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Finnland und der Schnaps: Da kommt noch was!

Sauna, Tango, Vodka – war da noch was in Finnland? Beim Bar Convent Berlin gaben die Brenner einen Einblick zwischen Craft-Produkten und Aufbruchstimmung. Ob Whisky oder Applejack, der die USA erobern soll, es tut sich was im hohen Norden. 

Es sagt viel über die Größe der Brenner-Szene Finnlands aus, wenn die Hälfte davon an einem Stand in Berlin Platz hat. Gerade einmal zehn Destillerien seien es, meint Esa Wrang, der offiziell daran arbeitet, „Food from Finland“ im Ausland zu promoten. Im Auftrag des Wirtschaftsministeriums versucht er, auf den kleinen, aber wachsenden Anteil der Spirituosen am viertwichtigsten Wirtschaftszweig des Nordlandes aufmerksam zu machen. Zwar geht der Löwenanteil der knapp 140 Millionen Euro, die Suomis Brenner im Export erzielen, auf das Konto von Finlandia Vodka-Eigentümer Altia, doch die „Kleinen“ werden mehr.

Die Zeichen für mehr als Vodka und Beerenliköre, der Finnen liebste Spirits, stünden günstig, „im Gefolge des Craft-Booms finden sich auch bei uns viele Enthusiasten“, so Wrang. Dabei haben es die Startups nicht so leicht wie hierzulande, „es braucht viel Zeit und Energie“ fasst Kai Kilpinen (Helsinki Distilling Company, in Deutschland von Thomas Kochans Schnapskultur vertreten) zusammen.

Länger „trocken“ als die USA

Denn der Alkohol-Konsum war in Finnland immer Wellengängen unterlegen – und durchaus ein Politikum; etwa als gegen das staatliche (damals russische) Monopol durch Abstinenz protestiert wurde. Anfang des 20. Jahrhunderts galt das Großfürstentum unter Herrschaft des Zaren sogar als „trockenste“ Gegend Europas. Nur sechs Jahre währte daher auch die erste Destillerie-Geschichte der Familie Matinolli. Die 1860 gegründete bäuerliche Destille durfte mit einer maximal 23 Liter fassenden Brennblase agieren. Doch sechs Jahre später war auch damit Schluss, der Staat schickte sich an, das Monopol zu übernehmen. Das blieb zwar nicht durchgängig so, doch mit der in Finnland von 1917 bis 1932 geltenden Prohibition schuf man strengere Bestimmungen als die USA.

Am staatlichen Monopol änderte auch die per Volksentscheid herbeigeführte Beendigung der „Trockenheit“ nichts, erst 1995 brachte der EU-Beitritt die privaten Brenner zurück ins Geschäft. Jari Matinolli, Nachfahre der historischen Vodka-Erzeuger, gründete daraufhin Shaman Spirits. Die internationale Ausrichtung seiner Marken „Laplandia“ und „Finntastic“ wird auch vom nicht von ungefähr „Moses“ betitelten dritten Vodka im Portfolio unterstrichen – der ist nämlich koscher nach den jüdischen Speisegesetzen. „Vodka ist zu 60% Wasser“, verweist er auf einen Erfolgsfaktor der Finnen. Bei einem halben Jahr Bodenfrost hätten Bakterien wenig Chancen, zudem speisen sich die Brunnen von Shaman Spirits aus uralten, arktischen Reservoiren. Das schmecke man auch, „viele Destillerien reinigen das Wasser, unseres ist unbehandelt.” Vor allem Vodka-Kenner im benachbarten Russland schätzten das, so der Gründer, der in Deutschland von Team Blue betreut wird.

Moltebeeren gegen das Monopol

Als zweiter Methusalem unter den Destillerien darf Lignell & Piispanen gelten, die unter der Marke Gustav unter anderem Vodka mit Heidelbeeren erzeugen. 1852 wurde die in Kuopio beheimatete Firma gegründet, aktuell arbeitet die siebente Brenner-Generation im hohen Norden, ist Export-Manager Antti Hynninen stolz. Vor allem für die Beeren-Liköre ist das Unternehmen bekannt, neben Cranberry, Johannisbeere und Himbeere ist es vor allem die Moltebeere, die man in arktischen Regionen sammelt, die als Aromageber für Gustav fungiert. „Das trinken wir mit Champagner oder auch mit Bourbon.” Der Markt für die süßen Abfüllungen sei vor allem in China gewaltig, dorthin gingen auch etliche der Frucht-Weine, die man ebenfalls aus Beeren gewinnt, so Hynninen. In Deutschland sind die auch im Design markanten Flaschen bei Haromex erhältlich.

Suomi-Whisky aus dem Birkenrauch

Noch in den Kinderschuhen steckt die Whisky-Produktion Finnlands, doch sind gerade hier spannende Ergebnisse zu erwarten. Denn das Land gilt – mehr oder weniger ohne das groß bekannt zu geben – zu den wichtigsten Malz-Exporteuren. Mit 600.000 Tonnen Jahresproduktion rangiert die in mehreren Ostsee-Staaten aktive Viking Malt aus Lahti auf Platz 5 der europäischen Mälzereien. Schottland, Irland und etliche Bourbon-Häuser greifen auf das Gersten- und Roggenmalz zurück, so Finpro-Manager Wrang. „Wenn die Qualität so gefragt ist, warum nutzen wir sie dann nicht in Finnland“, dachte sich unter anderem Kai Kilpinen. Er zählt mit seinem gerade reifenden Whisky aus 70% Roggen- und 30% Gerstenmalz zu den Pionieren. Denn die Whisky-Geschichte ist erst 15 Jahre alt, ein Zehnjähriger aus der südfinnischen Teerenpeli Distillery stellt aktuell die älteste Abfüllung dar.

Experimente mit einer eigenen Rauchmalz-Variante entstehen gerade, dabei greift die Kyrö-Destillerie auf die alte Variante des Räucherns mit Birkenzweigen zurück. „Unsere Studie zu einem Smoky Rye läuft gerade“, lässt sich Miika Lipiäinen noch nicht in die Karten blicken. Den White Dog mit einer Stärke von knapp 64% Vol. hatte er in Berlin allerdings schon mit. „Spirituosen-Inspiration Sauna statt Torf“, lacht der Mann mit der Schiebermütze dazu beim Verkosten.

Die Connection nach Islay ist aber nicht die einzige, die Finnlands Brennern aktuell Auftrieb gibt. „Japaner lieben alles, was mit der nordischen Reinheit zu tun hat“, erklärt Kai Kilpinen. Dass das Logo seiner Helsinki Distilling Company selbst asiatisch wirkt, habe damit aber nichts zu tun. Vielmehr habe man eine moderne Version des Stadtwappens im Auge gehabt, als man das beidseitig in drei Wellen auslaufende rote H gestalten ließ. Jüngstes Produkt seiner Firma ist übrigens ein Applejack aus finnischen Äpfeln, mit dem man die amerikanische Barszene erobern will.

Kein Fass aus den ewigen Wäldern 

Trotz des Getreideanbaus und der Mälzerei greifen nicht alle Destillateure zu heimischen Rohstoffen. „Der Weizen muss aus südlicheren Ländern kommen“, bleibt Shaman Spirits-Gründer Jari Matinolli eisern; er schätzt die Süße des Getreides aus Frankreich. Auch der Roggen, aus dem der international rasch bekannt gewordene Kyrö Gin gebrannt wird (in Deutschland bei Sierra Madre im Vertrieb), kommt aus Estland. „Neutralalkohol aus Gerste stellt nach wie vor ein Staatsmonopol dar“, so Miika Lipiäinen. In der nach eigenen Angaben nördlichsten Gin-Destillerie der Welt, der alten Käse-Fabrik von Isokyrö, nutzt man arktische Cranberry, Birke und Mädesüß als Botanicals, wie man sich das vorstellt in Träumen vom Frostland.

Ein anderes Klischee, das der endlosen Wälder, muss Kyrö-Manager Lipiäinen negieren: „Für die Fasserzeugung nutzen wir das viele Holz nicht.” Das handwerkliche Know How sei nicht vorhanden und so sind es meistens 200 Liter-Fässer aus dem Ausland, die zum Einsatz kommen. Doch es gäbe auch so genug Spielraum mit nordischen Zutaten, „unser Master Distiller war früher Algenzüchter für die Universität Helsinki, da kommt sicher noch was“, lacht Miika, der seit zwei Jahren im Spirituosengeschäft ist. Und das dürfte wohl für die gesamte Suomi-Szene gelten.

Credits

Foto: Roland Graf

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