktail

Eine geschwungene Treppe führt zum Aperitif, Digestif oder einfach so noch ein Stockwerk weiter. Auch hier ein beinahe Rundum-Blick auf die Hauptstadt. Zentraler kann eine Bar kaum im Stadtbild positioniert sein. Ein Steinwurf zum Potsdamer Platz, dreimal gestolpert, und man ist am Checkpoint Charlie, rasch herumgewirbelt und man landet im geselligen Bergmannkiez in Kreuzberg. Aber auch im Solar sind die Nächte lang. Manchmal allerdings auch die Gesichter.

Schwarz die Sitzmöbel der Bar, die Sofas am Fenster, die Sitztreppe im Zentrum und die herrliche Schaukel an der Westseite. Sicherlich bietet die Bar eine romantische Sonnenuntergangserfahrung, wenngleich es stets eine Herausforderung bedeutet, den Blick von der hauptstädtischen Skyline loszureißen und der charmanten Begleitung zuzuwenden. Irgendwann fällt das doch leichter, da die Bar ein Lichtgeflacker entfacht, dessen Reflexion sich selbstverfreilich in den Fenstern widerspiegelt und somit den Ausblicksgenuss vehement schmälert. Wer denkt sich so etwas aus?

DJ-Durst, moderene Mixologie und Razz Mojito

Gut, es gibt zahlreiche Party-Abende, an denen Plattenteller-Lokalmatadore wie The Henrik Maneuver, Ziggy Stardust oder DJ Jauche auflegen, da muss es dann wohl flackern. Die Getränkekarte signalisiert einerseits szenetaugliche Partyrelevanz und präsentiert Moscow Mule, Paloma Bumms, Solar on the Beach oder Razz Mojito. Auf der anderen Seite sind durchaus mixologische Ambitioniertheit und Aktualität spürbar. Ein hausgemachter Paprika-Chili-Zucker für einen Drink mit Tequila, Wermut und Maracuja, eine hübsche Horse’s Neck Variante, in der diskreten Papiertüte serviert, und ein gutes Dutzend Gins mit zwei Schweppes Tonics zur Auswahl.

Die Hausvariante des Gin Basil Smash – Bombaysil – kommt mit schwungvoller Pfefferwürze und Bombay East daher und akzentuiert dennoch einigermaßen ordentlich den frischen Basilikum. Die 10,80 Euro für den Drink repräsentieren das durchschnittliche Preisniveau der Bar.

Wenig Begeisterung vermochte der Tommy’s Ocean Margarita zu entfachen. Der Agavendicksaft schmeckte überbordend und die Süße erschlug den Drink, insbesondere den an sich sehr schönen El Jimador Tequila. Die Reaktion des souveränen Bartenders war vorbildlich. Er verwies darauf, dass er den Drink präzise gejiggert habe und dass dies die Rezeptur des Hauses wäre. Sollte der Drink zu süß sein, würde er gerne einen neuen zubereiten oder einen Alternativdrink anbieten. Top-Beschwerdemanagement ist eine herausragende Qualität und spricht für eine gute Geschäftsführung. Überhaupt war der Service sehr angenehm. Die Tische wurden für neue Gäste sofort gewischt. Zügig kamen die Karten gereicht.

Something in the air tonight?

Sehr bedauerlich war die Tatsache, dass die Luft der Bar sehr intensiv von der Geruchspalette der Restaurantküche geschwängert war. War die Abluft defekt? Olfaktorisch waren die Gänge des abendlichen Menüs noch sehr präsent. Jedenfalls mehr als vom Barfly gewünscht. Vielleicht sollte die Bar entsprechend mit Bacon-Infusionen oder Butter-Filtration bei den Drinks arbeiten. So bereiten die möglichen Duft-Nuancen der Drinks jedenfalls weder Effekt noch Stimulation. Es wäre doch zu schade für das engagierte und freundliche Barteam, wenn am Ende nur der Ausblick als Grund bliebe, um das Solar zu besuchen.

Die Bar ist schon ganz oben. Bei den Drinks und der Atmosphäre ist noch ein wenig Luft dorthin.

Credits

Foto: Solar Bar via Birte Filmer

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