ZWISCHEN ETIKETT UND ETIKETTE: CHAMPAGNER UND DAS WEIHNACHTSGESCHÄFT
In Frankreich braucht man keinen besonderen Anlass für Champagner, wohl aber in Deutschland oder Österreich. Wie passend, dass gerade Weihnachten vor der Tür steht. Dann hat das französische Nationalgut nämlich Hochsaison. Eine entscheidende Rolle beim Kauf und Genuss des komplexen Perlweins spielen Etikett und Prestige. Warum aber ist das so?
Champagner steht für Eleganz, einzigartigen Genuss, Vergnügen, Luxus und Lebensfreude. Im letzten Quartal des Jahres wird es um das französische Aushängeschild emsig geschäftig. Rechtzeitig zu Beginn des Weihnachtsgeschäftes leuchten sie daher in den Supermarkt- und neuerdings auch Discounter-Regalen: Die als Sondereditionen vermarkteten Bouteillen traditionsreicher und mythosumworbener Häuser der französischen Elitewinzer.
Es funkelt, schimmert in Gold, Silber und Rosé. Die „Bursting Bubbles-Kollektion“ von Moët & Chandon bildet auf Flasche und Verpackung eine Feuerwerks-Explosion ab, um Festtagsstimmung zu verströmen. Das Maison Veuve Clicquot widmet sich in seiner diesjährigen Ausgabe dem Thema Reisen und verziert die in unverkennbar gelb gehaltene Box mit Polaroid-Schnappschüssen, welche die Namen beliebter Großstädte in Silber tragen. Die Marke Dom Pérignon – als Unterlabel von Moët ebenfalls Teil des LVMH-Konzerns – ließ den deutschen Konzeptkünstler Michael Riedel für den Etikett- und Verpackungsentwurf des Dom Pérignon Vintage 2006 und den Dom Pérignon Rosé Vintage 2004 ans Werk.
JEDE ZWEITE FLASCHE EIN GESCHENK
„Weihnachten ist natürlich die Zeit des Champagners – zum Verschenken wie auch zum Genießen. In Deutschland wird allein im Dezember gut ein Drittel des Champagnerumsatzes generiert“, prickelt es aus dem Hause Moët Hennessy Deutschland. Fluch und Segen zugleich, meint Christian Josephi vom Bureau du Champagne für Österreich und Deutschland, „rund 30 Prozent des Jahresabsatzes finden im November und Dezember statt. Das ist organisatorisch und logistisch schwierig, obwohl es gleichzeitig schön ist, dass zum Jahreswechsel und an Weihnachten für viele Konsumenten Champagner einfach zum großen Genuss dazu gehört, gewissermaßen der einzig denkbare Wein für festliche Anlässe ist.“
Etikett und Verpackung erhöhen den Wiedererkennungswert einer Marke, beleuchten die Qualität, Herkunft und Jahrgang, unterstreichen das Image und wecken mit dem Produkt verbundene Emotionen, Erinnerungen. Daher wird gerade im saisonalen Weihnachtsgeschäft kreativ und anlassbezogen nachpoliert. Beinahe jede zweite Flasche werde als Geschenk vergeben, und das Luxusprodukt wird zum Prestigeobjekt. „Der Beschenkte weiß um den Wert eines Markenchampagners und erfährt dadurch Wertschätzung“, erklärt Josephi.
SPRACHBARRIEREN UND SCHAUMWEINSTEUER
Rund 70 Prozent des Marktanteils von Champagner werden von rund 300 Häusern, die restlichen 30 Prozent von selbst vermarktenden Winzern und rund 39 Genossenschaften hergestellt. Während aber Champagner-Häuser im Export einen Marktanteil von 90 Prozent erreichen, beträgt der Exportanteil der Winzer und Genossenschaften die restlichen zehn Prozent.
Die Markterschließung für selbst vermarktende Winzer gestaltet sich wegen Sprachbarrieren, Exporthemmnissen oder auch der Schaumweinsteuer außerhalb der Landesgrenzen schwierig. Die von Einkaufsketten erwartete Produktionsmenge sei oft zu gering, „um für große Handelsorganisationen von bedeutendem Interesse zu sein“, sagt Christian Josephi und meint weiter: „Große Häuser haben zudem mehr Möglichkeiten, auf Reserveweine und stilistisch selektierte Grundweine zuzugreifen, durch welche eine große Komplexität im Wein und ein sehr beständiger Stil erreicht werden kann.“
Die Perlweine kleinerer, unbekannter Produzenten sind daher kaum in internationalen Lebensmittelketten, eher im Einzelhandel oder in gesonderten Weinhandlungen zu entdecken. Anders in Frankreich, wo die Supermarkt-Regalwelt für das Nationalgut aus der Champagne die vielfältige Bandbreite des französischen Terroirs widerspiegelt und ein anderes Preisniveau zulässt.
ETIKETT UND ETIKETTE
Während Frankreich die Hälfte seiner rund 312,5 Millionen Flaschen durch die Méthode champenoise und nach strengen Herstellungsgesetzen produzierten Schaumweine selbst verköstigt, braucht man hierzulande wohl eine exklusive Veranlassung für die prickelnde Angelegenheit. „In Deutschland ist Champagner ein anderes Ding als in Frankreich“, sagt Lukas Therre, der gemeinsam mit Ricardo Albrecht aus der Berliner Bar Immertreu „Therre und Albrecht“ lanciert, einen Exklusiv-Vertrieb für Winzerchampagner auf dem deutschen Markt.
„Meinem Bauchgefühl zufolge sind rund 95 Prozent der Champagner-Konsumenten Statustrinker, die über Etikett, Prestige und Preis, Image und Design zum richtigen Anlass kaufen“, findet Therre. Der Anreiz zum Kauf und Genuss des sagenhaften Perlweins sei hierzulande vorwiegend anlassbedingt. Flasche und Etikett spielen dabei eine wichtige, kaufentscheidende Rolle. Der Wein, sein aussagekräftiger Geschmack und seine persönliche Aromanote stünden dabei selten im Vordergrund. „Das Etablieren von Winzerchampagner ist daher durchaus noch ein langer Weg“, sagt Therre.
MYTHOS UND KENNER
Tatsächlich lässt sich die Genuss-Klientel von Champagner anhand von Verbraucherumfragen in zwei Gruppen mit sehr unterschiedlichen Erwartungshaltungen und Ansprüchen klassifizieren. „Wir sprechen einerseits von Mythos-Trinkern, andererseits von Weinkennern“, sagt Josephi und erklärt: „Während die Mythos-Trinker gerne in Gesellschaft genießen und prestigeträchtige Marken-Champagner bevorzugen, entdecken Weinkenner Champagner erst nach dem ,großen Roten’. Sie interessieren sich nicht für Labels, sondern für die Eigenständigkeit, Komplexität und Besonderheit des Produktes und sind auf der Suche nach Geheimtipps und Entdeckungen.“
Deutschland gilt als ausgeprägter Schaumwein-Markt. Rund 400 Millionen Flaschen aus der Heimat sowie anderen Nachbar- und Herkunftsländern werden hierzulande jährlich konsumiert, wobei der Anteil an französischem Champagner sich bei rund drei Prozent einpendelt. „Das liegt auch daran, dass der Preisabstand zwischen Champagner und Schaumwein in Deutschland und Österreich sehr groß ist“, erklärt Christian Josephi.
Konrad Friedemann von der Bijou Bar beobachtet ein gewachsenes Interesse für spezielle, regionale Schaumweine wie deutscheN Riesling-Sekt, aber auch Winzerchampagner, Produkte, die der Barchef auch in der Hotelbar anbietet. „Der Gast weiß mittlerweile, dass es mehr als Rotkäppchen gibt“, sieht Friedemann den heutigen Gast durchaus als wach und kritisch. Einen signifikanten Anstieg von Champagner-Konsum während der Weihnachtszeit kann er aber nicht feststellen. „Für Champagnerkonsum in einer Bar scheint nach wie vor ein besonderer Anlass nötig zu sein“, sagt Friedemann mit Blick auf das Berliner Publikum, denn in der als „arm, aber sexy“ bezeichneten Hauptstadt hafte dem französischen Schaumwein doch noch ein wenig Snobismus an. „In Städten wie München ist das vielleicht anders“.
Champagner scheint sich als Festtagsgetränk etabliert zu haben und besonderen Momenten vorbehalten zu sein. Diesen steht glücklicherweise bald nichts mehr im Wege, wenn es alle Jahre wieder sprudelt. Santé!
Credits
Foto: Foto via Shutterstock.
JGatsby
Jaja, das “Haus Dom Pérignon” muss wahrscheinlich erst gebaut werden. Ihr habt euch etwas in Marketing-Sprech verzettelt.
Dom Pérignon ist kein Haus oder Unternehmen, sondern ein Imprint von Moët & Chandon für hochpreisige Abfüllungen, für die sie 5 Mal mehr verlangen, weiter nichts.
Das sollte man bei einem fachlichen Blog eigentlich wissen…
Redaktion
Lieber Jgatsby,
herzlichen Dank für diesen sachlichen Hinweis. Die Formulierung im Text ist in der Tat unglücklich gewählt, allerdings ist uns schon klar, dass es sich bei der Marke Dom Pérignon um eine solche aus dem Hause LVMH handelt. Es ist beendruckend, wie schnell man dann als “unwissend” abqualifiziert wird, wenn man sich in der Einordnung verzettelt. Wir haben die Formulierung nun korrigiert.
Ich hoffe, unser “Blog” findet bei Dir nun mehr Anklang.
Grüße // NW