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Frank Audoux spricht im Interview darüber, wie das Cravan zum Maison de Cocktail wurde

Das Cravan ist jetzt ein „Maison de Cocktail“. Franck Audoux erklärt im Interview, warum es trotzdem radikal bleibt

Franck Audoux hat 2018 das Cravan eröffnet, ein auf 17 Plätze beschränktes, radikales Bar-Konzept, in dem jeder Cocktail aus nur zwei Zutaten besteht. Nun lenkt er ein weiteres Cravan: Es ist vier Stockwerke hoch und als „Maison de Cocktail“ die Fortführung seiner Idee, als Partner fungiert Moët Hennessy. Im Interview spricht Franck Audoux über seine Expansion, die Dualität der Dinge – und warum er trotzdem weiter im Geiste eines Außenseiters agiert.

Hoffnungslose Romantiker sind sie, die Franzosen, das weiß nun wirklich jeder. Sie trinken Wein und verlieben sich unsterblich in die Bedienung, außerdem haben sie trotz 35-Stunden-Woche den Existentialismus erfunden. Nebenbei verehren sie Helden, die in Deutschland bei der Berufsberatung höchstens als abschreckendes Beispiel dienen würden: „Im Wissen, dass eine Zukunft weder möglich noch erstrebenswert ist, empfinde ich Trost darin, nach dem Läuten des Weckers wieder einzuschlafen.“

Ein Zitat von Arthur Cravan, Dichter, Künstler und Boxer, alles mit recht überschaubarem Erfolg, außerdem Neffe von Oscar Wilde, was alles in allem zu einer typischen, weil fiskalisch irrelevanten Karriere im Dadaismus führte, und dann ist er natürlich auch nicht alt geworden. So jemandem errichtet man in Deutschland keine Monumente. In Frankreich schon.

Franck Audoux hat 2018 eine kleine Bar namens Cravan in Paris gegründet, im 16. Arrondissement, nicht gerade der typischen Ausgeh-Gegend der französischen Hauptstadt. Auch für Audoux, den neue Wege reizen, erwies sich Covid dann jedoch als eine jener Herausforderungen, die schnell an Reiz verlieren. Der von ihm eingeschlagene Pfad war jedoch spektakulär und offenbart eine gewisse Triumphbogen-Architektur: Das kleine Cravan im 16. Bezirk mit seinen paar Plätzen hat einen großen, einen richtig großen Bruder im 6. Bezirk bekommen; die Marke ist bei Moët Hennessy als sogenanntes Maison de Cocktail aufgegangen, in einer Reihe mit Namen wie Dom Pérignon, Château d’Yquem oder Ardbeg. Nun locken also die hell erleuchteten Worte des Namensgebers den Durstigen in einen wahren Genusspalast im Herzen von St-Germain-des-Prés: „Jene, überdrüssig der Suche nach dem Tag, sie sollen die Nacht genießen.“

MIXOLOGY: Lieber Franck, die Reise, die du und dein Cravan genommen habt, ist so beeindruckend wie ungewöhnlich. Auch dein eigener Werdegang war wenig geradlinig. Du warst auch in einem sehr bekannten Pariser Sternerestaurant tätig. Und auch eine Kunst-Vergangenheit gibt es?

Franck Audoux: Richtig. Ich war einer der Partner des Chateaubriand; wir haben 2006 eröffnet, und ich war da auch sehr lange tätig. Für meine Vision des Cocktails sind mir die beiden Teile meiner Vergangenheit sehr wichtig, das Restaurant und die Arbeit in einer Galerie für zeitgenössische Kunst. Meine Augen habe ich in der Kunstszene trainiert und meinen Gaumen in der Gastronomie. Mein Konzept für die Bar war und ist ziemlich radikal; kein Wein, kein Bier – das Ziel war, den Cocktail wieder ins Zentrum zu rücken, dabei alles andere zurückzustellen, auch das Ego, und sehr puristisch zu arbeiten. Weniger ist mehr, das gilt definitiv für mich.

MIXOLOGY: Das bedeutet konkret?

Franck Audoux: Zwei Zutaten, keine fancy Garnitur, ich lege Wert auf die Gläser, all sowas. Der Fokus liegt auf Balance, Geschmack, Aroma. Entsprechendes gilt auch für das Essen, und sogar der Ort des Lokals war bewusst radikal gewählt, weil ich weit im Westen eröffnet habe, im 16. Arrondissement, weit entfernt von dem üblichen Trubel. Mir ist der Weg wichtig, die Konfrontation mit Dingen, die in diesem Weg liegen, und auch das Gespräch darüber.

Das Cravan ist ein durchdachtes Gesamtkonzept
Das Cravan ist ein durchdachtes Gesamtkonzept

Cravan

17 Rue Jean de la Fontaine
75016 Paris

MIXOLOGY: Kann es sein, dass das auch so ein französisches Ding ist? Die französische Wertschätzung für den Genuss, für Essen und Trinken, ist ja weltweit zum Klischee geworden. Und auch die Verbindung von Cocktail zur Kunst – Rémy Savage ist da auch ganz vorne dabei –, ist so etwas typisch französisch?

Franck Audoux: Nun, mit Kunst hat das für mich nichts zu tun. Ich habe zehn Jahre lang mit zeitgenössischen Künstlern in einer Galerie gearbeitet; ich weiß ganz gut, was Kunst ist, und, na ja, jemand, der Cocktails macht, ist für mich kein Künstler; der Begriff „Kunsthandwerk“ trifft es vielleicht ganz gut.

MIXOLOGY: Dennoch ist der Namensgeber der mittlerweile beiden Cravans ein Künstler, und ein recht eigentümlicher dazu.

Franck Audoux: Ja, das hat auch mit der Dualität der Avantgarde zu tun, die mich fasziniert. Im Gegensatz zum 11. Arrondissement, wo alle Happenings stattfinden, wollte ich nach etwas Neuem suchen, aber nicht nur deshalb, um da das neue Ding zu sein, sondern einfach deshalb, um immer wieder darüber nachzudenken, was der nächste Schritt sein könnte. Wenn etwas schon fertig ist, interessiert es mich nicht mehr. Das ist auch der Grund, weshalb ich mich so für Geschichte interessiere, das hat nichts mit Nostalgie zu tun. Um den nächsten Schritt gehen zu können, muss man ganz genau wissen, was zuvor passiert ist. Ich will immer das machen, was die Menschen nicht von mir erwarten.

MIXOLOGY: Deshalb auch Arthur Cravan als Patron – eigentlich ja fast ein Antiheld?

Franck Audoux: Gut, Arthur Cravan, Neffe von Oscar Wilde, Dichter, Boxer, Freund von Duchamp und Picabia, auch André Breton, wird manchmal als Vorläufer der Surrealisten gehandelt, in Mexiko verschollen, eine Gestalt wie ein Trugbild. In der zeitgenössischen Kunst ist er legendär, weil er so von Mysterien umgeben ist, aber mehr als für das Mysterium steht Cravan für mich sinnbildlich für die Avantgarde. Sich nicht mit dem zufriedenzugeben, was schon gemacht wurde. Da zu sein, wo es die Leute nicht von einem erwarten. Auch wieder durch diese Dualität, Dichter und Boxer.

MIXOLOGY: Auf jeden Fall eine spannende Biografie, aber auch, um es provokant zu formulieren, kurzlebig und erfolglos. Keine Angst vor schlechtem Omen?

Franck Audoux: (Lacht) Nein, nicht wirklich. Weil wir immer noch über ihn reden, über diesen Charakter, und, wie es so schön heißt, wenn man nach deinem Tod immer noch über dich spricht, dann bleibst du auch lebendig. Und: Ich liebe die Außenseiter.

Auch im neuen, großen Cravan besteht jeder Cocktail aus nur zwei Zutaten, Garnitur gibt es nicht
Auch im neuen, großen Cravan besteht jeder Cocktail aus nur zwei Zutaten, Garnitur gibt es nicht
Das Design des Hauses verbindet eklektisch verschiedene Epochen
Das Design des Hauses verbindet eklektisch verschiedene Epochen

MIXOLOGY: Weshalb auch das erste Cravan ein Außenseiter ist, in einem Außenseiter-Bezirk, mit einem Außenseiter-Angebot.

Franck Audoux: Das erste Cravan im 16. Bezirk stammt 1911 von Hector Guimard, einem berühmten Architekten der Art Noveau, und wenn man die Bar betritt, würde man keine Cocktails der Jetztzeit dort erwarten. Für viele Menschen war eine Bar mit diesem Anspruch in dieser Gegend wie ein UFO. Nach der Eröffnung bekamen wir sehr viel Lob, und meine Vision des Minimalismus auch beim Cocktail erfuhr viel Zuspruch. Für mich hat Einfachheit nichts damit zu tun, dass etwas leicht sein könnte, aber ein komplexer Cocktail muss nicht kompliziert sein.

MIXOLOGY: Und dann kam in Frankreich, wie in jedem anderen Land der Welt auch, die Covid-Apokalypse.

Franck Audoux: Während Covid waren wir geschlossen, wie alle anderen. Das Cravan 16 war ja ein Prototyp, nur 17 Plätze, also ganz klein. Das war schon schwierig. Ich wollte dann kein Gefangener dieser kleinen Bar sein. Es gab für mich nur zwei Möglichkeiten: Entweder stehe ich das ganz alleine durch, mache die bestmöglichen Cocktails und sehe zu, was in zehn Jahren daraus geworden ist, oder ich suche Kontakt zu einer Gruppe, die mich versteht und begleitet, und für mich war diese Gruppe dann fast zwangsläufig Moët Hennessy. Dabei hat mich vieles angesprochen, schon allein das Konzept des Maison unter dem gemeinsamen Dach, auch das damit verbundene Erbe. Wir haben schnell festgestellt, dass wir dieselbe Sprache sprechen, und nun ist das Cravan unter diesem Dach ein Maison de Cocktail, wie Dom Pérignon ein Maison de Champagne ist.

MIXOLOGY: Dennoch könnte ich mir vorstellen, dass es für einen charakterstarken Menschen wie dich nicht leicht war, bis zu einem bestimmten Punkt auch seine Freiheit aufzugeben.

Franck Audoux: Nein, das hat aber mit dem Konzept des Maison zu tun. Das ist hier keine Moët-Hennessy-Bar, das ist ein Cravan. Ich bin der Créateur dieses Maisons genauso wie der künstlerische Direktor, und MH ist mein Partner. Ich bin völlig frei in meinem Handeln. Das Großartige an dieser Partnerschaft ist, wie leicht ich mich mit anderen Menschen der anderen Maisons in Verbindung setzen kann. Ich arbeite sehr eng mit Bill Lumsden zusammen, dem Master Blender von Glenmorangie, oder mit Vincent Chaperon, dem Chef de Cave von Dom Pérignon. Das ist für mich extrem befriedigend. Wie gesagt, das Wichtigste für mich sind die Verbindungen, die sich ergeben, dadurch ändert sich das gesamte Savoir Faire. Wenn ich mit Spirituosen arbeite, dann liebe ich es, mich mit den Menschen austauschen zu können, die sie geschaffen haben.

»Dieser Kontrast zu dem, was ich mache, einen Cocktail in einem Zeitfenster von wenigen Minuten zu produzieren, aber zum Beispiel mit einem Eau de Vie von 1825, das ist schon faszinierend. Ich wäre dumm, diese Verbindungen nicht zu nutzen.«

— Franck Audoux

Franck Audoux (rechts im Bild) mit dem belgischen Designer Ramy Fischler, der für die Gestaltung des neuen Cravan zuständig war
Franck Audoux (rechts im Bild) mit dem belgischen Designer Ramy Fischler, der für die Gestaltung des neuen Cravan zuständig war
Die originalen Holztreppen aus dem 17. Jahrhundert sowie eine rote Metalltreppe sind wichtiger Bestandteil. „Man kann hinauf und hinunter, sich treiben lassen, sich verirren.“
Die originalen Holztreppen aus dem 17. Jahrhundert sowie eine rote Metalltreppe sind wichtiger Bestandteil. „Man kann hinauf und hinunter, sich treiben lassen, sich verirren.“

MIXOLOGY: Ein beneidenswertes Privileg, das muss man zugeben.

Franck Audoux: Auf jeden Fall. Auch die Bottled Cocktails, die wir anbieten, sind aus einer intensiven Zusammenarbeit mit den Mastern von Glenmorangie oder Hennessy entstanden. Der Austausch ist für mich enorm wichtig. Der Cocktail Royal, den ich nur mit Champagner und einer pflanzlichen Infusion, ganz ohne Zucker, gemacht habe, entstand aus der Arbeit mit Vincent Chaperon. Es ist unglaublich aufregend, auch wenn es um das Verhältnis zur Zeit geht, zur Temporalität allgemein, wenn man mit Menschen zu tun hat, die mit Produkten von 1821 arbeiten. Dieser Kontrast zu dem, was ich mache, einen Cocktail in einem Zeitfenster von wenigen Minuten zu produzieren, aber zum Beispiel mit einem Eau de Vie von 1825, das ist schon faszinierend. Ich wäre dumm, diese Verbindungen nicht zu nutzen. Wenn ich zum Beispiel unseren Bottled Negroni mache, der etwas trockener und bitterer ist, dann arbeite ich mit einer Destillerie aus dem Elsass zusammen, die mir den Gin liefert, den ich will.

MIXOLOGY: Ganz klar. Was für ein Privileg, und was für eine Veränderung. Das alte Cravan mit seinen 17 Plätzen, und das neue, dieser Palast mit vier Stockwerken – der Unterschied könnte kaum größer sein.

Franck Audoux: Das stimmt schon, der Unterschied ist groß, aber so groß dann eigentlich auch wieder nicht. Die Idee des neuen Cravan war im Grunde, die Ideen des alten Cravan zu erweitern. Die wichtigen Referenzen aus Musik, Kino, Bücher, Mode, Design undsoweiter kann man im alten Cravan ganz direkt erfahren und berühren, und im neuen Cravan wird das einfach noch um ein Vielfaches ausgebaut. Das ist schließlich, wie gesagt, keine Bar mehr, sondern ein Maison de Cocktail. Ein Cocktail, nach meiner Vorstellung, öffnet zusammen mit dem Essen, das für mich wie ein Echo, eine Resonanz ist, und auch zusammen mit dem Ort, an dem alles erviert wird, ein Fenster zu anderen Universen, genau wie in einem Buchladen, wo jedes Regal seine eigenen Themen hat.

»Das wirklich Aufregende an dieser Zwischenkriegszeit ist das Zeitgemäße: alles, was in Kunst, Kino, Design oder Literatur heute relevant ist – es ist alles schon da, alles in dieser Zeit vorhanden. Das gilt auch für die Cocktails, die Brands und die Bartender selbst.«

— Franck Audoux

So sieht das neue Cravan im 16. Arrondissement von außen aus
So sieht das neue Cravan im 16. Arrondissement von außen aus
So sieht das Essen und Trinken innen aus: Wein und Bier gibt es in diesem „Maison de Cocktail“ nicht
So sieht das Essen und Trinken innen aus: Wein und Bier gibt es in diesem „Maison de Cocktail“ nicht

MIXOLOGY: Tatsächlich ist das Ergebnis mehr als beeindruckend, und man fragt sich, wieviel Zeit und Geld denn in die Entwicklung geflossen sein mögen.

Franck Audoux: Der Zeitaufwand hielt sich tatsächlich in Grenzen; ich glaube, von den ersten Überlegungen bis zur Eröffnung waren das ungefähr zwei Jahre. Das ging eigentlich recht schnell.

MIXOLOGY: Was war denn in dem Gebäude vorher untergebracht?

Franck Audoux: Das Haus stammt aus dem 17. Jahrhundert und hatte verschiedene Zwecke; es gab da Einzelhandel, es war auch mal ein Restaurant, aber über die letzten zehn Jahre hinweg war es ein Geschäft, und das Innere bestand im Grunde aus Neon und weißen Wänden. Schon im Cravan 16 habe ich viel von dem, was anfangs da war, weggenommen, um wieder mehr von Hector Guimard zu zeigen; ich habe also enthüllt, was schon existierte, und entsprechend wollte ich auch im Cravan 6 vorgehen: wieder das Haus aus dem 17./18. Jahrhundert zu zeigen. Wir haben viel recherchiert, im Louvre und auch woanders, um herauszufinden, wie denn ein Haus im 18. Jahrhundert ausgesehen hat. Das Erdgeschoss war meistens ein Geschäft, eine Apotheke oder etwas Ähnliches, das wir nachempfunden haben, während der erste Stock eher häuslich gestaltet ist, und im zweiten Stock gibt es eine Bibliothek. Um dann wieder diese Dualität zu erzielen, die das Cravan ausmacht, gibt es neben dem geschichtlichen Aspekt auf jedem Stockwerk eine Box, die eine andere Geschichte in einem anderen Design erzählt. Das Erdgeschoss ist eigentlich eine Hommage an das Cravan aus dem 16. Bezirk, mit seinem Design aus der Art Noveau. Der erste Stock ist inspiriert von einer Apotheke, das Design eher aus den 1970ern oder 1980ern, ein bisschen elektro. In der 17.-Jahrhundert-Bibliothek im zweiten Stock gibt es eine Box in Gestalt einer Buchhandlung von heute. Im dritten Stock, gewidmet den Bottled Cocktails, gibt es eine Mischung aus Küche und Labor, in der die Bottled Cocktails direkt serviert werden. Es wird also jedes Mal noch eine zweite Geschichte erzählt, weshalb es im gesamten Gebäude auch immer noch ein Backstage gibt. Weil alles da auch eine Bühne ist, alles eine Geschichte erzählt, und diese Geschichte handelt vom Cocktail.

MIXOLOGY: Wie funktioniert der tägliche Ablauf in so einem Bar-Konstrukt? Gibt es dann nur Reservierungen, oder kann man auch spontan vorbeikommen?

Franck Audoux: Das meiste läuft über Reservierungen, aber wir sehen auch zu, dass wir noch Raum für Walk-Ins haben. Nun, jedes Stockwerk hat sein eigenes Design und funktioniert für sich allein; wenn man also bucht, dann kann man sich sein Stockwerk aussuchen. Was dabei für mich auch noch extrem wichtig ist: Es gibt zwei Treppenhäuser, die originalen Holztreppen aus dem 17. Jahrhundert, und rote Metalltreppen. Sie verkörpern die Idee des großen Hauses, die Triangulation, man kann hinauf und hinunter, sich treiben lassen, sich verirren. Und bei allem geht es darum, Menschen einzuladen, es geht um die Verbindung, die Transversalen, über die Inhalte, die verschiedenen Berufe und Hintergründe hinweg. In der Bibliothek veranstalten wir Lesungen, Signierstunden, zuletzt über Rizzoli New York mit Pharrell Williams, einen Monat haben wir etwas über Typographie gemacht, wie sie von New Yorker Gangs und im Hip Hop verwendet wird; das hat mich auch sehr begeistert.

MIXOLOGY: Man darf an dieser Stelle auch erwähnen, dass du selbst bei Rizzoli ein Buch veröffentlicht hast, „French Moderne Cocktails“, eine wunderschöne Mischung aus Rezept-, Geschichts- und Kunstbuch.

Franck Audoux: Vielen Dank! Ja, ich arbeite auch gerade an einem neuen Buch, das in etwa zusammenfasst, wie ich das Cravan denke. Alphabetisch gegliedert wird da jedem Buchstaben ein kleiner Text zugeordnet. French Moderne Cocktails war gedacht als Schlaglicht auf diese Epoche, darauf, dass der Cocktail mehr war als eine Modeerscheinung, sondern sinnbildlich stand für die Zeit nach dem ersten Weltkrieg, genauso wie der Jazz, Charleston, die Roaring Twenties eben, Frauen, die Zigaretten rauchen und Cocktails trinken. Das wirklich Aufregende an dieser Zwischenkriegszeit ist das Zeitgemäße: alles, was in Kunst, Kino, Design oder Literatur heute relevant ist – es ist alles schon da, alles in dieser Zeit vorhanden. Das gilt auch für die Cocktails, die Brands und die Bartender selbst.

MIXOLOGY: Cocktailbars sind auch immer ein Zivilisationsmerkmal; das sieht man ja auch gerade in dieser Zeit, als eine sehr ähnliche Gesellschaft sowohl in Deutschland als auch in Frankreich entsteht, bei den eigentlichen Erbfeinden.

Franck Audoux: Absolut. Paris und Berlin waren sich da sehr ähnlich. Eine großartige Zeit.

MIXOLOGY: Lieber Franck, herzlichen Dank für das Interview!

Franck Audoux signiert seine Bücher mit dem bekannten Faulkner-Zitat: „Die Vergangenheit ist nicht tot. sie ist nicht einmal vergangen.“ Wenn man nun sämtliche Dualitäten, Stages und Backstages, Zitate und Prophezeiungen des Cravan so umfassend wie möglich aufgenommen hat – samt der begleitenden Getränke, versteht sich – dann mag ein anderes Zitat ebenfalls wieder Gültigkeit erlangen, und zwar eines von Arthur Cravan selbst: „Die Ursache eines langsamen Todes ist Gesundheit.“

Credits

Foto: Alice Fenwick (Porträts & Cocktails); Vincent Leroux (Interior)

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