Die fortgeschritttene Alternative: Der Rye Sour Cocktail
»Erst mit dem langsamen, aber weltweiten Erwachen einer neuen Affinität zu Cocktails erwuchs auch wieder das Bedürfnis nach Rye.«
Es fehlte nicht viel und Rye Whiskey wäre völlig vom Erdboden verschluckt worden. Die Richtlinien für Rye Whiskey sind in den USA denkbar einfach: Er muss aus mindestens 51% Roggen destilliert werden und minimal zwei Jahre in amerikanischen Eichenfässern gelegen haben. Zumeist haben die Produkte sogar einen höheren Anteil an Rye (ab 71% spricht man von einem Straight Rye) und lagern etwas länger.
Rye war die erste, weitläufig in den USA produzierte Whiskey-Variante. Erst nach der Prohibition und dem Zweiten Weltkrieg überholte Bourbon den bis dato sich mindestens auf Augenhöhe bewegenden Roggen-Kollegen. Wie die Wurzeln der Cocktailgeschichte tief mit denen der USA verwoben sind, kann man auch die Fäden von Rye Whiskey zur Welt der gemischten Getränken kaum trennen.
Besonders die Nähe zu Klassikern wie dem Sazerac, dem Old Fashioned oder dem Manhattan unterstreichen die Verbundenheit mit der Barkultur. Während Rye in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts noch ein gewisses Ruf genoß und spannende Drinks wie der Toronto, der Scoff Law und der New York Sour durch die Barlandschaft kursierten, kam ab 1950 der große Absturz. Erst mit dem langsamen, aber weltweiten Erwachen einer neuen Affinität zu Cocktails erwuchs auch wieder das Bedürfnis nach Rye.
Rye Sour
Zutaten
6 cl Rye Whiskey
3 cl Zitronensaft
2 cl Zuckersirup
1/2 Eiweiß (optional)
Bitters (optional)
Mit dem Rye Sour Cocktail zu kantigem Genuß
Zu Beginn der zweiten Dekade dieses Jahrhunderts blühte die Nachfrage derart stark, dass es kaum ein Jahr ohne Engpass gab. Deshalb begannen sogar Produzenten wie Jim Beam wieder im größeren Stile Rye Whiskey zu produzieren.In deutschen Bars trifft man häufig Produzenten wie Wild Turkey, Pikesville, Rittenhouse, Old Overholt, Willet oder Bulleit. Mittlerweile hat sich das Rye-Angebot der Nachfrage wieder angeglichen hat. Lediglich länger gelagerte Abfüllungen sind derzeit noch immer rar und entsprechend teuer.
Einer der sommerlichen Erfrischungsdrinks mit Rye Whiskey ist ein Sour. Der Roggenanteil bringt Kanten mit, die dem Drink im Vergleich zu anderen Sours eine respektable Tiefe verleiht. Dazu schaden ein paar Tropfen Bitter und ein halbes Eiweiß nicht. Letzteres pries bereits Robert Vermeire in seinem Buch “Cocktaols – How to mix them” (1922) an: „… a few drops of white of egg improve all sours“. Frischer Zitronensaft ist natürlich selbstverständlich. Für die Abwechslung darf man gerne 2 cl Portwein oder Rotwein floaten, das heißt zum Abschluss auf den Cocktail träufeln, und der Sommer oder Winter kann kommen.
Die Zugabe von Cocktail Bitters macht aus dem Drink übrigens einen “Cocktail” dem Wortsinne nach. Sie wundern sich? Ja, tatsächlich waren früher Sours und Cocktails eigene Gattungen von Mischgetränken.
Credits
Foto: Hannes Häfner
oliver ebert
Auch, wenn ich mich dem Vorwurf der Kasuistik aussetze: Darf ich mir erlauben, darauf hinzuweisen, dass ein Sour mit Bitters kein Sour sondern ein Cocktail ist. Sours sind eine Kategorie der Prä-Cocktail-Ära, die vor der Erfindung des Bitters liegen. Historisch korrekt können Sours dementsprechend keine Bitters enthalten.
Und auch wenn bereits an anderer Stelle über Sinn und Unsinn von Eiweiß in Sours diskutiert wurde, so gilt es festzuhalten, dass in den allermeisten Rezepten zwischen 1865 und 1910 Drinks mit Eiweiß die Bezeichnung Silver im Namen führen.
Peter Schütte
Recht hat er. Aber lecker sind Sie allemal auch mit einem Dash.
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