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Bar Novum: über dem Walsertal versteckt sich eine der größten Cocktail-Leidenschaften im Alpenraum

Man muss weit fahren, um diese geballte Leidenschaft für Drinks erneut zu finden – samt einem Angebot, das tief ins „Golden Cocktail-Age“ führt. Gegen Oliver Polsters Bar Novum in Damüls müssen sich viele nicht nur wegen der Höhenlage warm anziehen.

Aufmerksamen Beobachtern ist der Name Oliver Polster bereits untergekommen. Bereits zwei Mal in Folge stand der gebürtige Ostdeutsche im Finale der österreichischen „World Class“. Beim Standort seiner Wirkungsstätte, der Bar Novum, gab es dann stets Geografie-Nachhilfe. Denn die nächste Stadt ist eine gute Auto-Stunde von Oberdamüls entfernt. Und zwischen Bregenz und der Hotelbar auf 1.580 Meter Seehöhe liegen Welten. Genauer gesagt, auch zwischen der Novum und dem Rest Vorarlbergs. Denn was hier im Alpenstern am Tresen gezeigt wird, ist schlicht eine der größten Cocktail-Leidenschaften im österreichischen Alpenraum.

Das Novum beeindruckt optisch wie inhaltlich mit einem komplexen Portfolio
Das Novum beeindruckt optisch wie inhaltlich mit einem komplexen Portfolio

Bar Novum (im Hotel Alpenstern)

Oberdamüls 191
A-6884 Damüls Österreich

In der Bar Novum designt der Hotelier die Barkarte selbst

Das beginnt mit der Barkarte, die unter dem Titel „Drink’s Couture“ liebevoll im Zeitungsstil gestaltet wurde. Einmal mehr nutzte man dafür die Pandemie, der Zeitpunkt, zu dem der Alpenstern auch massiv umgebaut wurde. Maximilian Steinfeld selbst hat hier Hand angelegt. Der einstige Kunst-Student gehört heute als Sommelier mit seiner Frau Corina und ihrem Bruder Peter Bischof als Küchenchef zum Führungsteam des Vier-Stern-Hotels. Visionär war bereits der (Schwieger)Vater in Vorarlberg. Als viele Häuser noch kein fließendes Wasser hatten, baute Bertram Bischof in jedes Gästezimmer Bäder ein.

Heute definiert sich Luxus anders. Während der „Weinfreak“ (Eigendefinition) Steinfeld an der Jahrgangstiefe seiner 1.300 Weinpositionen arbeitet, hat Oliver Polster eine Art Pendant zu der vinophilen Schatzkammer erarbeitet. Dass man sich rare Abfüllungen (Samaroli-Bottlings oder Limited Releases aus der obersten Single Malt-Liga) leistet, kennt man aus vielen Spitzenhotels. Einem „Mauresque“ (12,90 Euro) abseits Südfrankreichs in freier Wildbahn zu begegnen hat hingegen Seltenheitswert. Es ist keine Übertreibung, dass man sich bei Polsters Karte ab und an die Augen reibt. Gibt es hier wirklich eine eigene Rubrik mit „Chartreuse Mixology“? Ja, und formvollendet wird man beim Widow’s Kiss auch nach seinem Favoriten – gelb oder grün? – gefragt. Nimm das, Frankfurt!

(Winter) Wonderland vergessener Drinks

Man würde vermutlich kläglich scheitern, würde man sich etwas ausdenken wollen, für das es in der Novum kein Angebot direkt aus dem Cocktail Menu gibt. Mizuwari, Clubland, Sazerac, Mary Pickford oder Sidecar – sind schon alle da. Mamie Taylor? Sowieso! Selbst Bier-Cocktails zelebriert das nur drei-köpfige Team aus dem Effeff. Der Brooklyn Tai etwa, der den Tiki-Drink süffig mit Bierschaum auf dem Rum-Blend krönt, ist in der Tat großes Kino. Wie Oliver Polster diesen Drink mit seinem Kollegen Dhammith auszumixt, während er parallel händeringend Gästen erklärt, dass seine Clarified Piña Colada (23,90 Euro) keineswegs süß sein, bedeutet ein Musterstück mixologischen Multitaskings.

Die Colada als „Drink des Tages“ stellt einen der teuersten Cocktails der „Drink-Zeitung“ dar. Allerdings beginnt man auch bei 10,90 Euro, schließlich will man durchaus auch Nicht-Hotelgäste ansprechen. Der Fokus auf Highballs und Apéros ist erkennbar – allein vom Negroni (12,60 Euro) offeriert man sieben Versionen. Darunter den mega-komplexen Mac Kenzies Negroni, mit dem Polster bei der World Class Singleton-Whisky in Szene setzte. Die alpinen Trinkgewohnheiten kennt der aus Leisnig in Sachsen stammende Oliver Polster gut. Vor seinem fulminanten Auftritt in Vorarlberg war er bereits in den Skiorten Lermos (Mohr Life Resort), Großarl (Edelweiß Mountain Resort) und Seefeld (Astoria) zugange.

Oliver Polster führt mit einer klaren Vorstellung von Bar ins „Golden Cocktail-Age“
Oliver Polster führt mit einer klaren Vorstellung von Bar ins „Golden Cocktail-Age“
Die Barkarte ist unter dem Titel „Drink’s Couture“ im Zeitungsstil gestaltet und kombiniert Klassiker und Signature Drinks
Die Barkarte ist unter dem Titel „Drink’s Couture“ im Zeitungsstil gestaltet und kombiniert Klassiker und Signature Drinks

Mit einer Schussfahrt zur Umami-Bombe

Die Tage des „Flügerls“ sind in den immer teurer werdenden Skiferien längst passé. Auch das spielt einer elaborierten Mixologie wie jener der Bar Novum in die Karten. Anderswo würde man wohl abwinken, wenn ein Drink 15 Zutaten aufweist wie der Ghost of Mary. Doch ein Islay-Whisky (Laphroaigs „Lore“) mit Tomaten, Liebstöckel und Sojasauce stellt eine Verheissung dar, der man sich stellen will. Die Umami-Bombe (25,90 Euro) ist eine veritabler Endgegner im Cocktail-Game namens Savoury Slaughter!

„Ein krosser Schweinbauch mit Kimchi“ stand hier Pate, so der 35-Jährige, der selbst leidenschaftlich gern kocht. Da nimmt der Whisky-Fan auch in Kauf, den torfigen Gesellen in diesem Signature Cocktail quasi zu verstecken. Das Nebeneinander von hoch elaborierten Drinks wie diesem und einem kleinen Bier an der Theke macht den Reiz eines Besuchs auf diesem Balkon über dem Großen Walsertal aus. Peter Bischof hat über seine Küche, die neben den hungrigen Pistenflitzern auch Gourmets (in der „Löffelspitze“) verköstigt, einen klugen Satz gesagt: „Wir machen bewusst nicht alles auf einmal, der Gast soll sich langsam an die neue Linie gewöhnen.“ Das kann man getrost auf die Bar umlegen, die mit der mittlerweile dritten Karte in die neue Skisaison geht.

Die Bar Novum steht auch optisch im Zentrum des Hotels Alpenstern
Die Bar Novum steht auch optisch im Zentrum des Hotels Alpenstern

Schneereich, aber auch Eis-gewaltig

Dass es nicht die schiere Menge ist, eine Überwältigungsstrategie für den mehrheitlich deutschen Gast im Alpenstern, zeigt ein Blick auf das Eis Oliver Polsters. Abseits der bequemen urbanen Lieferketten von Blockeis, frostet er selbst. Und schneidet daraus seine Chunks, die im Idealfall auch noch das Novum-Logo tragen. Nicht wenige der überraschend jungen Tresensitzer sprechen den Barchef darauf an. Diesen Aufwand sieht man auch „drunt“ nicht oft. Und es ist kein Showpiece.

Droht der Schaum eines Biercocktails zu leiden, dann erklärt Oliver Polster, warum er straight up serviert. Überflüssige Handgriffe und überbordende Garnituren darf man nicht erwarten an der Bar, die auch optisch das Zentrum im Hotel darstellt. Entsprechend stressig wird es, wenn die Tische abseits des Rückbuffets dieselbe Aufmerksamkeit von „Olli“ einfordern wie die Nachbarn aus Oberdamüls, die hier auch in den ruhigen Monaten sitzen. Denn der Stammgast-Anteil ist hoch, mehr noch freut Polster und Hotelier Steinfeld, „dass auch immer mehr Vorarlberger über Nacht bleiben“. Es mag, so vermuten wir mit einem Blick in den Silberbecher, auch mit den Qualitäten der Bar zu tun haben. Sie kennt im Ländle nichts Gleiches. Das kann man getrost so schreiben.

Mit dem Julep-Twist Tennessee Heat, ein Rezept von Polsters Kollegen Dhammith, heißt es leider auch Abschied nehmen von der Bar Novum. Noch Stunden könnte man mit dem Duo hier über Mortlach und Michter’s reden. Doch morgen sollte ja auch die Piste besucht werden. Und ein bisschen White Out tut nach dem bunt-schillernden Vorarlberger Wunderland des Trinkens sicher gut.

Credits

Foto: Novum

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