Die fortgeschritttene Alternative: Der Rye Sour Cocktail
»Erst mit dem langsamen, aber weltweiten Erwachen einer neuen Affinität zu Cocktails erwuchs auch wieder das Bedürfnis nach Rye.«
Es fehlte nicht viel und Rye Whiskey wäre völlig vom Erdboden verschluckt worden. Die heutigen Richtlinien für „Straight Rye Whiskey” sind in den USA denkbar einfach: Die Maische, die zu seiner Herstellung angesetzt wird, muss zu mindestens 51% aus Roggen bestehen – in vielen Fällen liegt der Anteil allerdings höher, teilweise sogar deutlich höher. Während es für sehr einfache Rye Whiskeys keinerlei Mindestreifezeit gibt, ist die Sache beim Straight Rye (und nur solcher sollte in jeder guten Bar eine Selbstverständlichkeit sein) anders: Er muss, wie sein Bruder namens Straight Bourbon, mindestens zwei volle Jahre in einem neuen, ausgeholten Fass aus Weißeiche gereift werden.
Rye war die erste weitläufig in den USA produzierte Whiskey-Variante, einen großen Einfluss auf die Etablierung hatten seinerzeit deutschstämmige Einwanderer. Erst nach der Prohibition und dem Zweiten Weltkrieg überholte Bourbon den bis dato sich mindestens auf Augenhöhe bewegenden Roggen-Kollegen. Wie die Wurzeln der Cocktailgeschichte tief mit denen der USA verwoben sind, kann man auch die Fäden von Rye Whiskey zur Welt der gemischten Getränken kaum trennen.
Besonders die Nähe zu Klassikern wie dem Sazerac, dem Old Fashioned oder dem Manhattan unterstreichen die Verbundenheit mit der Barkultur. Während Rye in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts noch ein gewisses Ruf genoß und spannende Drinks wie der Toronto, der Scoff Law und der New York Sour durch die Barlandschaft kursierten, kam ab 1950 der große Absturz. Erst mit dem langsamen, aber weltweiten Erwachen einer neuen Affinität zu Cocktails erwuchs auch wieder das Bedürfnis nach Rye.
Rye Sour
Zutaten
6 cl Rye Whiskey
3 cl Zitronensaft
2 cl Zuckersirup
1/2 Eiweiß (optional)
Bitters (optional)
Mit dem Rye Sour Cocktail zu kantigem Genuß
Zu Beginn der zweiten Dekade dieses Jahrhunderts blühte die Nachfrage derart stark, dass es kaum ein Jahr ohne Engpass gab. Deshalb begannen sogar Produzenten wie Jim Beam wieder im größeren Stile Rye Whiskey zu produzieren.In deutschen Bars trifft man häufig Produzenten wie Wild Turkey, Pikesville, Rittenhouse, Old Overholt, Willet oder Bulleit. Mittlerweile hat sich das Rye-Angebot der Nachfrage wieder angeglichen hat. Lediglich länger gelagerte Abfüllungen sind derzeit noch immer rar und entsprechend teuer.
Einer der sommerlichen Erfrischungsdrinks mit Rye Whiskey ist ein Sour. Der Roggenanteil bringt Kanten mit, die dem Drink im Vergleich zu anderen Sours eine respektable Tiefe verleiht. Dazu schaden ein paar Tropfen Bitters und ein halbes Eiweiß nicht. Letzteres pries bereits Robert Vermeire in seinem Buch „Cocktails – How to mix them“ (1922) an: „… a few drops of white of egg improve all sours“. Frischer Zitronensaft ist natürlich selbstverständlich. Für die Abwechslung darf man gerne 2 cl Portwein oder Rotwein floaten, das heißt zum Abschluss auf den Cocktail träufeln, und der Sommer oder Winter kann kommen.
Die Zugabe von Cocktail Bitters macht aus dem Drink übrigens einen „Cocktail“ dem Wortsinne nach, denn Sours und Cocktails waren ursprünglich eigene Gattungen von Mischgetränken. „Sours sind eine Kategorie der Prä-Cocktail-Ära, die vor der Erfindung des Bitters liegen. Historisch korrekt können Sours dementsprechend keine Bitters enthalten“, definiert Oliver Ebert aus dem Becketts Kopf, „und in den allermeisten Rezepten zwischen 1865 und 1910 haben Drinks mit Eiweiß die Bezeichnung ‘Silver’ im Namen geführt.“
Dieser Beitrag wurde ursprünglich 2016 auf MIXOLOGY Online veröffentlicht und wird seither regelmäßig aktualisiert. Die letzte Überarbeitung der Redaktion erfolgte im Februar 2024.
Credits
Foto: Hannes Häfner
Jonah
Liebe Mixology, leider habt ihr hier einiges durcheinander gebracht: Rye(wie alle amerikanischen Whiskeys) hat keine Mindestreifezeit. Ab der ersten Minute auf dem Holz ist es Whiskey. Amerikanische Eiche ist -wie auch beim Bourbon- nicht vorgeschrieben. Es darf jede Art von Eiche verwendet werden.
Straight ist ein Whiskey dann, wenn er keine Zusätze enthält (auch das wäre bei Rye erlaubt), mindestens 2 Jahre alt ist und in neuer ausgebrannter Eiche gelagert wurde. Die Mashbill (also der Roggenanteil) spielt hier keine Rolle. Wie ihr auf die 71% kommt ist mir schleierhaft.
Das muss heutzutage nicht mehr sein, sowas kann man googeln.
Beste Grüße
Jonah
https://www.ecfr.gov/current/title-27/chapter-I/subchapter-A/part-5/subpart-I
Mixology
Hallo Jonah,
danke Dir für den Hinweis, dort waren offenbar tatsächlich ein paar Zahlen und Informationen durcheinander geraten – was üblicherweise nicht unsere Art sein sollte.
Wir haben den entsprechenden Passus am Beginn des Artikels nun aktualisiert.
Viele Grüße
// Nils