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„Liquid Market“ im Hotel: Bert Jachmann im Interview über die Neuausrichtung seines Cocktailfestivals

Bars darben, Events sind verboten. Wie geht es da einem, der von Bar-Events lebt? Bert Jachmann, Macher des „Liquid Market“, weicht mit seinem Cocktailfestival in ein Hotel aus. Im MIXOLOGY-Interview spricht er darüber, wie es zu dem mutigen Schritt seiner „MiniBar-Edition“ kam – und ruft Aktionismus als Gebot der Stunde aus.

Anmerkung: Dieses Interview entspricht nicht mehr dem tagesaktuellen Stand. Per 23. Juli wurde verkündet, dass das Liquid Market Festival im Garten des Sophien-Spitals als Open Air stattfinden wird. Mehr Information auf der Website Liquid Market.

MIXOLOGY: Der „Liquid Market“ findet in diesem Jahr als „MiniBar Edition“, namentlich passend zur Hotel-Location im „Andaz“, statt. Wie klein ist „Mini“ wirklich?

Bert Jachmann: So klein tatsächlich gar nicht. Der Name bezieht sich eher auf die Idee, aus Hotelzimmern wirkliche kleine Bars zu machen, also die Erweiterung der klassischen Mini-Bar. Wir hatten ursprünglich für den normalen Event im Volksgarten geplant, die Area abermals zu vergrößern und zudem auch beim Eingang die Situation zu verbessern. Schließlich haben wir in Summe mit 6.000 Besuchern an den drei Tagen gerechnet. Jetzt sind wir ungefähr bei etwas mehr als der Hälfte, denn unser Sicherheitskonzept für das Hotel „Andaz Vienna Am Belvedere“ lässt 1.200 Besucher pro Tag zu, weil wir ja doch viele Flächen bespielen. Das sind aber nicht nur die einzelnen Suiten auf sechs von 15 Etagen, sondern auch der Bankett-Bereich, die Terrasse und der Restaurant-Bereich in der Lobby.

»Warten auf den Normalzustand war für uns keine Option mehr. «

— Bert Jachmann

MIXOLOGY: Wie kam es zu dieser kurzfristigen Event-Idee, nachdem schon die Absage – wie auch in Linz, München und Berlin – im Raum stand?

Bert Jachmann: Zu mir kam Anfang Mai der Bartender Kevin Koster aus dem „Kleinod“, der ja sehr lang im Hotel gearbeitet hat und der gemeint hat: „Noch schwerwiegender als die Bars hat Corona die Hotellerie getroffen, die gar keine Perspektive zum Aufsperren hatte.“ Und als Eventveranstalter saßen wir da irgendwie im selben Boot, weil es auch für uns keine Planungssicherheit für Veranstaltungen wie in normalen Zeiten gab und gibt. So entstand die Idee, hier gemeinsam etwas zu machen. Konkret wollten wir ein Konzept fahren, das in jedem Fall genehmigungsfähig ist, weil es die strengen Standards erfüllt, wie Sicherheitsabstände, zugewiesene Sitzplätze und so weiter. Warten auf den Normalzustand war für uns keine Option mehr.

Da die Hotels ja auch großteils noch nicht ausgelastet sind, verwandeln wir die Zimmer in Bars, in denen dann die Besucher in kleinen Gruppen mit einer Time-Slot-Regelung verkosten können. Wir haben uns an der Tisch-Regelung für Restaurants orientiert. Je nach Größe des Zimmers oder der Suite können dann zwischen 6 und 20 Gäste gleichzeitig in den Raum. Das kleinste Zimmer hat 30m² und die größte Suite 200m². Also im Grunde eine phantastische Idee, für die wir uns nur noch einen Partner suchen mussten, der das Konzept auch versteht. Am Anfang haben wir zwei Hotels angefragt, wo das nicht der Fall war…

MIXOLOGY: Dabei profitiert die Location ja durchaus auch von euch?

Bert Jachmann: Mit dem „Andaz“ am Belvedere haben wir dann unsere Partner gefunden, die auch Bock darauf hatten. Und klar ist es ja auch ein wechselseitiger Vorteil: Wir zahlen zum einen Miete, zum anderen haben sie das Argument, in einer Zeit, in er alle etwas bieten wollen, um Gäste anzuziehen, das erste große Event dieses Sommers im Haus zu haben. Abgesehen davon belegen wir ja nicht so viele Zimmer. Das heißt, dass auch etliche Aussteller und Partner hier nächtigen werden – selbst von Besuchern habe ich bereits Anfragen, die das gerne nutzen wollen. Angenehmer kann man es ja kaum haben: Man fällt ins Bett und bekommt am nächsten Morgen noch ein feines Frühstück.

»Wir versuchen halt, den Event irgendwie in den positiven Bereich zu schubsen. «

— Bert Jachmann

Ausweichplan trifft Aktionismus: Bert Jachmann geht mit dem Liquid Market ins Hotel

MIXOLOGY: Dein Event lebt ja stark von den Sponsoren der Bars aus der Getränkeindustrie. Wie ist deren Support in Zeiten eingefrorener Budgets gewesen?

Bert Jachmann: Wir haben aktuell das Gefühl, dass sich alle freuen, dass wieder etwas stattfindet. Weil es gab ja lange keine Events, Messen oder ähnliches, wo man sich präsentieren konnte. Dann kommt aber oft der zweite Satz: „Aber bei uns sind leider noch viele in Kurzarbeit“. Dann sagen wieder einige, es sind alle Marketing-Budgets bis Ende Juni eingefroren. Und da folgt das nächste Aber – weil eigentlich wollen schon die meisten mitmachen. Das bestätigt zwar das Standing, das wir uns in den letzten Jahren geschaffen haben. Aber es wird sportlich, die Kosten decken zu können. Denn wir haben auch einen weitaus höheren Personalaufwand. Ungefähr 80 Mitarbeiter werden für ein funktionierendes Sicherheits-Konzept und den gewohnt guten Service sorgen. Und das bei reduzierten Besucherzahlen! Daher mussten wir letztlich auch den Ticket-Preis erhöhen. Aber jeder Besucher bekommt schließlich auch einen wirklich exklusiven Event geboten. Wir versuchen halt, den Event irgendwie in den positiven Bereich zu schubsen. Bislang hat der „Liquid Market“ ja noch kein Geld verdient, da wir in den vier Jahren sehr stark auf Wachstum gesetzt haben und entsprechend viel ins Marketing und die perfekte Abwicklung investiert haben.

Wir haben auch in diesem Jahr wieder viel in die Weiterentwicklung investiert. Zum Beispiel in unsere App, die ab sofort als Tool für alle Besucher dient und heuer das gedruckte Booklet ersetzt. Da gibt es für jeden Raum einen QR-Code und dann wird dir angezeigt: Welche Bar ist das, wer steht dahinter und welche Drinks mit welchen Produkten werden angeboten. Und man kann letztere auch gleich bestellen. Das schließt eine bisher bestehende Lücke, wo es aufgrund der Menge an Bars und Partnern bislang vielleicht an Übersichtlichkeit gefehlt hat. Somit sind wir aber auch spannend für kleine Manufakturen und Brands, die vielleicht noch gar keinen Vertriebskanal haben. Wir können jetzt auch noch viel spontaner reagieren, weil wir noch kurzfristig neue Partner und Bars in dieses System integrieren können. Also, wenn kurz entschlossene Firmen erst durch die Pressearbeit auf uns aufmerksam werden, dann können sie da noch mitmachen.

»Ich denke, es ist jetzt vielen in der Industrie noch mal mehr bewusst geworden, wie wichtig der Draht zu den Gästen vor der Bar, den eigentlichen Endkunden, ist. «

— Bert Jachmann

MIXOLOGY: Das klingt, als sähst Du auch Vorteile durch das erzwungene Schrumpfen auf die „Mini-Bar“?

Bert Jachmann: In den einzelnen Räumen kann man sich als Bar individuell inszenieren, um neue Gäste zu gewinnen. Man kann hier perfekt die Stimmung erzeugen, die man möchte, eben auch mit eigener Musik. Da hast Du dann das persönliche Setting, wo auch etwas hängen bleibt; wo man besonders sympathische Gäste auch in die Bars einladen kann, vielleicht einen Gutschein überreicht für den ersten Drink, aber auch umgekehrt für die Gäste: Wenn sie das Gefühl haben, das war nett, dann finden sie über die App auch alles zu der entsprechenden Bar und natürlich auch die schnellste Route dorthin. Und das stärkt wiederum auch die Partner in der Getränkeindustrie.

Ich denke, es ist jetzt vielen in der Industrie noch mal mehr bewusst geworden, wie wichtig der Draht zu den Gästen vor der Bar, den eigentlichen Endkunden, ist. Beim Liquid Market standen sie schon immer auch im Mittelpunkt aller Überlegungen. Und über das neue persönlichere Setting des Liquid Market im Hotel kann ich sie noch mal besser erreichen und tatsächlich auch einiges über die Produkte vermitteln. Wir überlegen, unser Konzept für weitere Events zu überarbeiten, weil diese ‚neue Intimität‘ alle gut finden.

MIXOLOGY: Womit wir auch bei den Stammbesuchern wären, die ja teils schon vor längerer Zeit ihre Tickets gekauft hatten. Wie reagieren die? Panikstornos? Solidarität?

Bert Jachmann: Da auch wirklich jede Mail mit Storno-Anfragen bei mir ankam, dachte ich natürlich bei jeder einzelnen: „Verdammt, muss das sein?“ Aber in Summe waren es dann doch wenig. Also wir hatten Anfang März bereits rund 650 Vorverkaufskarten verkauft und bislang haben mir vielleicht 20 Personen mitgeteilt, dass sie den Termin jetzt nicht wahrnehmen können. In jedem Fall kann man die gekauften Karten auf den neuen Event umbuchen, oder sich einen Gutschein für kommende Events bis Ende 2022 holen. Also, wer vergangenen Oktober im ersten „Super Early Bird“-Verkauf bereits um 34 Euro ein Ticket gekauft hat, kann jetzt ohne Aufpreis dabei sein, wo die Tages-Karte 85 Euro kostet.

»Es gibt die Überlegung: Wenn der Liquid Marekt im Hotel funktioniert, dann lass uns in diesem Jahr doch noch was in Deutschland machen. Ziemlich konkret in Berlin.«

— Bert Jachmann

MIXOLOGY: Du wirst ja auch die weitgehend wettbewerbslose Zeit für die Bar-Community beenden, indem das Finale des Tiki-Matchs (veranstaltet von „Oldjudge Falernum“, Anm. d. Red.) stattfindet …

Bert Jachmann: Ja, die Hotel-Terrasse wird sich in eine Bühne verwandeln mit einer Demonstration Bar, Südesse-Feeling samt Band. Die zwei Vorausscheidungen für Österreich und Deutschland finden am 4. und 5. August in der Campari Bar statt, das Finale dann am 6. August, dem ersten Event-Tag der „Mini-Bar“ im Hotel Andaz: Neben einem Corn n’Oil-Speed-Bewerb wird auch eine Tiki-Punchbowl von der Jury bewertet. Wie es Markus Altrichter formuliert hat, sind „Kreativität, Showeffekte und tropischer Firlefanz ein Muss“ – und Eskapismus können wir aktuell wohl alle brauchen! Teilnehmer können sich per E-Mail direkt unter [email protected] anmelden.

MIXOLOGY: Der Veranstaltungsort Wien ist sozusagen gerettet für dieses Jahr, aber eigentlich sollte 2020 ja auch das Jahr der Expansion des Liquid Market“in der GSA-Region sein. Wie sieht es da für die Zukunft aus?

Bert Jachmann: Tja, das war ein denkbar schlechtes Timing. Aber mit dem neuen Konzept gibt es nun die Überlegung: Wenn das funktioniert, dann lass uns in diesem Jahr doch noch was in Deutschland machen. Ziemlich konkret in Berlin, wo unser Partner Kai Wolschke von der „Goldfisch Bar“ ist, führen wir gerade Gespräche mit Hotels. Auch in München hat uns ein Hotel angefragt und signalisiert, dass es Interesse hätte. Wir werden das zwar in Deutschland vielleicht noch nicht so groß machen wie in Wien, wo der Liquid Market ja schon einen hohen Bekanntheitsgrad hat, aber als erster Schritt in den Markt wäre es nach wie vor wichtig für uns. Auch die Schweiz war schon länger bei uns am Schirm. Und die App ist da auch ein Schritt für die Vernetzung der gehobenen Barkultur. Da kommt noch einiges, was wir für die nächsten Jahre geplant hatten. Aber nun reden wir in Monaten. Das ist jetzt doch alles schnell gegangen, auch durch Corona, wo wir gesehen haben, man muss schnell agieren.

»Wir machen jede Woche eine Analyse. Das würde ich auch jedem empfehlen.«

— Andreas Schöler

MIXOLOGY: Persönlich stellt sich natürlich die Frage nach der wirtschaftlichen Seite – seit Du hauptberuflich den Liquid Market machst. Hast Du nie ein Comeback an der Bar überlegt in der aktuellen Situation?

Bert Jachmann: Ja, tatsächlich habe ich schon überlegt, denn der Business Plan war ja vor dem 15. März doch ein anderer. In dieser Phase habe ich halt immer alles re-investiert und auch viel vorfinanziert: Konkret beispielsweise die Reisen zu den Locations in Berlin und München, ein neues großes Büro mit Lager, aber auch die Entwicklung der App – und plötzlich sackt dir alles auf Null. Auch in den anderen Bereichen, in denen ich tätig bin: Consulting, Catering, Indoor-Farming. Dann denkst Du Dir: Verdammt, was mache ich jetzt? Solange du allein bist, ist das ja nicht so ein Problem. Da kannst du in letzter Instanz auch ein Jahr zu Muttern ziehen und fährst komplett auf Sparflamme. Aber mit einer Familie geht das natürlich nicht mehr.

Wir arbeiten daher hart an vielen Ideen und Fronten parallel, wo vieles noch nicht spruchreif ist und man auch nicht wirklich weiß, ob am Ende etwas dabei rausschaut. Aber Aktionismus ist das Gebot der Stunde. Und natürlich sollte man das, was man kann, auch nützen. Und klar habe ich überlegt, etwa im Catering-Bereich mehr zu machen. Das kann man sicher noch forcieren. Und so langsam, nach zwei Jahren, in denen ich nicht dauerhaft an der Bar gestanden bin, kann ich mir sowas aber auch schon wieder vorstellen.

MIXOLOGY: Danke, lieber Bert, wir sehen uns dann an der Mini-Bar!

LIQUID MARKET VIENNA – COCKTAIL FESTIVAL
MiniBar Edition im Lifestyle-Hotel Andaz

6. bis 8. August 2020, jeweils 14-23 Uhr
(Pre-Opening am 6.8.: 12:00 – 14:00 Uhr für Fachbesucher);
Tickets unter www.ntry.at/liquidmarket
Andaz Vienna am Belvedere
Arsenalstraße 10, A-1100 Wien
www.liquidmarket.bar

Credits

Foto: Liquid Market

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