Kolumne Theken & Marken: Wie vertragen sich Alkohol und Cannabis auf der Flasche?
Täglich begegnen uns Marken in der Barkultur, monatlich sucht Kommunikationsdesigner Iven Sohmann das Gespräch. Was uns Leuchtreklamen, Produktverpackungen oder gar Getränkekarten zu erzählen haben, analysiert diese Kolumne. Heute mit einer Frage, die unser Autor in seiner Jugend ganz sicher anders beantwortet hätte: Wie vertragen sich Alkohol und Cannabis?
„Nein!“ Die Antwort auf die Frage, wie sich Alkohol und Cannabis vertragen, lautet schlicht und einfach: „Nein!“ – zumindest, wenn ich vor 15 Jahren danach gefragt worden wäre. Abseits des Mischkonsums hat sich mittlerweile jedoch einiges getan. Vor allem die Legalisierungswelle in Nordamerika hat die Kulturpflanze auch hierzulande (wieder) salon- und somit verkaufsfähig gemacht. Weit über Headshops und Textilgeschäfte hinaus sind hanfhaltige Produkte heute vom Kiosk über den Frisiersalon bis in die drögesten Drogerieketten verbreitet. Darunter finden sich neben naheliegenden Samen und Ölen unter anderem Kaugummis, Shampoos und Hundeleckerlis.
Legal, illegal, ins Regal!
Für alle Cannabiserzeugnisse auf dem deutschen Markt gilt allerdings, dass der Gehalt von Tetrahydrocannabinol (THC) die gesetzlich geltende Grenze von 0,2 Prozent nicht überschreiten darf. Hierdurch wird sichergestellt, dass das ebenso enthaltene Cannabidiol (CBD) die psychotropen Effekte des THCs stets neutralisiert. Oft genug sind aber beide Cannabinoide nicht in nennenswerter Dosis vertreten, weder das erhighternde THC noch das entspannende CBD – eine Darstellung, die die komplexe Wirkweise von Cannabis übrigens stark vereinfacht. Die beiden Zugpferde sind schließlich nur zwei von über 100 Wirkstoffen der Hanfpflanze.
Auch auf dem Getränkemarkt hat das Superfood in den letzten Jahren zahlreiche Produktinnovationen hervorgebracht. Der spanische CannaWine bringt Trauben und CBD-Blüten zusammen, in Großbritannien launcht der Muhu Gin mit den beruhigenden Botanicals und die kalifornische Kreativbrauerei Lagunitas experimentiert unter dem Namen „Hi-Fi Hops“ mit THC-reichem „Hoppy Sparkling Water“. Dazu gesellen sich Tees, Kaffees, Limonaden, Filler und Energy Drinks sowie weitere Weine, Biere und Spirituosen. Wer kann, der Cann. In Deutschland führen unterschiedliche Rechtsauffassungen hinsichtlich der Verkehrsfähigkeit von CBD jedoch dazu, dass hier vorrangig mit den Terpenen, also den Geruchs- und Geschmacksstoffen des Hanfes, und den ätherischen Ölen gearbeitet wird. Die Markenauftritte hingegen suggerieren meist mehr.
Schall und Rausch
Um für zweifelhaften Shelf Impact zu sorgen, ist vielen herstellenden Unternehmen kein Kiffklischee zu schade. Da werden Stencil-Schriften für die militärische Frachtkennzeichnung, Flower-Power-Ästhetik und panafrikanische Farben vermischt, als ob es den History Channel nie gegeben hätte. Und wenn nicht gar das ganze Getränk in grellem Giftgrün erstrahlt, dann zumindest das überlebensgroße Cannabisblatt auf dessen Verpackungsfront. Frei nach dem Motto: Je weniger Wirkung, desto mehr Folklore. Echte Innovation sieht anders aus. In diesem Zusammenhang bleibt auch zu hoffen, dass der Cannabis-Likör von Kuemmerling wirklich nur ein Aprilscherz und nicht gleichzeitig ein Testballon war. Pot bewahre!
Dabei ist gegen eine subtile oder ungesehene Einbindung der Pflanze im Packaging Design selbstverständlich nichts zu einwenden, zumal das Cannabisblatt durchaus ikonische Qualitäten hat. Es darf sich aber gerne leckerer präsentieren als auf von Sicherheitsnadeln und Band Patches dekorierten Armeerucksäcken, die krakelig (aber zu Recht) „Legalize it!“ fordern. Dass es auch hierzulande ohne Effekthascherei geht, beweisen beispielsweise das Legend Has it-Pils von BRLO und der Bio Cannabis Drink von JAMU. Während Erstere auf ihrem Etikett eine asymmetrische Leuchtschild-Komposition inszenieren, lassen Letztere ihre Zutaten in einer diffusen Illustrations-Bubble wabern. Hinzu kommt, dass beide Produktnamen erfreulicherweise keines der unzähligen Cannabissynonyme verballhornen, wie es in dem Segment leider selbst erschöpfende Praxis ist.
Cannabis, Flasche & Design: Weg vom Gag!
Die seit Tausenden von Jahren kultivierte Hanfpflanze hat jedenfalls mehr verdient als Kiffi-Kiffi-Humor in stumpfer Stonerstilistik. So bringen einem Bottled Cocktails von Proposition im Signpainter-Gewand zum Beispiel den liberalen Lifestyle San Franciscos näher: ein bisschen Sonne, ein bisschen Retro, viel Laissez-faire. Die CBD-Limonade Fountain aus New York lässt indes Regenbögen plätschern und feiert auf Instagram die Staaten, in denen Hanf und Früchte fließen. Und da es sich schließlich um ein erklärungsbedürftiges Produkt handelt, stellt der bereits erwähnte CannaWine aus Katalonien die Strukturformel von CBD als Keyvisual bereit – ohne weitere Chemie, versteht sich!
Darüber hinaus: Warum die Pflanze auf dem Etikett nicht mal mit dem Mikroskop beäugen, wenn es Berührungsängste abzubauen gilt? Warum nicht einen Stammbaum zeigen, wenn die Hanf- und Hopfenfamilie in einem Bier wiedervereint wird? Warum CBD-Drinks nicht als Elixier stilisieren, wenn viele positive Wirkungen doch bereits bewiesen sind? Es muss (und soll) ja nicht gleich als Wundermittel vermarktet werden. Oder sind die Apothekerflaschen alle für Gin reserviert? Alternativ könnten auch Aromawolken, Banknoten aus Hanfpapier, das zentrale Nervensystem, hanfhaltige Blumensträuße oder aufrichtiger Aktivismus als Inspirationsquelle dienen. Nicht nur high, sondern auch frei. Das wär doch was, oder?
Was kommt, das kommt
Obgleich wir in Zukunft wohl kein alkohol- und (!) THC-reiches Produkt auf dem Markt sehen werden, weil sich diese beiden Wirkstoffe in der Tat nicht gut vertragen, schließen sich Barkultur und Cannabis keinesfalls aus. Alkohol mit CBD, CBD ohne Alkohol, THC ohne Alkohol, Alkohol mit Hanfauszug aber ohne THC und CBD et cetera pp. Anders als beim eingangs erwähnten Mischkonsum, muss ich mich hierfür nicht allzu weit aus dem (Küchen-)Fenster lehnen: Die vollständige Legalisierung von Cannabis in Deutschland kommt. Die Frage ist nur, wann? Ich bin überzeugt, dass cannabishaltige Getränke mit ihrem Design und ihrer Markenkommunikation den dafür nötigen Imagewandel weiter beschleunigen, aber auch wieder verlangsamen können. Also bitte, bewusst genießen und bewusst gestalten!
Credits
Foto: Mr. Fred