Sechs Alternativen für Eiweiß in Cocktails
Vor allem wegen seine Fähigkeit, einem Drink Cremigkeit zu verleihen, spielt Eiweiß seit Jahrhunderten eine Rolle in der Barkultur. In den letzten Jahren kommen immer mehr Eiweiß-Alternativen in Cocktails zum Einsatz. Reichen sie an das Original heran? Wir zeigen sechs gängige Alternativen von Aquafaba bis Methylcellulose.
Wenn es um Texturen in Cocktails geht, gibt es nicht viel, was an einen leichten, fluffigen, cremigen Sour herankommt. Ein Whiskey Sour zum Beispiel ist einer dieser Cocktails, den selbst die meisten Bar-Laien aufzählen könnten. Sein Erfolg liegt neben seiner genialen Simplizität wohl vor allem an seiner Textur, die häufig durch den Einsatz von Eiweiß herbeigeführt wird.
Eiweiß enthält zu mehr als 10% Proteine. Diese lassen sich unter genügend Krafteinwirkung mit Luft zu einem dauerhaft stabilen, zweiphasigen Gemisch – einem Schaum – vermengen. Drinks mit Eiweiß sind zudem leicht gebunden und erzeugen ein elegant-cremiges Mundgefühl, darüber hinaus hebt das Eiweiß durch seinen Fett- und Proteinanteil den Geschmack der einzelnen Zutaten hervor und lässt das Ergebnis „smoother“, weniger kantig schmecken. Die Schaumkrone vergrößert die Oberfläche des Drinks und gibt daher seinen Aromen mehr Raum.
In den letzten Jahren wurde viel mit Ersatz für die Cocktailzutat Eiweiß experimentiert. Mit der kurzen Haltbarkeit (zumindest bei nicht pasteurisiertem Eiweiß), der Bewegung weg von tierischen und hin zu pflanzenbasierten Produkten oder schierer Neugierde beziehungsweise Innovationslust gibt es verschiedene Motive dafür. Zudem ist für viele Menschen rohes Ei nach wie vor ein rotes Tuch. Nachhaltig den Rang abgelaufen hat dem Eiweiß bisher keiner seiner Konkurrenten. Was aber sind Ersatzprodukte, die in Bars weltweit benutzt werden, wie funktionieren sie und wie gut sind sie? Wir haben sechs gängige Beispiele für Alternativen für Eiweiß in Cocktails ausprobiert.
1) Aquafaba
Der Klassiker der Eiweiß-Ersatzprodukte. Bei Aquafaba handelt es sich um Kichererbsenwasser – also der Flüssigkeit, in der Kichererbsen eingelegt sind, wenn man diese vorgekocht im Glas kauft. Sie wird häufig in der veganen Küche als Eiweißersatz eingesetzt und funktioniert wunderbar bei veganer Mousse au Chocolat und ähnlichem. Der hohe Proteingehalt hilft, eine lockere Fluffigkeit zu erzielen, die sonst nur beim Einsatz von Eiweiß erreicht wird.
Im Whiskey-Sour haben wir Aquafaba in der gleichen Menge eingesetzt, in der wir Eiweiß hinzugefügt hätten, erst trocken geschüttelt und dann mit Eis. Wie bei jedem Sour empfehlen sich möglichst lange, weite Shake-Bewegungen, um möglichst viel Luft unterzuheben. Das Ergebnis sieht optisch gut aus, ein schön cremiger, fluffiger Schaum ziert das Sour Glass. Beim Drink selbst lässt sich jedoch ein recht markanter Kichererbsen-Geschmack feststellen. Aquafaba hat neben einem relativ hohen Salzgehalt, (was per se nicht schlecht ist, ist die Salzlösung doch mittlerweile fester Bestandteil vieler Cocktails) eben auch einen starken Eigengeschmack. Im zweiten Versuch nehmen wir etwas weniger Aquafaba, spritzen den Drink mit Orangenzeste ab und fügen einen Tropfen Angostura Bitters als Garnish hinzu. Orangenzeste und Angostura Bitters helfen vor allem, den Geruch angenehmer zu machen. Auch geschmacklich ist der zweite Versuch besser. Nicht ganz so fluffig, aber eben auch weniger Kichererbsengeschmack. Nach ein paar Schlucken hat man sich aber auch etwas mehr an diesen gewöhnt und man hat einen soliden Whisky Sour. Mittlerweile gibt es Aquafaba auch in manchem Supermarkt im Tetrapack zu kaufen, der weniger Eigengeschmack mit sich bringen soll.
2 Seidentofu
Auch Seidentofu wird in der (veganen) Küche häufig als Eiweißersatz benutzt und hat zudem relativ wenig Eigengeschmack. Vor allem in asiatischen Gerichten ist er durch seine Cremigkeit häufig fester Bestandteil. Ein Esslöffel davon in den Shaker, etwas mit dem Löffel zerkleinern, Dry Shake, Wet Shake und abseihen. Das Ergebnis: Ein Sour, den man leider nicht mal seinen unbeliebtesten Gästen servieren möchte. Kein Schaum, kleine Tofu Stückchen, die hilflos im Glas umhertreiben, und auch geschmacklich hinterlässt der Tofu-Sour leider nur einen mangelnden Eindruck. Auch nach Anpassung der Rezeptur und der Benutzung von nur einem halben Esslöffel wird das Ergebnis nicht besser.
3 Kokosnuss-Creme
Hoher Fettanteil, viel Eiweiß und kein unangenehmer Eigengeschmack – Kokosnuss-Creme hat alles, was man sich für einen passenden Eiweißersatz wünscht. Daher geben wir im nächsten Versuch einen Esslöffel mit in den Shaker zu den restlichen Zutaten des Sours – diesmal ein Mezcal Sour. Die gute Nachricht zuerst: Mezcal und Kokosnuss – das passt! Eine weitere gute Nachricht: Es gibt auch ein nettes Schäumchen. Die nicht so Gute: Der Schaum sackt relativ schnell ein und der Drink flockt, was der Optik des Cocktails nicht gut tut. Außerdem hat man ab und an kleine Kokoscreme-Stückchen im Mund. Im Ansatz also gut, in der Umsetzung nicht befriedigend. Allerdings gibt es auch viele verschiedene Arten von Kokosnuss-Creme. Da könnte es sich lohnen, noch einige Tests mit anderen Produkten zu durchzuführen.
4) Sojalecithin
Nachdem wir bisher einige naheliegendere Produkte behandelt haben, die es in den meisten Supermärkten zu finden gibt, geht es nun an die spezifischeren, für die man eher im Gastronomie-Fachgeschäft vorbeischauen muss. Wir beginnen mit Sojalecithin. Das ist ein natürlicher Emulgator und Stabilisator, der aus Sojabohnen gewonnen wird. Seine Eigenschaften als gleichzeitig hydrophil und hydrophob helfen dabei, Substanzen miteinander zu verbinden, die sich normalerweise nicht miteinander verbinden lassen. Also zum Beispiel Wasser und Öl. In der Kulinarik hat Lecithin viele verschiedene Funktionen, wird aber eben hauptsächlich als Stabilisator und Emulgator für Soßen (Salatdressings, Mayonnaise etc.) oder zur Verbesserung von Texturen eingesetzt. Es macht zum Beispiel Soßen und Eis cremiger. Wir mischen 1/8 Teelöffel in unseren nächsten Sour – das Ergebnis ist ein durchaus cremiger Sour, der vor allem durch sein samtenes Mundgefühl besticht. Diese Cremigkeit bleibt außerdem sehr lange bestehen. Allerdings kommt es in Sachen Fluffigkeit nicht an das (Eiweiß-)Original heran. Steigert man die Dosis an Lecithin, so wird zwar der Schaum etwas mehr, jedoch steigt auch der Eigengeschmack des Lecithins disproportional zu dem Mehr an Schaum an, was geschmacklich unzufriedenstellend ist. Alles in allem aber ein leckerer, frischer Sour!
5 Methylcellulose
Hierbei handelt es sich um eine chemische Komponente, die aus Cellulose, also den Zellwänden von Pflanzen, bezogen wird. In der Gastronomie wird Methylcellulose, ähnlich wie Lecithin, hauptsächlich als Emulgator oder als Dickungsmittel verwendet. Wir fügen ein viertel Teelöffel zu unserem Drink hinzu. Auch hierbei ist das Ergebnis ein sehr cremiger, seidiger Drink. Als schaumig würde man ihn aber wohl nicht bezeichnen. Außerdem fehlt, wie bei allen anderen Versuchen (außer vielleicht bei der Nutzung von Aquafaba), die „fettige“ Eiweiß-Textur. Das Mundgefühl ist aber angenehm und ansprechend. Außerdem weist die Methylcellulose wenig Eigengeschmack auf.
6 Xanthan Gum
Xanthan Gum Ist ein Polysaccharid, das zur Art der Kohlenhydrate gehört. Auch Xanthan Gum wird üblicherweise als Dickungsmittel und Stabilisator verwendet. Wir geben einen Achtel Teelöffel in den Shaker, shaken (dry und wet) und seihen den Drink ab. (Wie auch beim Lecithin und der Methylcellulose sollte man das Pulver idealerweise mit einer Feinwaage abwiegen, da eine kleine Menge beachtliche Ergebnisse erzielt. Da nicht jede Bar oder Homebar mit einer solchen ausgestattet ist, sind in diesem Text die Angaben in Teelöffeln.) Beim Abseihen fällt auf, dass einige Klumpen, die sich nicht richtig aufgelöst haben, im Fine Strainer hängen bleiben. Der Drink an sich weist etwas mehr Cremigkeit auf als ohne Substitut, wirklich befriedigend ist es jedoch nicht. Auch bei geringerer und größerer Menge sind die Ergebnisse nicht ansprechender. Es hilft, den Xanthan Gum erst in Wasser aufzulösen, um das Verklumpen zu vermeiden. Da man das jedoch à la Minute machen müsste, würde das für ein sinnvolles Arbeiten in einer vollen Bar zu viel Zeit in Anspruch nehmen.
Fazit: Eiweiß-Alternativen für Cocktails
Im Grunde konnte keines der Eiweißersatzprodukte restlos überzeugen. Aquafaba hat noch den besten Eindruck hinterlassen, wenn man es richtig einsetzt. Von Tofu darf beherzt abgeraten werden. Die „chemischeren“ Produkte Sojalecithin, Methylcellulose und Xanthan Gum haben teilweise gute Ansätze gezeigt. Bei diesen fehlt es aber klar an der „fettigen“ Komponente, die Eiweiß mit ins Spiel bringt. Das Mundgefühl und zeitliche Beständigkeit der Konsistenz waren aber durchaus interessant. Was wäre, wenn man einige dieser Ersatzprodukte in Kombination einsetzt? Die Cremigkeit der Kokosnuss mit länger anhaltendem Schaum durch Methylcellulose beispielsweise klingt vielversprechend. Es lohnt sich, hier weiter zu experimentieren.
Hinweis: Ein erster Artikel zu diesem Thema wurde bereits 2015 auf MIXOLOGY Online veröffentlicht. Dieser Beitrag ist eine komplette Neubearbeitung der Thematik aufgrund neuer Erkenntnisse..
Credits
Foto: Rabizo Anatolii - stock.adobe.com
Arne
Ananas oder Espresso führen dich auch geschüttelt zur Cremigkeit.
Martin
Wieso wurde nicht mal der Fee Foam von den Barrel Brothers mit in den Test einbezogen?
Constanze
Aquafaba gibt es mittlerweile auch im Tetra Pack bei Rewe oder Edeka (2,79€ den halben Liter), da ist keinerlei Beigeschmack mehr im Drink zu bemerken.
Mixology
Hallo Constanze,
danke für die Anmerkung, haben wir in den Text einfließen lassen.
Liebe Grüße,
Stefan // Mixology