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Die Bar Lovis ist Teil des Restaurant Lovis, aber auch eigenständige Bar

In der Berliner Bar Lovis geht es um elegante Zurückhaltung – und um das große Fallenlassen

Ein Ort, wo sich eine halbe Stunde anfühlen kann wie vier und vier Stunden wie eine halbe. Das möchte Nils Lutterbach mit seiner Bar Lovis schaffen. Die Bar teilt sich sowohl den Namen als auch die Räumlichkeiten mit dem Restaurant von Sophia Rudolph, untergebracht in einem zum Hotel umfunktionierten, ehemaligen Frauengefängnis. Zu Besuch in einem Rückszugsort der besonderen Sorte.

Der Weg in das Lovis führt die Kantstraße im westlichen Stadtteil Charlottenburg hoch, und es bedarf zweier Google Maps-Checks, ob hier jetzt wirklich gleich an der nächsten Ecke ein Frauengefängnis kommt.

Ja, das tut es, denn das Hotel Wilmina thront zwar als Teil eines denkmalgeschützten Ensembles aus dem 19. Jahrhunderts an und über der geschäftigen Straße, ist dabei aber zurückhaltend in das Straßenbild eingegliedert. Das kommt nicht von ungefähr: Die Gebäude des Gefängnisses wurden mit viel Feingefühl von Grüntuch Ernst Architekten zu einem kontemplativen Rückzugsort transformiert, der nicht ins Auge springen möchte.

Vorbei an der Lovis auf dem Weg ins Lovis

Neben 44 Zimmern und Suiten, einer Dachterrasse, Bibliothek und Spa bilden auch das Restaurant Lovis sowie die Bar Lovis einen zentralen Kern der neuen Ausrichtung. Die erste Annäherung als Gast erfolgt via Klingel – beste Voraussetzungen also für ein Speakeasy Konzept für Nicht-Hotelgäste. Diese Klingel trennt die Kantstraße von zwei grünen Innenhöfen voller Ruhe.

Während das Hotel im April 2022 eröffnet wurde, ist die Lovis Bar nach einigen Wochen des Soft Openings erst per Januar 2023 so richtig am Start. Die Bar an sich ist schon durch ihre Räumlichkeit ungewöhnlich, denn sie ist der Durchgang für alle Gäste auf dem Weg ins Restaurant – ein Umstand, der Bar und Restaurant eng miteinander verzahnt. Das sei absolut Teil des Konzepts, erklärt Barchef Nils Lutterbach: „Mit Küchenchefin Sophia Rudolph (früher u.a. Rutz und Panama, Anm.d.Red.) war ich mir von Anfang an einig, welche Art Bars wir mögen und in welche Richtung die Lovis Bar gehen soll. Ich spiegele, was im Restaurant passiert, aber ich kopiere es nicht. Es ist uns wichtig, dass die Bar ein autarker Ort ist, der parallel zum Restaurant existiert.“

Der Raum selbst mag mit seinen weißen Wänden und den abstrakten Wandmalereien des Pariser Künstlers Laurent Ajina auf den ersten Blick kühl wirken, er verändert sich jedoch, sobald der erste Tisch besetzt ist. Jedes Element in der Lovis symbolisiert, worauf der Barchef großen Wert legt: elegante Zurückhaltung. So auch das Rückbuffet, das mit einer Vielzahl brauner, namenloser Flaschen bestückt ist. Manche Gäste dachten schon, das Ganze sei nur Deko – falsch. Nils Lutterbach füllt alle Spirituosen, mit denen er arbeitet, in braune Apothekenflaschen ab.

„Ich habe mich bewusst gegen ein opulentes Rückbuffet entschieden, denn ich möchte, dass wir über Geschmack reden und nicht darüber, welche Marke in welcher Flasche drin ist. Das können die Gäste alles erfahren, klar, aber es ist keine Sipping Bar, sondern eine Cocktailbar. Hier soll es darum gehen, sich unvoreingenommen einem Drink zu nähern, zu dem ich etwas erzähle. Die Karte ist so gestaltet, dass die Bestellung etwas Spielerisches hat. Sie soll aufzeigen, welche Möglichkeiten in den einzelnen Drinks liegen.“ Bei den Hotelgästen, die in der soften Eröffnungsphase am Tresen saßen, kam das bislang gut an.

Bar Lovis

Kantstraße 79
10627 Berlin

Di - Sa 18 - 1 Uhr

Sellerie, Kräuter, Erde

Die Karte an sich offenbart auf zwei Seiten eine Art Koordinatensystem (der Drinks) ohne Namen, dafür aber mit Zahlen und jeweils drei beschreibenden Worten. Zwischen trocken und süß und leicht und kräftig werden die Gäste ihre Drinks finden. So kommt Nils den Gästen entgegen „Damit kann man auch umgehen, wenn man sich vielleicht nicht so gut mit Cocktails auskennt. Und darum ging es mir: Ich möchte sowohl die Restaurant- und Hotelgäste abholen, aber auch alle, die nach interessanten Bars suchen. Ich rate den Gästen: Nehmt den ersten Drink, den ihr vom Bauchgefühl her nehmen wollt.“

Die Drinks werden oft und saisonal wechseln, immer wieder sollen die Zahlen auf der Karte ausgetauscht werden. „Das System dahinter ist so banal wie nur möglich: Sie sind nummeriert nach der Reihenfolge, in der ich sie kreiert habe. Ich verzichte absichtlich auf den Namen für Drinks, denn ein Name ist im weitesten Sinne auch Marketing – und wenn ich den weglasse, dann kann ich den Fokus noch einmal mehr auf den Geschmack lenken.“

Nils Lutterbach lenkt die konzeptionellen Geschicke der Bar Lovis
Nils Lutterbach lenkt die konzeptionellen Geschicke der Bar Lovis
Die Cocktails wechseln häufig und saisonal – und kommen ohne Namen aus

Sich dem alkoholfreien Thema mit Respekt nähern

Die Weine und Biere sind noch recht zurückhaltend vertreten auf der Karte, aber auch hier spielt das enge Miteinander zwischen Bar und Restaurant eine große Rolle. „Ich habe nur eine kleine Auswahl an Weinen, aber zwanzig Meter weiter habe ich einen Sommelier mit einer exzellenten Weinkarte. An ihn verweise ich auch gerne weiter für Beratung.“ Perspektivisch soll die Zusammenarbeit noch enger werden, denn 2023 soll es Barfood aus dem Restaurant geben – und Cocktails wiederum im Restaurant.

Auch alkoholfreies Pairing steht im Raum: „Vor dem Thema Alkoholfrei habe ich großen Respekt, denn dafür muss man viele Dinge neu denken. Die klassischen Strukturen funktionieren da nicht.“ Neue Drinks-Kreationen probieren auch der Sommelier sowie die Chefköchin, und das kommt den Cocktails nur zugute. „Das ist ein viel breiteres Spektrum an Aromenwahrnehmung, und das sorgt für meiner Meinung nach ausgefeilteren Drinks“, sagt Nils über den Entstehungsprozess.

Grundsätzlich geht es Nils um das Fallen-Lassen, das Genießen, um die gute Zeit. Selbstgemacht gibt es Cordials, Infusionen, Fatwashing bis molkeähnliche Cocktailingredienzien. Was im Restaurant keine Verwendung findet, taucht eventuell wieder in der Bar auf und andersherum. Gerade spielen die übrig gebliebenen Zwetschgenkerne eine Rolle in den Drinks.

Aus Hannover nach Berlin

Seinen Anfang in der Gastronomie nahm Nils Lutterbach in Hannover. Und das ganz klassisch als Student (Architektur) mit Nebenjob in der Gastro. Irgendwann kam die Idee, eine eigene Bar auf zu machen. Durch die Einsicht, dass die Vorerfahrung vielleicht nicht dafür reichte, schmiss Nils sein Studium, um Vollzeit in einer Bar zu arbeiten und zu lernen. Nach der Lieblingsbar (für die Feinheiten) und der Casino Bar (fürs High Volume) war die letzte Etappe in Hannover die Probierbar, bevor es schließlich nach Berlin ging. Zwei Jahre im Galander Kreuzberg haben ihm als Einstieg in Berlins Barwelt gedient, bevor er schließlich an das Lovis kam – ein spannender Schritt mit einer klaren Vision.

„In einer guten Bar verläuft Zeit immer anders. Eine Bar, wo ich mich fallen lassen kann, wo Zeit anders funktioniert. Das möchte ich hier auch schaffen.“ Um das zu erreichen, brauche es keinen großen Namen, einzig einen Ort. Aber auch hier geht es um Understatement. „Am Ende ist das unser Ziel. Es geht um ein guten Dink, ein gutes Gericht und eine gute Zeit. Wie wir das Ende gemacht haben, erzähle ich gerne, aber wenn es dich nicht interessiert: genieß deine Zeit“, fasst Nils das Konzept der beiden Lovis zusammen.

Bewusste Zurückhaltung eben.

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