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Catch me if you can!

Gern wird darüber gesprochen, was Bartender können sollen, um sich für Job und Karriere zu empfehlen. Doch in einer Branche, die explodiert ist und nun weiter wachsen und sich konsolidieren will, sind auch die anderen Parteien in der Pflicht. Um an gutes Personal zu gelangen und dieses auch zu halten, müssen noch immer viele Arbeitgeber umdenken. Denn das Thema Recruitment will so betrachtet werden, wie es nunmal ist: Komplex.
Eigentlich ist alles geil, könnte man meinen, wenn man auf die Entwicklung der Bar und ihres Berufsstandes in den letzten 15 Jahren zurückblickt. Gefühlt täglich eröffnet in irgendeiner Stadt eine neue Bar mit einer innovativen und kreativen Getränkekarte, anspruchsvolles Trinken ist bei den Konsumenten en vogue, die Berichte über Bars und ihre Akteure häufen sich in den Massenmedien, die Besucherzahlen auf Barmessen erreichen jedes Jahr neue Bestmarken und selbst die Hotellerie von Boutique bis Branchengigant hat erkannt, dass gute, innovative Bars durchaus die Attraktivität des Hauses steigern und die durchschnittlichen Tripadvisor-Einträge ins Positive rücken können.
Doch kaum ein Wachstum kommt langfristig ohne Ressourcen aus, auf die es sich gründet. Und die wichtigste Ressource der Gastronomie findet sich unter dem Sammelbegriff „Personal“. Nun ist es nicht neu, dass die Gastro-Branche generell über zu wenig Nachwuchs klagt und kaum ein Unternehmen alle Stellen, die für einen reibungslosen Ablauf des Operativen notwendig sind, auch besetzen kann. Erst kürzlich schrieb die AHGZ, dass etwa 50% aller Koch-Azubis ihre Lehre abbrechen, und nannte als Gründe Stress, rauen Umgangston im Berufsalltag, geringe Löhne und ein verzerrtes Bild des Berufs durch alltägliche Kochshows. Das brandenburgische Online-Portal MOZ schreibt, dass allein in Berlin die Zahl der Azubis im gesamten Hotel- und Gaststättengewerbe um fast 2.000 auf 3.557 im Jahr 2016 zurückging, obwohl die Branche „rosige Zukunftsaussichten“ habe.

»Barbetreiber sollten generell über die Sinnhaftigkeit von Öffnungszeiten bis 4 oder 5 Uhr morgens nachdenken.« – Miguel Fernandez

Dieses seit Jahren bekannte Problem macht auch vor der Bar nicht halt, obwohl der Beruf des Bartenders nie so attraktiv war wie heute. Die Branche boomt und doch möchten zu wenige darin ihren Lebensunterhalt auf Dauer verdienen. Egal ob in sozialen Netzwerken, in Fachmedien oder in privaten Gesprächen – aus allen Ecken hört und liest man, dass es aktuell sehr schwer sei, ausreichend gutes Barpersonal zu finden; sei es in Metropolen oder Randgebieten. Die Gründe sind wie immer vielfältig und komplex. Doch wird es Zeit zumindest einige zu benennen und zu diskutieren.

Geld & Freizeit? Der alleinige Schlüssel zum Glück?

Offensichtlich erscheint es, den Grund für die Nachwuchsmisere im üblichen Segment Lohn und Arbeitszeit zu suchen. Christian Gentemann, Bar Manager der Bar am Steinplatz in Berlin, sagt hierzu treffend: „Die Allermeisten setzen die Verhältnismäßigkeit von Arbeitsintensität und -zeit in Relation zum Gehalt und kommen auf eine für sie nicht ausreichende Summe. Förderlich wäre meiner Meinung nach, nicht nur einfach mehr Geld. Sondern: Eine 50plus-Stunden-Woche darf einfach nicht mehr als selbstverständlich angesehen werden.“ Auch Uwe Voigt, Inhaber der Barschule Rostock, sieht hier starken Nachholbedarf auf Seiten der Arbeitgeber. Zu viele Arbeitgeber würden zum Beispiel immer noch das in der Gastronomie übliche Trinkgeld als festen Bestandteil des Gehalts ansehen und somit das von ihnen zu zahlende Bruttogehalt zu niedrig ansetzen. Eine Lösung, neben einer konsequenten, flächendeckenden Umsetzung der geltenden Tariflöhne, sieht er in der Schaffung von Bonisystemen für Bartender (Umsatzbeteiligungen, Upselling-Incentives, etc.), die „unabdingbar zur Steigerung der Attraktivität des Berufsstandes und international bereits Usus sind“. 
Miguel Fernandez kann dies als Bar Director der Octave Bar im Marriott Bankok bestätigen, da in Asien verstärkt mit Incentive-Plans und Boni gearbeitet wird, um das Personal zu motivieren. Zum Thema Arbeitszeiten hält er fest, dass Bars generell über die Sinnhaftigkeit von Öffnungszeiten bis 3, 4 oder gar 5 Uhr morgens im Hinblick auf Mitarbeitergesundheit und natürlich Kosten-Nutzen-Relation nachdenken sollten. Andererseits „macht jemand den falschen Job, wenn es ihn stört, fast jedes Wochenende bis 2 Uhr arbeiten zu müssen!“ 

Jedem angehenden Bartender muss klar sein, dass er sich für einen Handwerksberuf entschieden hat, bei dem in den meisten Fällen keine übermäßigen Reichtümer zu verdienen sind.

Generell lässt sich sagen, dass mit Sicherheit die durchschnittliche Höhe des Bruttogehalts für Bartender oftmals zu niedrig angesetzt ist. Hier sind sowohl Gewerkschaften wie die NGG als natürlich auch Arbeitgeber gefordert, den Missstand im realistischen Maße zu beseitigen; zum Vorteil beider Seiten. Adrian Baldino, Team Lead Reserve bei Diageo, sagt hierzu treffend: „Der kluge Gastronom verdankt seinen Gewinn auch seinen Angestellten und investiert dementsprechend in sie.“ Andererseits muss jedem Bartender immer klar sein, dass es sich um einen Handwerksberuf handelt, der nur wenige in kurzer Zeit und ohne Eigeninitiative in die nächste Forbes-Liste katapultiert.
Das Thema „späte Arbeitszeiten“ erscheint dem Autor hingegen als wenig relevantes Hindernis für den Eintritt in die Barwelt, vorausgesetzt der Arbeitgeber sieht übermäßig hohe Arbeitszeit nicht als selbstverständlich an. Uwe Voigt fragt hierzu treffend: Wie viele Berufe gibt es denn aktuell, die für junge Menschen attraktiv sind und gleichzeitig um 17 Uhr enden? Es werden definitiv weniger!“ Hierzu ergänzt Martin Semrau, Recruitment Consultant bei LHC International aus Berlin: „Die Arbeitszeiten spielen bei Bartendern eher eine weniger zentrale Rolle: Diejenigen, die diesen Beruf vollblütig leben, sind zumeist auch Nachteulen. Beim Lohn ist es wie in anderen Berufszweigen in der Gastronomie ähnlich schwierig. Dass hier ein genereller Anpassungsbedarf besteht, ist außer Frage. Meine Erfahrung ist, dass nie nur das Geld entscheidet – in welchen Bereichen auch immer. Es ist immer das Paket: Dazu gehört natürlich das Gehalt, aber vielmehr auch die Verantwortung, die Möglichkeit sich kreativ einzubringen und mitzugestalten, Weiterentwicklungsangebote wie Trainings, eine persönliche Basis und Verständnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, etc. “

Kein Schloss ohne Fundament

Aber was nützt Gerede über Gehalt, Arbeitszeiten und Jobpakete eines Handwerks, das als solches weder gesellschaftlich noch als Ausbildungsberuf anerkannt ist? Erst wenn von staatlicher Seite Anerkennung erfolgt, folgt auch eine gesellschaftliche Legitimation eines Berufs und damit ein Ansteigen seiner Attraktivität. So lautet zumindest die Argumentationslinie einiger Beobachter. Diese Sichtweise erscheint nach Meinung des Autors zu einseitig. Allein im Bereich des Marketings entstehen ständig neue attraktive Jobs (Bsp.: „Influencer“), die bisher weder gesellschaftlich große Wertschätzung erfahren noch von staatlicher Seite durch die Anerkennung als Ausbildungsberuf sanktioniert sind. Miguel Fernandez fügt hier zu: „Ich halte es eher für sinnvoll eine solide Ausbildung in der Gastronomie als ReFa oder HoFa zu machen um ein Gesamtbild des Berufes zu bekommen (Service, Küchenwissen, Administratives, etc.), nicht nur Schnaps rühren. Nach der Ausbildung trennt sich ein wenig die Spreu vom Weizen. Wer mehr will in diesem speziellem Genre, der muss mehr tun!“ 
Natürlich würde eine staatliche Anerkennung des Bartenders als Ausbildungsberuf zumindest als Teilaspekt dabei dienlich sein, dem aktuellen Nachwuchsmangel entgegenzuwirken und die gesellschaftliche Wahrnehmung des Berufs als ernstzunehmendes Handwerk und damit seine Attraktivität stärken. Auch können im Lehrplan eines Bartenders durchaus die wichtigen von Fernandez genannten Aspekte des Gesamtbildes Gastronomie integriert werden. Nur eben mit klaren Schwerpunkten auf der Beverage-Seite.
Weitere Vorteile liegen klar auf der Hand. So gibt der selbstständige Gastronom und Vorsitzende der DBU Nordrhein-Westfalen, Mohammad Nazzal, zu bedenken, dass Arbeitgeber im Hinblick auf solides, fachliches Grundwissen ihrer Bewerber immer „eine Wundertüte in Kauf nehmen müssen“. Hinzu kommt, dass insbesondere private Barbetreiber nur selten weder die Zeit noch das Budget haben, ihren Mitarbeitern neben dem Tagesgeschäft auch die Grundlagen ihrer Arbeit effizient und individuell passend beibringen zu können. Martin Semrau merkt an, dass in der Realität nur „selten zertifizierte Ausbilder von Firmen angestellt werden und Schichtleiter diese verantwortungsvolle und zeitintensive Aufgabe zu ihren regulären Aufgaben übernehmen müssen. Gleichzeitig eine Serviceschicht zu führen und ausbilden geht jedoch nicht und schafft Unzufriedenheiten und Frustrationen auf allen Seiten.“

Die Jugend „darf“ den Beruf nicht lernen…

Berufsausbildungen werden in Deutschland bekanntlich vom Geschäftsbereich Aus- und Weiterbildung der IHK konzipiert und geleitet. Letztlich liegt eine Entscheidung über die staatliche Anerkennung als Ausbildungsberuf hier. Uwe Voigt benennt hierzu direkt zwei Schwierigkeiten. Auf der einen Seite wird in den zuständigen Gremien der Beruf Bartender noch immer als „Anlernberuf“ angesehen, der häufig nur als „Einkommensbrücke auf dem Weg in ein anderes Berufsfeld“ dient. Erschwerend hinzu kommt das geltende Jugendarbeitsschutzgesetz, wonach Auszubildende unter 18 Jahren nur bis 22 Uhr arbeiten dürfen (§ 14, Absatz 2/1, JarbSchG) und natürlich der Umgang mit Alkohol, der klar im Jugendschutzgesetz geregelt ist, und insbesondere den Verzehr, d.h. auch das Verkosten von branntweinhaltigen Getränken unter 18 Jahren verbietet (Artikel 9 JuSchG).
Um eine staatlich anerkannte Ausbildung zum Barkeeper generell abzulehnen, sind diese Hürden jedoch nicht ausreichend, da viele Aspekte des Berufsfelds durchaus vor 22 Uhr erlernt werden können und der Umgang mit „branntweinhaltigen Getränken“ nur einen Teilaspekt des Berufs dargestellt, der sehr wohl erst mit Vollendung des 18. Lebensjahres gegen Ende der Ausbildung erlernt werden kann, vorausgesetzt der betreffende Betrieb verfügt überhaupt über ein Tagesgeschäft.
„Der Beruf des Barkeepers oder Bartenders soll amtlich definiert und als Ausbildungsberuf anerkannt werden“ heißt es auf der Homepage der Deutschen Barkeeper Union. Mohammad Nazzal führt dazu aus: „Wir arbeiten stetig daran. Der erste und wichtigste Schritt ist, eine Lobby aufzubauen, also theoretisch sollte jeder in den Verband eintreten, damit wir diese Lobby stellen können. In der Politik interessieren 1.200 Mitglieder niemanden. Dem Berufsstand wird gerne nachgesagt, er sei ja nicht mal in der Lage sich zu organisieren. Wir versuchen auf allen Kanälen Einfluss zu nehmen, damit wir unsere Lobby stärken.“
Dass der Wunsch nach einer Anerkennung des Barkeepers als Ausbildungsberuf auf der einen Seite rechtlich nicht einfach ist und in den zuständigen Gremien wenig Beachtung findet, ist eine Schwierigkeit. Dass dieser Wunsch aufgrund einer zu geringen Mitgliederanzahl seitens der DBU nur unzureichend kommuniziert werden kann, eine weitere. Dass ein Interesse an einem Ausbildungsberuf auch bei Nicht-Mitgliedern der DBU vorhanden ist, steht außer Frage. Aber noch ist keine Lösung in Sicht, wie eine flächendeckende Forderung nach einem Ausbildungsberuf für Bartender organisiert und wahrnehmbar kommuniziert werden soll. Und zwar so, dass auf Aktion auch Reaktion erfolgt.
An zwei Berufsschulen in Calw und Kiel konnte zumindest auf Länderebene ein Erfolg verzeichnet werden, der Hoffnung aufkommen lässt: Dort können ReFa- und HoFa-Auszubildene zusätzlich zu ihrer Regelausbildung während ihrer Lehrzeit ein extra Zertifikat als staatlich geprüfter Bartender ohne zusätzliche Kosten erlangen. Ein kleiner Schritt in die richtige Richtung, dem noch viele folgen sollten.

Die Getränkeindustrie: Freund, Verführer und Konkurrent 

Ist eh alles egal! Selbst wenn man einen geeigneten angehenden oder gestandenen  Bartender für sein Team gefunden oder in diesem ausgebildet hat, kauft die Getränkeindustrie ihn sowieso und rekrutiert ihn für ihre eigenen Zwecke. Und wer nicht direkt gekauft wird, dem wird auf Wettbewerben oder Incentive-Reisen ein Leben als Bartender in Saus und Braus vorgegaukelt, das wenig mit der Realität zu tun hat. Und so wird aus einem loyalen, professionellen Arbeitnehmer ein „Schönwetter-Bartender“ und „Söldner“ kreiert, der Kaviar und Champagner für ein Pflichtrepertoire jeder Mitarbeiterkantine hält. So liest man zumindest direkt in oder zwischen den Zeilen einiger weniger Kommentatoren zur aktuellen Lage der Barwelt. 
Christian Balke, Teamleader Advocacy & Education bei Pernod Ricard Deutschland, reagiert hierauf mit Unverständnis und fragt treffend: „Über wie viele Menschen sprechen wir denn hier im Vergleich zur Gesamtsumme an Bartendern in Deutschland?“ Und er führt weiter aus, dass die geringe Anzahl an Bartendern, die in die Spirituosenindustrie wechseln, ja der Barszene positiv und fördernd in Gestalt von Markenbotschaftern oder Außendienstmitarbeitern erhalten bleiben. Adrian Baldino pflichtet dem bei und unterstreicht: „Welcher Arbeitgeber versucht denn nicht, die besten Köpfe an sich zu binden? Aber man muss ja auch mal ganz realistisch festhalten, dass nicht jeder gute Bartender auch ein guter Verkäufer ist. Nur wenige Stellen wie zum Beispiel Brand Ambassador in der Spirituosenindustrie sind für Bartender wirklich geeignet und für beide Seiten sinnvoll.“

»Teilweise zahlte die Industrie einfach unrealistische Tagessätze. Damit sind durchaus einige Bartender verdorben worden. Da sind Fehler gemacht worden. Ihnen wurde ein Rockstar-Status suggeriert.« – Christian Balke

Dass die Getränkeindustrie den vorhandenen Markt an potentiellen oder gestandenen Barkeepern flächendeckend abgrast, stimmt weder zahlenmäßig, noch hat sie ein großes Interesse daran. Sie benötigt nicht nur festangestellte Verkäufer in der eigenen Firma, sondern vielmehr gut ausgebildete Verkäufer hinter den Tresen, die professionell mit ihren Produkten umgehen und diese an den Gast glaubhaft weiter verkaufen. Ein „überheblicher Rockstarbartender, der jegliche Bodenhaftung verloren hat“, würde diesem Interesse eher entgegenwirken als dienlich sein, gibt Baldino weiter zu bedenken.
Zu diesem Thema positioniert Christian Balke sich ebenfalls ganz klar: „Teilweise zahlte, bzw. zahlt die Industrie einfach unrealistische Tagessätze und Reisemöglichkeiten. Damit sind durchaus einige Bartender verdorben worden und ihnen wurde ein Rockstar-Status suggeriert. Da sind Fehler gemacht geworden, die nicht wegdiskutiert werden können. Aber es sind auch genügend Gegenbeispiele aufzählbar. Letztlich kommt es auf den Charakter des Bartenders an, wie professionell er mit Wettbewerben und Reisen und den dazugehörigen Annehmlichkeiten umgeht.“ Augenzwinkernd fügt er an, dass „wenn es nur so wäre, dass Bartender von Seiten der Getränkeindustrie mit Luxus in welcher Form auch immer überschüttet werden würden, müsste es doch eigentlich die Attraktivität des Berufs steigern. Nach dem Motto: Geil, wenn ich Bartender werde und gut bin, kann ich auch irgendwann um die Welt fliegen und permanent Champagner trinken.“
Industrie und Barverantwortliche sind keine Gegenpole innerhalb einer Branche, sondern feste, zusammenhängende und zusammenarbeitende Größen innerhalb dieser. Beide haben ein großes Interesse daran, möglichst viele, gut ausgebildete Bartender flächendeckend hinter den Tresen der Barlandschaft arbeiten zu sehen. Die Industrie kann sich so des professionellen Verkaufs ihrer Produkte sicher sein, der Barverantwortliche sich einer hohen Qualität seiner Mitarbeiter und ihrem Umgang mit den angebotenen Produkten, was letztlich eine erhöhte Gastzufriedenheit und somit mehr Umsatz verspricht. 
Nicht umsonst gibt die Industrie jährlich einen nicht unerheblichen Teil ihres Budgets für Bildungsreisen und Schulungsprogramme aus, von dem nicht nur Bartender, sondern auch Arbeitgeber oder Barverantwortliche massiv profitieren können. Durch die Erlaubnis oder gar Forderung an ihre Arbeitnehmer, an Bildungsreisen und Programmen seitens der Getränkeindustrie teilzunehmen, erhöhen sie nicht nur die Mitarbeiterzufriedenheit und die Attraktivität ihrer angebotenen Stellen, sie können quasi einen Teil der notwendigen betriebsinternen Bildungsarbeit an die Industrie outsourcen, da sie selbst zeitlich und budgetär selten dazu die Möglichkeit haben.

Die Herausforderung: Ein „Generationen“-Konflikt

Eine faire, der Komplexität und den Anforderungen an den heutigen Bartender gerecht werdende Bezahlung, eine flexible Arbeitszeitregelung, die die „50plus-Woche“ nicht zur Selbstverständlichkeit, sondern Ausnahme erklärt, solide Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten, berufliche Perspektiven, Mitbestimmungsrechte und ein  attraktives Arbeitsumfeld… All das sind Teilaspekte eines Gesamtpakets, dass der Beruf als Bartender bieten kann, aber eben auch konsequent von Seiten der Arbeitgeber angeboten werden muss. Martin Semrau betont dies nochmal ausdrücklich: „Arbeitgeber wissen sehr wohl, wie sehr der eigene Erfolg von den Mitarbeitern abhängt. Was sie jedoch oft nicht verstehen, ist, dass Geld nicht alles für die Mitarbeiter ist. Bezahlung heißt nicht nur, was am Ende netto auf dem Konto ist!“
Für ein tieferes Verständnis eines Problems hilft es gelegentlich, sich soziologischer Betrachtungsweisen und Modelle zu bedienen. Die vielzitierte „Genration Y“ ist nicht nur ein gerne benutztes Schlagwort aus den Massenmedien, sondern ebenjene Generation, die Ressource und treibende Kraft unserer aktuellen Barlandschaft ist oder sein wird und als solche auch anerkannt werden muss. Obwohl der Autor selbst Generationenkonzepten durchaus kritisch gegenübersteht, da sie aufgrund des komplexen und variablen Betrachtungsfeldes keine allgemeingültigen Schlüsse bieten können und oft eine diffuse Realität in gewünschte Raster pressen oder zurechtrücken, so gibt die Forschung insbesondere zur Generation Y doch einige Anhaltspunkte her, deren Einfluss und Bedeutung auf unser Berufsfeld und dessen Berufsalltag nicht ignoriert werden sollte.
Der Soziologe Klaus Hurrelmann beschreibt u.a. die Generation der zwischen 1980 und 2000 Geborenen als Meister der Improvisation, deren Lebensplanung sich nicht nach einem stringentem Lebenslauf, sondern nach den eigenen, veränderbaren Wünschen und Vorstellungen richtet. Lebenslanges Lernen, intensives, „erfüllendes“ Arbeiten und Teilhabe an betriebsinternen Prozessen in Form von Mitbestimmung und Integration ihrer Wünsche und Vorstellungen sind für sie zentrale Bestandteile eines attraktiven Berufslebens. Die Vereinbarkeit von Beruf, Privatleben und Familie braucht aus ihrer Sicht neue Familienmodelle, nicht unbedingt eine Anpassung von betrieblichen Arbeitszeiten. 
Auch wenn diese hier nur kurz angerissene Darstellung von Hurrelmann nicht auf alle „Ypsiloner“ zutrifft, so unterstützt sie doch die von Martin Semrau formulierte Forderung nach einem Umdenken seitens der Arbeitgeber im Hinblick auf die oben genannten Punkte additiv zum schnöden Mammon.

Hotels müssen sich ihrer zentralen Rolle als Ausbilder besser gewahr werden – und ihre teils verknöcherten Prozesse überdenken. Nur so lässt sich der Nachwuchs zeitgemäß qualifizieren!

Hier darf durchaus ein Fingerzeig in Richtung der Hotellerie erfolgen, die sowohl als Arbeitgeber, aber vor allem auch als Ausbilder eine zentrale Rolle innerhalb der Gastro-Branche einnimmt und sich dieser Stellung, aber eben auch der damit einhergehenden Verantwortung bewusst sein muss. Hierarchische Strukturen, mangelnde Mitbestimmung bei betrieblichen Entscheidungsprozessen, vage Stellenbeschreibungen, eingestaubte sogenannte „Prozessbeschreibungen“ und eine eher ablehnende Haltung gegenüber als unstet klassifizierten Lebensläufen sind im hier dargestellten Kontext nicht mehr zeitgemäß, wenig hilfreich und sind dennoch häufig anzutreffen. „Es sind immer noch die ‚freien Bars‘, die einen Großteil der besten Bartender beschäftigen“, sagt Fernandez, und das ist nicht verwunderlich, da zumindest beim Schnüren von attraktiven Komplettpaketen hinsichtlich der zu besetzenden Stellen die privaten Bars und Restaurants der Hotellerie oft weit voraus sind.
Erst wenn unserer Branche im Gesamten klar wird, dass das Netto am Ende des Monats wichtig, aber nicht ausreichend, dass eine 40-Stunden-Woche eine große Errungenschaft, dass Aus- und Weiterbildung ein zentrales Bedürfnis der Arbeitnehmer und betriebliche Kreativität und Mitbestimmung ein Wettbewerbsvorteil sind – erst dann werden junge Ausbildungs- und Arbeitssuchende erkennen können, was der Beruf des Bartenders sein könnte und vielerorts schon ist: einer der geilsten und attraktivsten Jobs der Welt!
Dieser Artikel erschien zuerst in der aktuellen Ausgabe 3/2018 von MIXOLOGY, dem Magazin für Barkultur. Informationen zu einem Abonnement finden Sie hier.

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