Die Top Fünf der Vodka-Designs aus dem deutschsprachigen Raum
Die osteuropäische Traditionsspirituose Vodka wird auch im deutschsprachigen Raum vielerorts hergestellt, und Design spielt eine große Rolle. Das meint auch unser Designkritiker Iven Sohmann, der die Flaschen einer optischen Prüfung unterzogen und eine Rangfolge erstellt hat, die mit einem großen Knall endet …
Ja wie denn nun? Vodka oder Wodka? Mit V oder mit W? Genauso gut ließe sich fragen, ob Whisky oder Whiskey? Aquavit oder Akvavit? Vermouth oder Wermut? Je nachdem, auf welches Sprachsystem eben Bezug genommen wird. Während der internationale Standard den kyrillischen Anfangsbuchstaben des russischen „Wässerchens“ (водка) mit dem lateinischen V transkribiert, verwendet der Duden das W.
Da das V im polnischen Alphabet generell nicht vorgesehen ist und die Spirituose dort folglich mit w (wódka) beginnt, kann die Schreibweise jedoch ebenso als Parteinahme im Kulturstreit beider Länder um die Erstfertigung missverstanden werden. Die frühere deutsche Schreibweise „Wutka“ kommt der polnischen Aussprache dabei übrigens näher. Also, wer hat’s erfunden? Dieses Urteil überlassen wir lieber anderen. Stattdessen analysieren und bewerten wir die Vodka-Packagings aus dem deutschsprachigen Raum – streng nach Duden, aber ohne Hintergedanken.
Vodka und Design: Viele Zutaten, viele Erfolgsrezepte
Im sogenannten „Wodkagürtel“, der sich von Russland aus über die Ukraine, Weißrussland, das Baltikum und Fennoskandinavien bis nach Polen erstreckt, werden neben Wasser vor allem fünf Rohstoffe für die Vodkaherstellung verwendet: Roggen, Gerste, Weizen, Kartoffeln oder Zuckerrüben. Mangels Reglementierung wird andernorts aber beispielsweise auch auf Reis, Mais oder gar Weintrauben zurückgegriffen. Die Gestaltungsansätze stehen dieser Vielfalt in nichts nach.
Per Markennamen, rotem Stern oder roter Produktlinien-Codierung referenzieren Zar Vodka, Bazic und Berliner Brandstifter die Russische Föderation bzw. ihre Vorgängerstaaten, wohingegen sich der Nørderd mit seiner fetten, blauen Groteskschrift eher von skandinavischem Design inspirieren lässt. Die deutsche Marke Partisan Vodka, die in Weißrussland produziert, schielt mit Gebinde, Verschluss und Typografie gekonnt grob gen Osten, ohne dabei zu kopieren. Ein rougher Look lässt sich zudem auch dem streetartig illustrierten Wahrer Vodka oder dem charmant aus der Zeit gefallenen Hanz-Vodka attestieren. Beim Our/Berlin, dem Wodotschka und dem Lion’s Vodka wird es mit prägnanten Marker- und Pinsel-Tags als Bildmarken sogar rebellisch – gute Zeichen!
Vodka und sein Design: LED von innen
Weniger graffitiesk, sondern edel gelackt und besiebdruckt präsentieren sich derweil der rundum blaue Bavarka, der schwarze North Sea Vodka und der kupferfarbene Mundart. Das weiße Musselinglas des Luxemburger Mansfeld zieht mit seinen durchsichtigen Ornamenten ebenfalls die Blicke auf sich. Und selbiges gelingt auch dem Schweizer Xellent per konischem Rotglasgebinde sowie dem getunten Heidelbeerg Vodka mit am Boden integrierten LED (!), die die Flasche samt der auf ihr abgebildeten Wahrzeichen von innen beleuchten. In Dauer-, Blitz- und Blinklicht versteht sich.
Extravagante Gebindeformen gibt es gleichermaßen zu bestaunen. Beim Swiss Gold Vodka macht das Matterhorn eine Schneekugel zur Handpuppe, der Allie Vodka köpft seine Flasche per Alien-Antlitz und NEFT ist im wahrsten und positivsten Sinne für die Tonne. Das Ranking hingegen startet mit einem gestalterischen Underdog, der vor allem durch Authentizität und Handhabe zu überzeugen weiß – zwei Kriterien, die neben der Prägnanz, dem Innovationsgehalt, dem Storytelling sowie der Wertig- und Appetitlichkeit in die Bewertung einflossen. Vielfältig wie nie zuvor: die Top Fünf der Vodka-Designs aus dem deutschsprachigen Raum.
Platz 5: Freimeisterkollektiv
Style-Polizei, bitte folgen! Wie sämtliche Produkte des Berliner Freimeisterkollektivs zeigt sich auch der Quinoa Wodka äußerst verhaltensauffällig im Markenverkehr. Keine Schlangenlinien, keine Abstandsvergehen, kein falsches Bling-Bling. Ganz schön nüchtern für so viel Alkohol. Der offene Zusammenschluss von Spirituosenfachleuten schafft mit seinen Packagings etwas, wovon die Konkurrenz mitunter nur träumen kann: Klarheit und Fakten.
Entsprechend schlicht ist auch das Gebinde, wiewohl die standardisierte Geradhalsflasche mit dem griffigen Aluminiumschraubverschluss unter Low-Budget-Lösungen durchaus erlesen wirkt. Inhalt und Hersteller stehen jedoch klar im Zentrum der unaufgeregten Gestaltung. So kommen unter dem generischen Produktnamen und der Projektnummer ein Porträt des Freimeisters, ein Sensoriknetz sowie Pflicht- und Zusatzangaben in einer setzkastenartigen Infografik zusammen. Was dem Konzept dabei an Markenmagie fehlt, macht es durch schwarz-weiße Transparenz wett. Sieht einfach aus, ist es aber nicht. Diese Papiere sind schwer in Ordnung, auch wenn sie uns die Details der Herstellung leider noch schuldig bleiben. Gute Weiterfahrt!
Design: Lavinia Mirabella-Greco
Foto: Marko Crawford
Platz 4: Senft Wodka
Ein Baum von einem Packaging, ein Baum von einem Vodka. Was da am badischen Bodensee aus einem Eichenfass erwächst, passt sicher nur seitwärts durch die Pforten der herstellenden Senft Destillerie. Trotz dieser Türsteherqualitäten lässt sich die Liebe zum Detail an den Jahresringen ablesen: viel. Der durch die Rotweinfasslagerung goldgelb schimmernde Bodensee Wodka aus Bio-Weizen liegt schwer in der Hand, die ihm zugrunde liegenden Gestaltungsprinzipien sind jedoch leicht erklärt. Glanz und Größe.
Das Zentrum des schrankigen Glasflacons mit dem Holzgriffnaturkorken wird von einem zweigeteilten Bauchetikett geziert, das dort im Premium Yin-und-Yang-Look seine Mitte findet. Oben die teils stufige Groteskschrift des Brennereilogos in gold auf schwarz, unten die Produktbezeichnung „Wodka“ mit dezentem Strichstärkenkontrast in schwarz auf gold. Alles zentriert und in Großbuchstaben natürlich. Was auf dem „Wodka“-Grund noch nach dekorativer Spielerei aussieht, erklärt sich indes auf dem Fähnchenetikett am Flaschenhals, wo der Umriss eines goldfoliengeprägten Bodensees Wellen schlägt. Wenngleich der dortige Formsatz „Wodka auf Barrique“ Geschmacksache ist, beweist dieses durchdachte Verpackungsdesign, dass klotzig und protzig nicht plump sein muss. Welch wertige Wucht!
Foto: Senft Destillerie
Platz 3: Wodqa
In Deutschland entwickelt, in Österreich produziert – der Düsseldorfer Wodqa von Qonzern ist nicht nur „siebenfach destilliert“ und „nullfach gefiltert“, sondern auch doppelt gestaatsbürgert. Unproblematisch im Schengenraum, irritierend in der Schenke: der Name. Mit „Wodqa“, „Double-U“ und „[W]“ hat das Wasser-Weizen-Erzeugnis mehr Schrei- und Schreibweisen als Zutaten. Ein gutes Gesprächsthema, gäbe es über die Spirituose im Spiritusgewand nicht schon genug zu erzählen …
Auf der gebürsteten Blechbüchse prangt der Blockbuchstabe W vor einer Bluebox als wäre er Wolfram aus dem Periodensystem. Dabei steht das W nicht nur für „Wodqa“, sondern auch für „Warnhinweis“. Anders lässt sich die Wahl einer Gefahrstoffdose kaum erklären. Zu Recht, verantwortungsbewusster Konsum geht uns schließlich alle an. Dass die Aufmachung den Reinheitsgedanken hierfür überstrapaziert, ist natürlich Teil des extremen, aber konsistenten Markenkonzepts. W wie Wirkungstrunk. Handlich ist anders, lecker sieht anders aus und dennoch: gefährlich gute Gestaltung.
Design: gutegesellschaft.com
Foto: Qonzern
Platz 2: Freimut
Deutsch, düster, dramatisch. Der Freimut Wodka aus Wiesbaden benimmt sich wie der Schnaps im Walde. Ein authentisch bodenständiges Bio-Roggen-Produkt mit einem Verpackungsdesign wie eine Nachtwanderung durch einen Caspar David Friedrich. Ohne Petroleumlampe. Auf Stechapfel. Insbesondere das tierische Keyvisual mit dem durchdringenden Blick wirkt dabei unheimlich-heimisch, um nicht zu sagen: zum Eulen schön!
Mit weiten Schwingen thront das Federvieh schwebend zwischen Baumwipfeln und macht ruhig, aber unmissverständlich klar, dass die Nacht ihm gehört; die hohe, im Verlauf getönte Glasflasche samt Holzgriffkorken eingeschlossen. Unter dem mystischen Illuminaten- und Hexenmaskottchen komplettieren der Markenname sowie Schrift- und Dekoelemente die schwarz-güldene Szenerie, die aufwendig gesiebdruckt wird. Die zeitgenössische Anmutung der gebrochenen Schrift und die subtile Verwendung der Nationalfarben bewahren das Packaging unterdessen vor der Deutschtümelei. Ein feiner Balanceakt zwischen Grimm und Germanien – dieser Freimut gehört belohnt.
Design/Illustration: Felix Müller-Stolz fealiks.com
Foto: Freimut Spirituosen
Platz 1: KABUMM
ZZZZZU schön um wahr zu sein: Irgendwo zwischen Kristallkugel und Comic-Kuller sprengmeistert sich die deutsch-österreichische Koproduktion aus dem Hause Farthofer (und Rapper Sido) zum Packaging-Knaller. Die Sprechblase mit der Bombenfigur verkörpert das unfiltrierte Produkt aus erlesenem Nackthafer, Winterweizen und Quellwasser vorbildlich. Von der Namensentwicklung ganz zu schreien: Kabumm!
Der händisch applizierte Markenschriftzug und die Produktbezeichnung „VODKA“ umlaufen je eine Hälfte der Gebinde im weißen, weit gesperrten Versalsatz. Glasklare Ansage! Die Kugelflaschen sind dabei im wahrsten Sinne des Wortes einzigartig, da nur mundgeblasene Unikate ihre Produktion ohne abgeflachte Böden ermöglichen. Dem per Holzgriffkorken entschärften Flaschenhals liegt zudem ein steifes Fähnchenetikett mit Silberfolienprägung um, das gekonnt an eine Zündschnur erinnert. Eine runde Sache mit stattlichem Standing, die laut und dennoch elegant daher bombt. KLIRR und HICKS zum Siege!
Design: Kabumm
Foto: Kabumm
Erfreulicherweise scheint die jahrelange Verklärung bzw. Vereisung des Vodkas in der Werbung keinen bleibenden Brainfreeze hinterlassen zu haben. Insbesondere die hier besprochenen Marken zeigen eindrucksvoll, dass Vodka spannende Narrative über Gletscherkulissen und VIP-Bereiche hinaus zu erzählen hat. Es darf also wieder pur und bei Zimmertemperatur getrunken werden – ja, sogar Eigengeschmack wird dem Genussmittel zugestanden!
Vodka und Design: Wenig und zu viel des Guten?
Dass Purismus keineswegs geschmacklos sein muss, beweisen im Übrigen auch die stilvoll reduzierten Verpackungsdesigns von Wodka Linia, Eivie Vodka, Wild Alps Schnapz, Abyme Vodka oder LQR Co. Organic Vodka, bei denen allesamt wenig zu den Platzierungen gefehlt hat. Generell hätte sich aus dem Teilnehmerfeld eine Top Zehn, wenn nicht gar eine Top Fünfzehn problemlos zusammenstellen lassen. In diesem Sinne: Hoch die Flaschen!
Ob der lediglich japanisch anmutende Berliner Kakuzo dort seinen Platz gefunden hätte, ist jedoch fragwürdig. Nicht etwa, weil er tea-infused ist und schon gar nicht wegen seiner handwerklichen Ausführung, die mit farbenfroher Eklektik und vorbildlich eingesetzter Veredelung durchaus zu bezaubern weiß. Es stellt sich viel mehr die Frage, inwiefern die laut Website angestrebte „augenzwinkernde Hommage“ mit diversen fernöstlichen Figuren vertretbar ist. Ist es okay, sich für seine Produkte an den spirituellen Symbolen anderer zu bedienen? Auch dieses Urteil überlassen wir lieber anderen, und zwar den Angehörigen der entsprechenden Kultur(en).
Credits
Foto: Freimeisterkollektiv