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Inventur | Mixology Magazin für Barkultur

Inventur am 28. April 2019 – Chemie im Wein & der Hype ums Bar-Menü

Am Gründonnerstag, also vor zehn Tagen, hat sie endlich angefangen: Die Saison der MIXOLOGY BAR AWARDS 2020. Denn seit diesem Tag sind die über 500 Mitglieder des Jury-Beirats aus Deutschland, Österreich und der Schweiz aufgerufen, ihre Nominierungen für die Long List der Awards abzugeben, die schließlich am 6. Oktober 2019 verliehen werden.

Noch bis zum Ende der ersten Maiwoche sind die Bartender, Barbetreiber, Journalisten und Industriemitarbeiter aus dem Beirat angehalten, die besten Bars, Bartender und Produkte in insgesamt 14 Kategorie zu nominieren. Erst nach dieser ersten Nominierungsrunde tritt dann die eigentliche Jury auf den Plan. Traditionell wird die Long List Anfang August bekanntgegeben, also rund zwei Monate vor der Verleihung am Vorabend des Bar Convent Berlin. Die Zeit bis dahin vertreiben wir uns – wie jeden Sonntag – mit einem Blick auf die flüssigen Themen der Woche.

Wenn Schwefel zur Nebensache wird: Zusätze im Wein

Es ist kurios: Bis heute haftet Wein der Ruf eines durchweg hochwertigen und vor allem unverfälschten Naturproduktes an. Woran das liegt? Wir wissen es nicht. In einem Land, in dem für eine Flasche Wein durchschnittlich unter € 2,50 bezahlt werden, ist eine solche Vorstellung sogar ziemlich verblüffend.

Wie haarsträubend es allerdings in der Weinindustrie um (erlaubte!) Zusatzstoffe bestellt ist, das beleuchtet der Sommelier und renommierte Kulinarikjournalist Sebastian Bordthäuser in seinem umfangreichen Essay für die Kollegen von Effilee. Kenntnisreich und unterhaltsam führt Bordthäuser dabei nicht nur in den Kosmos der teils erschütternden Substanzen ein, die in den Wein wandern dürfen – er thematisiert gleichsam auch die Verschwiegenheit der Branche, der Winzer, der Händler und nicht zuletzt auch jene der Institute und Behörden. Wer nach dem Artikel noch immer nicht genug hat, kann auch das entsprechende Amtsblatt der EU zum Thema studieren, das niemand aus der Branche gern erwähnt. Prost. Oder eher nicht?

Einfach weniger Alkohol? Ein globaler Trend, der sich festigt

Ja, das Thema ist in diesem Jahr tatsächlich so präsent wie noch nie zuvor: Folgt man zahlreichen Studien, Umfragen und Erhebungen, ist Alkohol so »out« (oder zumindest so wenig »in«) wie nie zuvor. Der Konsum geht nicht nur hierzulande stetig zurück, auch global nehmen sich von Jahr zu Jahr mehr Menschen das Motto »drink less, but better« zu Herzen – oder sie trinken generell keinen Alkohol mehr.

Das stellt natürlich auch die Getränke-Industrie vor große Herausforderungen. Ein umfassender Beitrag aus der Februar-Ausgabe von The Spirits Business ist nun online verfügbar. Der Text von Melita Kiely beleuchtet aktuelle Zahlen und Entwicklungen und lässt auch Vertreter der Spirituosenindustrie zu Wort kommen. Viele interessante Beobachtungen finden sich dort, wenn auch die These, dass Seedlip im Alleingang einen neuen Markt erschlossen habe, vielleicht doch ein wenig zu steil ist.

Die wechselnde Cocktailkarte – Notwendig oder No-Go?

Die regelmäßig wechselnde Cocktailkarte ist eines jener grundlegenden Phänomene der sich in den letzten zwei Jahrzehnten entwickelnden Barkultur. Mit ihr drücken Bars und Bartender nicht nur ihre Kreativität aus, sondern auch ihre Nähe zum Puls der Zeit, zu Trends und zu wichtigen Entwicklungen. Schließlich gab es ja die »Craft Cocktail Revolution« nicht, damit am Ende wieder ausschließlich Negronis und Manattans auf der Karte stehen. Ein immer wieder wechselndes Menü ist daher in vielen Bars inzwischen der Normalfall – ob saisonal, saisonal-regional, artifiziell oder sonstwie konzeptionell.

Doch freilich hat auch diese Errungenschaft ihre negative Seite, wie Fachautor Robert Simonson beim Punch Magazine feststellt: Die jahreszeitlich, monatlich oder gar noch öfter wechselnde Cocktailkarte sei im Prinzip nicht nur ein Affront gegen viele Stammgäste, sondern setze auch das Team unter Druck, krampfhaft schöpferisch zu sein. Und wer perfektioniert seine Drinks wirklich, wenn es sie immer nur ein paar Wochen gibt? Diese und weitere Fragen stellt Simonson durchaus zu recht. Gleichzeitig scheint es, als habe er für den Beitrag ausschließlich mit Bartendern gesprochen, die schlechte Erfahrungen mit wechselnden Menüs gemacht haben. Die Wahrheit – auch die über wechselnde Cocktailkarten – liegt sicherlich, wie sonst auch, irgendwo in der Mitte.

Sake: auf dem großen Sprung?

Sake gehörte bereits vor einigen Jahren schon zu den erklärten kommenden Boom-Kategorien der Bar- und Gastroszene. Seine Kollegen darin waren etwa Bourbon und Rye Whiskey, Tequila oder Mezcal. American Whiskey hat es sich hierzulande durchaus im Premiumsegment bequem gemacht. Hochwertiger Tequila ist in den USA mittlerweile ein Standard. Mezcal scheint, zumindest in Europa, doch eher dauerhaft in der Nische zu verbleiben (siehe MIXOLOGY 2/2019). Und wie sieht es mit Sake aus?

Der steht, jedenfalls im Trendmarkt USA, offenbar in den Startlöchern, um einem breiteren Publikum bekannt zu werden, wie SevenFiftyDaily recherchiert hat. Die Gründe liegen eigentlich auch auf der Hand: Schier endlose, aber oft zugängliche Aromenvielfalt, wesentlich bessere Verfügbarkeit als noch vor wenigen Jahren, gestiegene Neugier beim Verbraucher, hervorragende Eignung als Speisenbegleiter und nicht zuletzt ein vergleichsweise niedriger Alkoholgehalt (siehe oben) qualifizieren den japanischen Reiswein in vielerlei Hinsicht als Zukunftskategorie. Nicht nur in der Bar, wo er auch mit seiner Mixability punktet, sondern als generelle Bereicherung. Da wird man durstig. Wir wünschen noch einen schönen Sonntag!

Credits

Foto: Shutterstock

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