Das Pariser Le Syndicat zwischen Heritage und Hard Seltzer
Das 2014 eröffnete „Le Syndicat“ ist heute eine der einflussreichsten Bars in Paris mit einem Fokus auf französische Produkte. Bei Bar haben es Romain Le Mouëllic und seine Mitstreiter allerdings nicht belassen: Von ihrem eigenen Hard Seltzer „féfé“ hat die Bar im vergangenen Jahr eine Million Dosen abgesetzt. Ein Besuch in der Geschmacksschmiede im 10. Arrondissement.
Kommen wir zunächst einmal zur Wortklärung. Ein „Syndikat“, das ist ein Unternehmenszusammenschluss in Form eines Kartells und entstammt dem französischen „syndicat“, also dem wörtlichen „Verwalter“. Ganz ursprünglich kommt es vom lateinischen Wort „syndicus“, entstammend des griechischen σύνδικος, dem „Verwalter einer Angelegenheit“.
Unterm Strich gesagt, braucht jeder Mensch ein Syndikat.
„Where grandpa spirits go gangsta.“
Glücklich können sich die Barflys im Kiez des 10. Arrondissement schätzen. Die Bar in der 51 Rue du Faubourg Saint-Denis wird weder hell beleuchtet, noch sonst wie äußerlich angepriesen. Sieht aus wie eine Eckkneipe, dabei liegt es nicht einmal an einer Ecke. Trotzdem ist das Le Syndicat ist neben Combat (und der neuen Bar von Margot Lecarpentier, Petit Combat) eine der einflussreichsten Bars der Stadt.
Einflussreich, weil dort hingeht, wer wissen will, was derzeit geschieht. In Frankreich. Mit der französischen Spirituose: Cognac, Armagnac, Calvados und Chartreuse. Co-Gründer Romain Le Mouëllic hat sich mit Sullivan Doh definitiv etwas dabei gedacht, als er 2014 seine Flüsterbar im damals noch gar nicht allzu gentrifizierten Szeneviertel eröffnete, inzwischen und seit Jahren auch festes Inventar auf der Liste der „World’s 50 Beste Bars“.
Sein unverkennbarer Ansatz und Anlass für einen jeden an französischer Trinkkultur interessierten Menschen ist klar wie Kloßbrühe. Oder, um genau zu sein, in diesem Falle eher wie Rinderkraftbrühe. Doch dazu später mehr. Le Mouëllics Mission in einer Nussschale: Er wollte einen Ort gründen „where grandpa spirits go gangsta.“ Sollte die französische Spirituose bis zur Eröffnung dieser Hausnummer – denn mehr ist diese völlig verklebte Bar von außen betrachtet nicht – eine Gewerkschaft gebraucht haben: Hier ist sie. Sie spielt Hip Hop und hat auch nach Jahren nichts an marodem Charme verloren.
Le Syndicat
51 Rue du Faubourg Sain-Denis
75010 Paris
Mo - So 18 - 2 Uhr
Die neueste Karte ist die anspruchsvollste
Im Gegenteil, denn obgleich Le Mouëllic auch gern auf Oldschool setzt, stehen die geschmacklichen Vektoren in der Gegenwart. Seine frisch kuratierte Karte „Sous la Même Étoile“, übersetzt etwa „Unter demselben Stern“, ist in seinen Augen die bislang anspruchsvollste. Sie enthält zwölf Cocktails, entworfen von sechs Küchenchefs, die sich – auf Basis traditioneller französischer Küche und im Blick auf Herkunft und originellem Einsatz der Zutaten – jeweils zwei derer annahmen. Polarisierend, redaktionell jedoch für unschlagbar befunden: Der Drink „Ossa“, erdacht von Adrien Cachot, einem der jüngsten Spitzenköche der Nation und serviert in einem knochenartigen Gebilde; doch anstelle des Marks ist da eine exzellente Flüssigkeit aus französischem Vodka, grünem Pfeffer und einer dicken, dunklen Rindsbouillon. Wärmer wird dieser Winter nicht mehr.
Der Tatsache, dass Fisch in der französischen Küche ein elementares Element spielt, ist wiederum Amandine Chairgnot und ihren drei Restaurants anzumerken. In ihrem Pouliche serviert sie vorwiegend pescetarisch, weshalb auch ihr Le Syndicat-Drink „Kissin’ Pink“ ein gewürzintensiver Daiquiri mit Dill, Sauerklee und Austernpflanze, sehr fischkompatibel ist: ein tonisch-säuerlicher und salzig-frischer Drink, garniert mit Skipjack-Thunfisch-Streifen. Passt auch zum Fischbrötchen, oder der Lachsquiche, auf die Hand und to-go.
Die Bar wird demokratisch
Schon bald nach der Eröffnung des Le Syndicat fiel Le Mouëllic und seinen beiden Headbartendern Thibault Massina and Romain Aubert auf, dass sie an Parties zwei Dinge stören: Zum einen finden Qualität der Party und der Drinks ausgesprochen selten auf ähnlichem Level statt, zum anderen trinke man immer dasselbe – nie aber französische Spirituosen: „Zumindest niemand unter vierzig.”
Mit dieser Idee sollten die scheinbaren Widersprüche vereint werden: Tradition und Innovation, Luxus und Bodenständigkeit, Highend-Kneipe mit neongelben Plüschvorhängen. Das ist auch die Antwort auf die Frage, wie die kleine, linke Bar mit den hohen Zahlen in Einklang zu bringen ist: féfé.
So nennt sich die Pariser Highend-Version des Hard Seltzer, sage und schreibe eine Millionen Dosen habe man im vergangenen Jahr abgesetzt, so Le Mouëllic, das beliebteste Produkt sei der Aprikosen-Pfirsich-Ingwer-Drink mit 5 Vol.%. Aus der Sicht von Le Mouëllic bewegt sich die Cocktailszene seit gut zwei Jahren bereits aus dem elitären Segment in das demokratische. Er vergleicht die Zusammenarbeit zwischen féfé und Bar mit der Erstellung einer Spirituose und ihrer Ausarbeitung im Fass: „Das Unternehmen ist gedacht als ein Ort, wo die Cocktail-Industrie vorangebracht wird. Die Bar ist demnach quasi wie das Fass für die Spirituose”, definiert Le Mouëllic. Der Kellermeister ist also der Headbartender, die Gäste probieren und kommunizieren, etwa als Influencer und Presse.
Mit Influencern und Werbepartnern hat es féfé in der Tat drauf. féfé steht kurz für F.F, „Fait en Franc“ und außerdem für den Namen des französischen Rappers Samuël Adebiyi, besser bekannt unter – ebenfalls – féfé, in disem Fall „formerly Féniksi“; seine Musik läuft naturgemäß vor Ort in der Bar, aber auch bei Chanel und Prada, wo hinter den Kulissen des Catwalks mitunter féfé serviert wird. „Wir haben auch schon ernstlich über eine Prada-Dose nachgedacht, denn wo Kreativität herrscht, ist schließlich alles möglich“, so Massina.
Hard Seltzer aus dem Syndicat
Wonach schmecken diese Möglichkeiten allerdings konkret? Es handelt sich um Hard Seltzer auf Vodka-Basis im Low-ABV-Bereich zwischen 5 % Vol. und 12 % Vol., eingeteilt in Cocktails, Longdrink und Fine à l’Eau. Ihnen gemein ist, dass sie zu hundert Prozent aus natürlichen Zutaten bestehen, in Frankreich produziert werden und trinkbereit sind.
Groß geschrieben wird hier Terroir: Der organisch hergestellte Vodka wurde in Cognac destilliert, die Kräuter kommen aus Grasse, das „Canning“ findet dann wieder in Cognac oder den Pyrenäen statt. Die Aromen reichen von Gurke und Eukalyptus über Aprikose und Ingwer bis zu Sandelholz und weißem Pfeffer. Um die Geschmäcker zu entwickeln, steckt Le Mouëllic Bartender und Parfümeure in Grasse zusammen. „Das ist immer lehrreich und lustig, wenn zwei Fachleute mit unterschiedlichem Zugang und auch verschiedenen Assoziationen aromatisch zusammenarbeiten. Die Franzosen mögen ein wenig länger mit allem brauchen, aber wenn sie einmal auf den Trichter gekommen sind, sind sie ganz verrückt danach”, lacht er.
Auch der Austausch mit den Gastronom:innen war keineswegs einseitig; so hat beispielsweise Chef Amaury Bouhours aus dem Le Meurice nicht nur einen Drink auf der Karte der selbst ernannten „Organization in Defense of French Spirits“ gespendet, sondern auch das féfé Tonic Juniper Grapefruit Seltzer mit auf seine Karte genommen.
Wie gesagt: Jeder Mensch braucht ein Syndikat.
Credits
Foto: Le Syndicat