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benjamin cooper

Bartour USA: Auf nach San Francisco

Kann man sich von neuen Bars wie dem Benjamin Cooper oder alten Hasen wie dem Trick Dog etwas abgucken? Im zweiten Teil seiner US-Bartour fühlt Robert Schröter San Francisco auf den Zahn. In der kalifornischen Metropole stellt er vor allem fest, wie hoch die Inspiration aus dem pazifisch-asiatischem Raum ist.

Tausende Kilometer irrten wir seit Miami Beach durch Mormonenland, wichen Hurricanes aus und staubten in alkalischen Wüsten ein. Nun endlich rollen wir über den kalifornischen Hochgebirgskamm zur Küste bergab und sehnen uns nach einem kühlen Drink und der Umarmung wohliger Bar-Atmosphäre.

Ein Einstand mit viel Craft Beer

Allerdings ist unsere erste Erfahrung in San Francisco ein Zapfenstreich und wir werden pünktlich 20 Minuten vor zwei Uhr morgens an keinen Tresen mehr gelassen. Wir vertagen also unsere erste Bar-Etappe und bedienen uns großzügig an der letzten legalen Auslage an lokalem Craft Beer. Sierra Nevada oder Anchor wandern genau so wie Drake’s, 300 Steps oder Southern Sunrise an unseren Gaumen. Zwei Dutzend Brauereien aus San Francisco werben aromenreich um unsere Gunst.

Dabei scouten wir auch gleich einige Bars für die nächsten Tage und müssen feststellen, dass die Bar-Szene sich für US-amerikanische Verhältnisse ungewöhnlich breit über die Stadt verteilt. Das weltberühmte Trick Dog liegt in einer eher ruhigen Wohngegend in der Nähe eines Highways, ABV mitten im Latino-Quartier, Smuggler’s Cove an einer Durchgangsstraße gegenüber eines Sportplatzes und Pacific Cocktail Haven sowie Benjamin Cooper mitten im … nun … “durchwachsenen” Innenstadtkern mit Billigstwohnungen und Junkies.

Doch wie schon zuvor in Miami Beach soll es auch in diesem zweiten Teil um die Herausarbeitung großer Eigenschaften gehen, nicht um eine konkrete Bartour.

Der Trick Dog setzt auf neue Tricks

San Francisco ist einer der wichtigen Keimzellen für das Wiederaufleben der Tiki-Kultur. Besonders Smuggler’s Cove ist dabei zuallererst zu nennen und legt auch wirklich ein beeindruckendes Menü auf das Parkett. Etliche Seiten informieren über Geschichtliches, Unterhaltsames und natürlich den Schatz von Rezepten. Jedoch muss schon wieder ein Abklingen dieser Tiki-Welle fest gestellt werden – besonders in der Bay Area. Die Nachfrage nach dieser Art Drinks nimmt stark ab, Smuggler’s Cove ist nicht mehr ganz so überragend voll oder erfolgreich mit internationalen Bewertungen. Auch die hippen, neu eröffnenden Bars wenden sich anderen Cocktailfamilien zu.

Sehr viel lebendiger erscheinen da zum Beispiel die Herangehensweisen der jungen Bar Benjamin Cooper oder auch dem Veteranen Trick Dog, welche beide mit überaus spannenden, meist unwirklich anmutenden Rezepten Stirnrunzeln provozieren – dabei allerdings wunderbar balancierte Geschmackskombinationen aufweisen.

Trick Dog scheut sich beispielsweise nicht, Frischkäse, Fino Sherry, Gin, und Absinth mit Bagels oder auch Bourbon, Rhabarber-Amaro, Fernet, Minzmarmelade und grüne Erdbeeren aufeinander los zu lassen. Gleichzeitig bewahrt es sich bis heute die Atmosphäre einer Nachbarschaftsbar mit freundlichem Personal, zugänglichem Barfood sowie regelmäßig erneuerten, überaus künstlerisch gestalteten Getränkekarten. So stellt es eine der unprätentiösesten Bars in den Top 50 der Welt dar – ohne der Tiki-Renaissance nachhaltig den Hof gemacht zu haben.

Das Benjamin Cooper und die junge Szene

Benjamin Cooper hingegen liegt über dem Foyer eines jungen Hotels mitten in der Innenstadt. Ein versteckter Seiteneingang lässt zunächst Speakeasy-Allüren erahnen, doch ist dies wohl eher dem Platzmangel in der Innenstadt geschuldet. Denn die Türen und Arme des Benjamin Cooper stehen immer weit offen. Es herrscht selbst bei wenigen Gästen ausgelassene Stimmung, und die berühmte Gastfreundschaft mit einer Prise Surf und Abenteuer in den Haaren findet sich hier.

Generell finden wir den in New York populär gemachten Speakeasy-Stil nicht so recht vor in San Francisco. Nur das klar Marketing-orientierte Bourbon & Branch macht mit teuren Kampagnen und sehr offensichtlich unabsichtlicher Außendarstellung auf sich aufmerksam. Es setzt sich aus drei separaten Bars zusammen, welche im gleichen Haus unterschiedliche Klientelen adressieren. In der von uns besuchten Bibliothek fanden wir jedoch nur uninspirierte Mitarbeiter und Menüs vor. Auch wenn wir auf den anspruchsvolleren Charakter der anderen beiden Teilbars hingewiesen wurden: Zugang erhielten wir aufgrund von Komplettreservierung leider nicht. Das teure Marketing hört also leider an der Türschwelle auf.

Der Pacific Cocktail Haven macht es vor

Dies schmerzt uns nicht, und wir begeben uns sehr viel lieber in das nahe gelegene Pacific Cocktail Haven. PCH wurde vom renommierten und wohltuend bescheidenen Barveteran Kevin Diedrich eröffnet, welchen man hier auch noch immer hinter dem Tresen antrifft. In atemberaubender Geschwindigkeit werden Gäste begrüßt, bedient, der Service mit Getränken versorgt und ein Ohr für uns hat er auch noch. Selten sahen wir Bartender in Funktionskleidung und nie schien es so notwendig. Denn PCH und sein vom Pazifischen Ring inspiriertes Menü erfreuen sich scheinbar sehr großer Beliebtheit! Die familiären Einflüsse aus Japan und den Philippinen werden hier mit unterschiedlichen Techniken und Präsentationsmethoden auf die Bahn gebracht. Wir finden eine Ausrichtung sowohl an trockenen als auch tropischen oder herzhaften Drinks, die sich unter anderem klar an der japanischen Küche orientieren. So finden sich Gin, Rosé Wermut und Rosensirup mit Rettich oder Bourbon mit Shiso und Calamondinorange auf der Karte. Auch die auf Yucatan beliebte Würze Annatto wird mit Guave, Cumin, Scotch und Amontillado zu einem farbenprächtigen Highlight.

Kevin pflichtet uns bei, wie groß der Unterschied zwischen der Barkultur der Ost- und der Westküste ist. Jahrelang in New York im PDT und Clover Club oder in Washington D.C. hinter den Tresen, empfand er die Ostküste als klarer Europa-orientiert, wohingegen die Westküste viel Inspiration aus dem pazifisch-asiatischen Raum bezieht. Daher seien deren Küche und deren frische, garten- und ozeannahe Geschmäcker viel stärker präsent in der von ihm als “hippie-ish” bezeichneten Barkultur. Und passen somit sehr viel besser zur (auch südamerikanisch-)pazifischen Küche als die Drinks der Ostküste, welche sich stärker an herzhaften, geschmacklich dunkleren Speisen orientieren.

Benjamin Cooper & Co: Pazifische Bar-Szene Nordamerikas

Unter dem Strich lässt sich demnach eine interessante, pazifische Bar-Szene Nordkaliforniens heraus arbeiten. Worauf auch Jeffrey Morgenthalers Publikationen hinweisen. Gabriel Daun verrät zusätzlich, dass die Szene Portlands noch näher an der Küche dran ist und es sich dort im Gegensatz zu San Francisco eher um an Restaurants angeschlossene Bars handelt. Was sich natürlich auch in den Drinks und deren Fokus auf Essens-Kompatibilität widerspiegelt.

Doch wird in beiden Ballungsräumen viel mit mittel- und südamerikanischen Spirituosen und pan-pazifischen Essenseinflüssen gearbeitet. Und erschafft so eine umarmende, offene und sehr erfrischende Szene mit überaus innovativen und gleichzeitig preisbewussten Menüs. San Francisco war mit Bars wie dem Trick Dog, Pacific Cocktail Haven oder Benjamin Cooper auf jeden Fall eine Reise wert.

Credits

Foto: Foto via pxhere.

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