TOP
7 Fakten über den Negroni Cocktail | Mixology — Magazin für Barkultur

7 Fakten über den Negroni Cocktail

»Ein Negroni ist für mich ein perfektes Getränk. Es sind drei Schnäpse, an denen ich nicht besonders interessiert bin. Aber kombiniere sie mit einer Scheibe Orange. Es funktioniert. Der erste Schluck ist verwirrend und nicht besonders angenehm. Aber Mann, [der Drink] wächst dir ans Herz.«

—  Anthony Bourdain

Über den Negroni Cocktail gibt es ganze Bücher zu füllen. Wir aber haben hier nun die wichtigsten Fakten rund um den italienischen Aperitif-Klassiker zusammengefasst.

Er ist der Urgroßvater der Aperitivo-Familie, der Inbegriff bitter-süßer Verführung und die flüssige Schnittstelle zwischen Feierabend und Nightlife. Der klassische Drei-Komponenten-Drink, zu gleichen Teilen aus Campari, süßem Wermut und Gin gemixt, ist ein Getränke mit über 100 Jahre Geschichte und Geschichten. Fast jeder, der sich in der Barwelt umtut, weiß seine eigene Geschichte vom perfekten Negoni Cocktail zu berichten. Wir präsentieren sieben kleine Schlaglichter zu diesem ehrwürdigen doch ewig jugendlichen Star!

1. Vom Milano-Torino Cocktail zum “Grafen” Negroni

Er ritt durch die amerikanische Prärie, er trat zum Rodeo an, zockte an den Kartentischen des Wilden Westens und unterrichtete die Fechtkunst in New York. Womöglich hatte der junge Abenteurer dort seine Leidenschaft für den Cocktail entdeckt. Zurück in Italien, kehrte er an einem Bartresen in Florenz ein.

Zur damaligen Zeit war der „Americano” sehr populär, der aus Campari, süßem Wermut und Soda Water besteht, beziehungsweise dessen Vorgänger: der „Milano-Torino“ Cocktail mit dem Bitter Campari aus Mailand und Wermut aus Turin. Dem Grafen war dieser Drink zu schwach und so forderte er den Bartender auf, die Mischung zu verstärken.

Der ihn bedienende Barmann mit dem klingenden Namen Fosco Bruno Sabatino Scarselli griff zur Flasche Gin. Und voilá, der Negroni (Rezeptur) erblickte das Licht der Barwelt!

2. Florenz – Die Wiege des Negroni

Eine Gedenktafel hängt an dem opulent ausgestatten Caffe Giacosa des Modeschöpfers und Designers Roberto Cavalli. Das Schild erinnert an den Vorgänger, die Bar Casoni, an deren Tresen der Negroni Cocktail einst Realität wurde.

Es war wohl im Jahr 1919, zu Beginn der Prohibition in den USA, als Bartender Fosco Scarselli erstmals die drei flüssigen Komponenten miteinander vermengte und dem Grafen Negroni und gleichsam dem italienischen Norden eine neue Getränkespezialität bescherte.

Ein Gang durch die Bars und Caffès des heutigen Florenz beschert leider zumeist wenig Negroni-Freude. Verwässertes Eis, billiger Wermut und runzlige Orangen sorgen dafür, dass die Aperitivo-Gäste doch eher auf einen Rebsaft aus den umliegenden, herrlichen Weingütern zurückgreifen. Das hätte sich Graf Camillo sicher nicht bieten lassen.

7 Fakten über den Negroni Cocktail | Mixology — Magazin für Barkultur

Negroni

Zutaten

3 cl Dry Gin
3 cl roter Wermut
3 cl Campari

3. Der größte Negroni Cocktail der Welt

Auf dem legendären Cocktail Festival „Tales of the Cocktail“ versammelte sich 2011 der Italo-Bartending-Freundeskreis, um den größten Negroni der Welt zu mixen. 114 Liter vermengten die Bartender, die allesamt mit Schnauzbart und zylinderartigen Hüten zu Werke gingen. Ihr Outfit bezog sich auf das Foto eines Mannes, das immer wieder historische Abhandlungen begleitet und angeblich den Grafen Camillo zeigt.

In Wahrheit bildet das Foto Arnold Henry Savage Landor ab, einen in Florenz geborenen englischen Maler, Schriftsteller und Entdecker. Mittlerweile ist ein Bild des echten Grafen bekannt, das ihn bartlos zeigt.

Lange blieb der Rekord nicht bestehen. Im Juli 2018 rührten Bartender in Wien satte 400 Liter des Cocktails in einem eigens gefertigten 600-Liter-Glas an. Interessant an diesem neuen Rekord ist, dass er nicht mit Campari als Basis entstand. Die Popularität des klassischen Cocktails hat dazu geführt, dass eine ganze Reihe anderer Marken nun ebenfalls einen roten Bitterlikör herstellen. In diesem Fall ließ die Konkurrenz aus Italien ihren “Martini Bitter” vermixen.

4. Die falsche Negroni-Fährte

Wenn es um die Ursprünge des Cocktails geht, wurde lange Zeit kam ein weiterer Herr Negroni aus Korsika ins Spiel gebracht. Graf Pascal Olivier de Negroni soll während seiner Militärzeit in Westafrika den Drink erfunden haben. Dieser Graf verstarb 1913, somit wäre sein Drink der frühere gewesen. Die Nachfahren der beiden Negronis giften noch heute gegeneinander um die Urheberschaft des Cocktails. Ein Nachfahre des korsischen Negroni bestritt vor einiger Zeit, dass es einen Camillo Negroni jemals gegeben habe.

Aber die ernst zu nehmenden Cocktailhistoriker sind sich weitestgehend einig, dass wir mit Camillo auf der richtigen Fährte sind. Zumal mittlerweile eine Geburturkunde aufgetaucht ist, die die Geburt von Cammillo Luigi Manfredo Maria Negroni am 25. Mai 1868 in Florenz bezeugt.

»Der Negroni Cocktail bietet eine der grandiosesten Grundrezepturen überhaupt. Die komplexe Süße des Wermuts und die geradlinige Bittere des Camparis lassen der Spirituose genug Raum, um sich köstlich zu entfalten.«

5. Die Varianten des Negroni

Der Negroni Cocktail bietet eine der grandiosesten Grundrezepturen überhaupt. Die komplexe Süße des Wermuts und die geradlinige Bittere des Camparis lassen der Spirituose genug Raum, um sich köstlich zu entfalten.

„Vermasselt“ heißt auf italienisch „sbagliato“ und geht auf die Geschichte zurück, dass ein Bartender statt Gin aus Versehen Schaumwein in den Drink gab. Das Resultat mundete den Gästen dennoch und so war der Negroni Sbagliato, der vermasselte Negroni, geboren.

Darüber hinaus bewährten sich Varianten wie der Boulevadier (mit Bourbon oder Rye Whiskey), der Agavoni (mit Tequila) oder der East India Negroni (mit Rum und Sherry). Weitere Varianten experimentieren mit Schokolade, Cynar, Jägermeister oder Limoncello und bleiben vielleicht Geschmackssache aber eher weniger Negroni.

Für viele gehört das leuchtende Rot zum perfekten Negroni Rezept wie die Olive in den Martini. Aber so, wie Martini-Trinker auch gerne einmal auf eine Zitronenzeste zurückgreifen, dürfen die Liebhaber des Rot auch einmal die Ästhetik von Weiß erproben.

Denn der White Negroni ist womöglich eine der elegantesten Neuinterpretationen des Klassikers, erdacht 2001 von Wayne Collins mit Gin, dem Aperitif Lillet Blanc, Suze Likör und einer Zitronenzeste. Zudem bietet der Negroni günstige Bedingungen, um die Phänomene von Fass- und Flaschenreifung zu erproben. Nicht ganz so neu, denn bereits wohl in den 1960ern oder 1970ern ersonnen, ist der Negroni Sbagliato, in dem Gin durch Prosecco ersetzt wird – der aber erst in den letzten Jahren einen Hype erfahren hat.

Cocktaillegende, Bar-Autor und glaubwürdiger Exzentriker Gaz Regan widmete dem Negroni bereits zwei Bücher. Etliche wunderbare Rezepturen und Abwandlungen sind darin gesammelt.

6. Gutes Tun mit dem Negroni Cocktail

Kein Cocktail tut so viel Gutes. Der Schauspieler und Regisseur Orson Welles war ein großer Liebhaber des Negronis und lobte einst die gesundheitlichen Vorzüge des Drinks (denn die Nachteile wollen wir getrost kurzfristig ignorieren): „The bitters are excellent for your liver, the gin is bad for you. They balance each other.”

Ergo: Negroni ist gut für die Leber und seit einiger Zeit auch für die Gesellschaft. Seit 2013 wird jährlich im Juni die Negroni-Week gefeiert. Etliche Bars beteiligen sich an der Negroni Week und spenden einen Teil der Erlöse für wohltätige Zwecke. Traditionell trägt auch die Marke Campari mit einem ordentlichen Betrag zum Erfolg der Cocktail-Spenden-Woche bei.

7. War der Negroni ursprünglich schwarz?

So selten ist der Familienname Negroni in Italien nicht. Zu den Familien der Grafen Camillo Negroni und Pascal Olivier de Negroni gesellt sich noch die Sippe des Pietro Negroni. Pietro errichtete 1907, also vor der Erfindung des Drinks, in Cremona, etwa 200 Kilometer nordwestlich von Florenz, eine Wurstwaren-Fabrikation, aus der sich ein stattlicher Lebensmittelkonzern entwickelte.

Eine Diskussion unter Cocktail-Historikerin gibt es neuerdings um den Wortstamm. Das italienische “negro” bedeutet “schwarz”. Ist es möglich, dass der erste Negroni mit dem ebenfalls kräuterbitteren aber nachtschwarzen Fernet-Branca als Zutat gemixt wurde? Und cleveres Marketing der Marke Campari die Rezeptur später kaperte? Was auch immer zur Entstehung des Negroni Cocktail beigetragen haben mag. Freuen wir uns über einen fantastischen Drink und die fantastischen Geschichten, die ihn umranken.

Dieser Artikel aus dem Jahr 2015 wurde zuletzt im Januar 2023 aktualisiert.  

Credits

Foto: Hannes Häfner

Comments (2)

  • JGatsby

    Das Rückgrat dieses Cocktails ist der Bitter-Likör und dementsprechend bestimmt er, wieviel Nuancen und Komplexität der Drink hat. Campari ist nicht schlecht, kommt aber etwas zu grobschlächtig und dominant daher. Wenn man den Anteil etwas verringert, gelingen durchaus gute Negronis.

    Mehr Finesse haben Alternativen, die die anderen Zutaten besser tragen und nicht erdrücken, wie Mondino (Enzian und mehr Süße) oder LUXARDO BITTER BIANCO (herb & süß). Dann kann man mit dem Vermouth besser variieren und er kommt zur Geltung: Punt e Mes für herb oder 1757, Masccaró für Kirsch-Süße, Antics Formula für Vanille usw. Dementsprechend fügen sich auch die Spirituosen ein: Rye oder Bourbon liefern einen geschmeidigen Boulevardier und Tanqueray… ja Tanqueray bringt eins: „Yummy, that’s a crisp drink,“

    reply

Kommentieren