Mixology Taste Forum Weißer Rum: Revolte Blanco an erster Stelle
Weißer Rum ist nach wie vor ein reines Mix-Produkt, das kaum pur serviert wird – im Gegensatz zu den Sitten der Erzeuger-Länder. Angesichts der steigenden Vielfalt der Kategorie muss auch weißer Rum immer präziser pur verkostet werden. Unser MIXOLOGY Taste Forum hat sich der spannenden Kategorie gewidmet – und einen Überraschungssieger ermittelt.
Weißer Rum hat eine lange Tradition. Immerhin ist jeder Rum zunächst weiß, wenn er aus der Destille kommt, und so wurde er auch schon immer genossen. Erst zum Lagern und Verschiffen füllte man Rum in Holzfässer, was nicht ohne Einfluss auf sein Aroma blieb.
Heute wird weißer Rum vor allem in kalten Mischgetränken wie Mojito oder Cuba Libre konsumiert. Für Kuba, Hersteller von milden, weißen Rumstilen, ist Deutschland neben Frankreich der wichtigste Absatzmarkt. Immerhin gibt es seit 1960 ein US-Embargo auf kubanische Güter.
Auch Bacardis Geschichte begann auf Kuba. Schon 1862 wurde die Firma vom Katalanen Facundo Bacardí i Massó in Santiago de Cuba gegründet. Man begann damit, Rum in mehreren Durchläufen in einer Pot Still zu destillieren und ihn ein paar Jahre in Holz zu lagern. Anschließend filtrierte man durch einen Kohlefilter – eine Neuerung: So konnte ein leichter Rum kreiert werden, der zwar wenig Schärfe und eine deutliche Holz-Aromatik mitbringt, dank Filtration aber das meiste seiner Farbe verliert. Der kubanische Rum-Stil war geboren.
Der Rum des kubanischen »Golden Age«
Auf Kuba selbst endete die Party 1960 mit der Enteignung sowohl von Bacardi als auch dem 1935 von der Arechabala-Familie gegründeten Havana Club. Die Firmen wurden verstaatlicht, beide Familien flohen in die USA. Heute ist Bacardi ein Konglomerat und der größte Spirituosenhersteller, der sich noch in Privatbesitz befindet. Havana Club gehört noch immer zu Cubaexport, das vom kubanischen Staat geführt wird.
Kubanischer Rum wurde durch seinen Erfolg zur Benchmark für viele Drinks mit weißem Rum, er ist jedoch bei Weitem nicht der einzige relevante Stil. Ungelagerter jamaikanischer Pot Still, Agricole Blanc, Rum Blends – weißer Rum ist nicht gleich weißer Rum. Im Allgemeinen ist Rum vermutlich die diverseste aller Spirituosen, selten gibt es in einer Kategorie ein so breites Aromenspektrum. Zurückzuführen ist das auf die vielfältigen Einflussfaktoren, die den Geschmack von Rum bestimmen. Lokale Regulierungen und Traditionen, eine Vielzahl an Destillationsstilen und Still-Konstruktionen, die sich genau genommen nicht einfach nur in Pot und Column Still einteilen lassen. Dazu kommt Varianz aus Melasse, Zuckerrohr-Saft oder Sugar Cane Honey als Ausgangsstoff, Natur- oder Reinzuchthefen, Fermentationsdauer und Temperatur, Reifung in Holz, das Reifungsklima, Filtration, Blends, anschließender Zuckerzusatz und Zusatzstoffe. Eine Gleichung mit sehr vielen Komponenten.
Mixability ist wichtig
Für Einsteiger ist es schwierig, auf Anhieb das Richtige zu finden. Falls man bei Drinks mit ungewöhnlichen Produkten Akzente setzen will, sollte das Aroma gut kommuniziert werden. Wenn ein Gast einen klassischen Daiquiri erwartet und ohne Vorwarnung einen Agricole oder Jamaican Overproof vorgesetzt bekommt, könnte das zu Missverständnissen führen.
Gerade bei Rum ist eine grobe Aromenbeschreibung in der Cocktailkarte entscheidend, zum Beispiel »grasiger Rhum Agricole« oder »milder kubanischer Rum«. Vor allem Mixability ist wichtig. Falls man nur eine oder wenige Brands in der Bar führen möchte, ist ein Allrounder gefragt, der in klassischen Drinks funktioniert. Am besten also vor dem Festlegen auf eine Marke vergleichsweise Daiquiris, Mojitos, oder auch Cuba Libres mixen.
Revolte Blanco als Überraschungssieger
Da im MIXOLOGY Taste Forum lediglich pur verkostet wird, müssen die Ergebnisse auch so interpretiert werden. Mit Revolte Blanco sichert sich ein ausdrucksstarker, spannender Rum den Sieg, der durchaus auch in Drinks eine gute Figur macht. Sein beinahe jamaikanisch anmutendes Aroma dürfte allerdings in Klassikern wie dem Daiquiri zumindest nicht archetypisch wirken.
So gut wie nie wird weißer Rum pur geordert oder empfohlen, unvermixt kommen noch immer gereifte Spirituosen ins Glas. Das sieht in den Ursprungsländern ganz anders aus. Dort wird, wie Dirk Becker, Betreiber des Rum Depot in Berlin, erzählt, primär kurz gereifter oder ungelagerter Rum konsumiert. Frei nach dem Motto: Der ist doch fertig.
Enge Wertung zwischen Erstem und Letztem
Auf dem wahnsinnig diversen Markt bedarf es zuerst einmal einer Einschränkung in der Auswahl, um für Vergleichbarkeit zu sorgen. Zum Tasting werden weißer Rum aus Melasse und fürs Pouring bestimmte Blends zugelassen, die maximale Stärke liegt bei 50%.
Spannend ist, wie eng das Rating der Produkte ausfällt. Gerade mal sieben Punkte liegen zwischen dem Erst- und Letztplatzierten Havana Club. Das liegt daran, dass die Geschmäcker der Verkoster beinahe gegensätzlich sind. Sowohl die am besten als auch am schlechtesten bewerteten Produkte der Einzelwertungen sind viel breiter gestreut als sonst beim MTF üblich. Bei weißem Rum scheinen wir auf ein Thema gestoßen zu sein, das besonders polarisiert. Es fällt ebenfalls auf, dass kubanische Rums die Schlusslichter des Ratings sind. Mit ihrer zurückhaltenden Aromatik fällt es ihnen schwer, sich im Tasting gegen aromatische Schwergewichte zu behaupten. Mit Bewertungen von über 85 Punkten müssen sich diese Produkte trotz allem nicht verstecken und haben durchaus einen Platz hinter der Bar verdient, zumal sie ein anständiges Preis-Leistungs-Verhältnis bieten.
Weißer Rum: Viel Qualität für wenig Geld
Am Ende ist die Entscheidung für einen weißen Rum eine sehr persönliche. Noch nie war das Angebot so groß. Abgesehen von Produkten einzelner Destillen sind viele auf den Einsatz in Drinks zugeschnittene Blends verfügbar.
Noch nie war es außerdem so einfach, in Klassikern Akzente zu setzen, ohne zu weit von ihrer DNA abzurücken. Häufig bekommt man in der Kategorie weißer Rum viel Qualität für wenig Geld. Etwas Recherche und eine bewusste Wahl lohnen sich. Denn man darf eins nicht vergessen: Noch heute bewertet manch ein Gast die Bar nach ihrem Daiquiri.
Das MIXOLOGY Taste Forum wurde unter Einhaltung der aktuellen Hygienevorkehrungen in der Green Door Bar in doppelter Blindverkostung durchgeführt. Als Verkoster stellten Dirk Becker (Rum Depot), Kai Wolschke (Goldfisch Bar), Ruben Neideck (Velvet), Nancy Großmann (Rutz), Florian Drucks-Jacobsen (Fabelei) und Manos Sintixakis (Green Door) ihre Expertise zur Verfügung.
Credits
Foto: Editienne