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Wohltemperierter Senf-Topf: Der AuGust Mule

Chili, Wasabi, Rettich – scharfe Zutaten verleihen Cocktails eine aromatische Zusatzkomponente. Wie man die richtige Dosierung eines Scharfmachers findet, zeigt David Bandaks Drink aus der Widder Bar.

Selbst in der Cocktail-Metropole London passiert es: Es gibt „Watercress Martini“, doch die Kresse fährt mit ihrer Schärfe brutal über den nicht eben sparsam dosierten Gin im Cocktail-Spitz gnadenlos drüber. Die Problematik mit scharfen Naturprodukten kennen auch Hobbyköche: Chili ist eben nicht Chili, Paprika enthält unterschiedlich viel „spicyness“ – so ist die Diva Natur eben, gebefreudig, aber launisch.

WER NUR NACH DEM WASSERSERVICE JAPST …

Die alten bulgarischen Jahrmarkt-Fahrer machten sich immer einen Spaß daraus, die Pfefferoni, die sie selbst essen, anders zu schneiden als jene für die plötzlich mit purem Feuer konfrontierten Verkoster am Marktstand. Für Drinks, die aber auf kontinuierlicher Qualität beruhen, erweist sich Schärfe als unsicherer Kantonist. Wer nur nach dem Wasserservice japst, wird keinen zweiten Cocktail mehr wollen. Insofern sind minimal invasive Techniken, etwa das Infusionieren fertiger Drinks mit einer angeschnittenen Chilischote oder Tabasco auf nur der Hälfte des Glasrands, mitunter die bessere Wahl.

Denn Schärfe an sich hat schon ihre Berechtigung, auch abseits der „Savoury“-Abteilung mit den diversen blutigen Caesars und Marys. Ihre Stunde schlägt dann, wenn die Balance zwischen Süße und Säure zwar stimmt, man aber einen gewissen Tiefgang vermisst. Denn nicht nur Umami „verlängert“ das Trinkerlebnis, auch die zarte Schärfe, wie man sie etwa von weißem Pfeffer kennt, bringt im Abgang noch Aroma mit. Das “Missing Link” für einige Rezepturen verhindert, dass man einen Cocktail als zu einfach oder leicht empfindet, die Schärfe gaukelt dem Gaumen quasi Cinemascope vor, wo doch nur der rote Regler hochgefahren wurde.

Womit wir bei David Bandaks Methode wären, die bewusst auch die Verwässerung des Drinks durch das Eis einbezieht. Der Schweizer, aufstrebende Nummer 2 hinter Dirk Hany in der Widder Bar, hat dem guten alten Mule einen weiteren Scharfmacher verordnet. Und der zeigt, wie richtige Dosierung dem Cocktail am Ende sogar zwei Gesichter verleiht. Zum Ginger Beer wird in seinem Rezept konsequenterweise auch Ginger-Senf addiert. „Die Idee dazu kam uns vor der Eröffnung des neuen Restaurants AuGust“, erinnert sich der 31-Jährige. Dann ging es recht schnell, so Bandak, „da sie mega-coole Senfgläser haben, wollten wir Senf als spezielle Schärfe benutzen“.

DAS GUTE INS TÖPFCHEN

Der ideale Geschmacksträger – süß und scharf zugleich – fand sich im Schweizer Ort Lachen, wo die „Delikatessen und Spezialitäten Imex AG“ unter anderem einen Tessiner Ingwersenf erzeugt. Im besagten Schwesterbetrieb der Hotelbar, dem Restaurant AuGust, entlieh man auch das Gebinde, in dem der ingwerscharfe Drink Bandaks gereicht wird. Das Senftöpfchen mit viel Eis sorgt nicht nur für eine lange Kühlung des Getränks, die Dilution bringt auch so etwas wie eine Faktorenzerlegung zu Stande: Anfangs stammt die Schärfe hauptsächlich aus dem Ginger Beer, mit mehr Schmelzwasser hält dann der Ingwer im Senf den Geschmack auf Kurs. Entsprechend wichtig für diese Metamorphose ist die Süße des Senfs – ist kein Ingwersenf zur Hand, empfiehlt man im Widder, Feigen-Senf zu nehmen.

Credits

Foto: Moscow Mule & Senf via Shutterstock. Post: Tim Klöcker.

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