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Die Bar Neiro ist eine Listening Bar in Berlin

Weniger sprechen, mehr hören: Drinks und Vinyl in der Bar Neiro

Neu in Berlin-Mitte und inspiriert von den japanischen Jazz kissas: Die Listening Bar Neiro eröffnet Anfang April offiziell und lädt zu multisensorischen Abenden am Tresen. Wir haben uns vom Sound und von den Drinks überzeugen lassen. 

Schon einmal von Timbre gehört? Das ist die Klangfarbe oder Textur eines Tons. Übersetzt in das Japanische heißt das dann: Ne (Klang) und Iro (Farbe) und damit ist der Name Programm in der neuen „Listening Bar“ Neiro in Berlin-Mitte. Hier finden Klang und Cocktailkultur zueinander, für das eine zeichnet der Gründer und Tontechniker Erik Breuer verantwortlich, für das andere der Bar Manager Jeffrey Berraoui.

Die Bar Neiro: in musikalischer Nachbarschaft

Der Weg zur Bar führt über den Ausstieg an der U Heinrich-Heine-Straße in eine Gegend, die so richtig nicht für Bars bekannt ist. Dafür aber für Clubs: Wie den Tresor die Straße runter oder das KitKat, der Hofnachbar der Bar Neiro. Über den Eingang an der Ohmstraße 11 landen Barsuchende zunächst in einem Hof, dann links in einem weiteren Hof und dann über zwei Stockwerke und einige Treppen schließlich in der Bar. Einige Tage vor der offiziellen Eröffnung ist der Weg noch nicht ausgeschildert, das soll aber bald – wenn auch nur subtil – der Fall sein. Damit mutet die Bar mit Speakeasy-Flair an, auch wenn das nur halb absichtlich der Fall ist: Breuer ist Tontechniker und belegt mit seinen „Brewery Studios“ schon seit Längerem Räumlichkeiten im selben Haus. Als dann sein Nachbar – ein Produzent für Messenger-Bags – auszog, übernahm Breuer auch diesen Raum und macht seine Vision zur Realität: Berlin eine Listening Bar geben – ein von den japanischen Jazz kissas inspiriertes Konzept. Da passt die versteckte Lage eigentlich ganz gut, reflektiert er die Location: „Es soll schon den Speakeasy-Vibe behalten. Die Bar ist halt einfach da, wo sie ist, aber ich mag es – wenn man diese Art von Bars in Japan besucht, dann sind diese oft auch gerne mal irgendwo im siebten Stock eines Bürogebäudes und man muss sich durch zwanzig Schilder lesen, um sie zu finden.

Im Glas gibt es ein kuratiertes Programm aus Cocktails, Spirituosen und Wein. Begleitet von einen Vintage High-Fidelity Sound Systen
Im Glas gibt es ein kuratiertes Programm aus Cocktails, Spirituosen und Wein. Begleitet von einen Vintage High-Fidelity Sound Systen

Pause and listen

Eine Listening Bar also – das bedeutet, dass hier Musik ausschließlich auf Vinyl gespielt wird und jede LP von vorne bis hinten in voller Länge zu hören sein wird, wenn die Bar offiziell am 6. April 2023 eröffnet. In den letzten Wochen gab es an zwei Abenden pro Woche bereits Probeläufe, die sehr gut ankamen. Während es in Japan Listening Bars gibt, in denen man gar nicht sprechen, sondern nur trinken und hören darf, ist das in der Bar Neiro nicht ganz so streng. Breuer über seine und Jeffs gemeinsame Überlegungen zum Konzept: „Zu Beginn gab es auch wirklich die Diskussion: wollen wir überhaupt shaken? Vielleicht ist es viel zu laut. Am Ende ist die Realität, dass die Musik laut und prominent genug ist, damit sie der Fokus bleibt. Wenn es mal wirklich ruhig hier ist, dann gehen Jeff oder Viktoria in den Hinterraum, um zu shaken. Aber wir müssen auch nicht so tun, als sei das hier keine Bar. Wir haben leise Kühlschränke und vieles bedacht ausgewählt – aber absolute Stille muss nicht sein.

Das Hi-Fi-System der Bar setzt sich aus hochwertigen Vintage-Komponenten zusammen, das gesamte Raumkonzept ist auf den Sound ausgelegt und die Lautsprecher sind mit Originalbauteilen aus den 1950er Jahren bestückt, die früher in den Tonanlagen von Filmtheatern zu finden waren. Auch in Sachen Interieur „spricht“ die Bar Vintae: Holzmöbel, Mid-Century-Elemente, ein Tresen in Betonfarbe und einige Pflanzen geben der Bar Wohnzimmergefühl.

Essenziell in einer Listening Bar wie der Bar Neiro ist guter Sound
Essenziell in einer Listening Bar: Guter Sound

Bar Neiro

Ohmstraße 11
10179 Berlin

Das Analoge liegt dem Gründer besonders am Herzen, und da kommen Musik und Drinks auch zusammen. Er selbst war aus Arbeitsgründen schon oft in Japan und kennt das Konzept der Listening Bars gut. Teil des Geflechts rund um Tonstudio und Bar ist die Analogue Foundation, eine Initiative, die sich der Pflege des Analogen verpflichtet hat: „Der Ethos der Analogue Foundation besteht darin, die Liebe zum Detail und zum Handwerk aufrechtzuerhalten. Das ist etwas, das gerade in der Musikproduktion und Wiedergabe eher verloren geht und ich glaube, das ist auch der Punkt, an dem der Umgang mit Musik, und die Art und Weise wie Jeff arbeitet – dieses sehr crafti-e, analoge – zusammenkommen. Das, was wir nebenan im Studio mit Musik machen, macht Jeff mit Drinks.

In der Pandemie nach Berlin

Jeff Berraoui, jetzt der Bar Manager der Bar Neiro, war zuvor im Truffle Pig und stammt aus Schottland. In der Pandemie zog es den Bartender dann nach Berlin. Zu der Zusammenarbeit in der neuen Bar kam es aber eher zufällig, erzählt Breuer: „Ich saß am Tresen und hab‘ mit Jeff angefangen zu sprechen, dabei kam heraus, dass er auch Zeit in Japan verbracht hat, das Konzept Listening Bar kennt und es sehr spannend fände, dabei zu sein.

Für Jeff kommen in seiner neuen Bar drei Dinge zusammen, die ihm wichtig sind: Vinyl, Japan und Drinks. Letzte hat er allein konzipiert, denn erst jetzt zur Eröffnung erweitert sich das Team mit Viktoria, vormals in der Black Rabbit Bar. Aktuell finden sich noch acht Cocktails auf der Karte ergänzt um eine alkoholfreie Kreation, Naturweine von Claus Preisinger und von Grape Republic aus Japan sowie ein Bier: Kirin Ichiban – natürlich.

Ein Nicken nach Japan

Die Karte sei noch in der Entwicklungsphase, auch sollen noch mehr alkoholfreie Cocktails dazukommen, denn: „Ich wollte, dass wir mehr alkoholfreie Getränke anbieten. Eine für mich überraschend hohe Anzahl von Leuten in der Musikindustrie ist völlig nüchtern, und wir wollen, dass die Leute trotzdem in der Lage sind, den Raum zu genießen und etwas Interessanteres als nur eine Cola zu trinken.

Was sich auf der Karte durchsetzt, sei ein Nicken in Richtung Japan, so Jeff: „Stilistisch sind die Drinks ziemlich einfach, würde ich sagen, aber viele der Aromen, mit denen wir hier arbeiten, sind eine Anspielung auf Japan.“ Die zeigt sich im Highball mit getoastetem Jasmin, aber ergänzt um Kokoswasser, oder im „Kappas Cure“ – eine Idee einer Margarita im Hintergrund – mit Mezcal, Gurken-Cordial, Kümmel, Limette und einem Shichimi Togarashi-Rand am Glas. Der „Red & Butter“ bringt Red Miso-washed Rye Whiskey, Amaro und Ahornsirup zusammen. Und einen Apéro-Drink gibt es mit dem „Italo-Pisco“ mit Aperol, Bergamotte, Vermouth, Aprikose und Pisco ebenfalls.

Eines ist klar: Vinyl muss sein
Eines ist klar: Vinyl muss sein

In der Bar Neiro ergänzen die Getränke das Konzept

Die Drinks werden aber nie die Hauptrolle in der Bar Neiro spielen, die Musik wird immer der Star bleiben. Eine gute Symbiose soll es trotzdem sein, so Jeff über das Konzept: „Ich denke, dass viele andere Lokale, in denen die Aufmerksamkeit auf etwas anderes gelenkt werden soll, keine Craft-Cocktail-Karte haben. Die Getränke sollten nur das Angebot ergänzen. Hier haben wir ein hybrides Konzept: Wenn die Lautsprecher nicht da wären, wäre dies immer noch eine Cocktailbar mit großartigen Getränken. Gäbe es die Cocktailkarte nicht, wäre dies immer noch eine Listening Bar mit tollem Sound. Das ist der Mittelweg, den wir zu finden versuchen.

Am 6. April 2023 eröffnet die Bar Neiro offiziell, aktuell wird noch um Reservierung über die Website gebeten. Einfach, weil die Bar nur Platz für 30 Menschen hat, und niemand weggeschickt werden soll. Und Tipp zum Schluss: Was da der absolut beste Platz aus Akustik-Sicht ist? Der Sound ist für den gesamten Raum konzipiert, aber am besten hört man auf den zwei mittleren Barstühlen am Tresen.

Credits

Foto: Neiro

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