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Inventur

Inventur am 1. August 2021 – Flutwein für den Wiederaufbau & Bar-Nostalgie unter der Lupe

Die verheerende Flut traf das Bundesland Rheinland-Pfalz stark, insbesondere die Region Ahrweiler hatte verheerende Schäden zu verzeichnen. Bekannt ist diese vor allem für ihren Weinbau, und viele Familienbetriebe im Weinbau sowie in der Gastronomie haben durch die Naturkatastrophe fast alles verloren.

Die Startnext-Kampange „Flutwein“ unterstützt beim Wiederaufbau, und der Name ist hier Programm: Ersteigert werden können Flaschen, die tatsächlich die Flut überstanden haben. Und das sieht man ihnen auch nach wie vor an: Die Flaschen sind schlammverschmiert, so wie man sie geborgen hat, und werden auch so verschickt. Ein ganz besonderes Projekt, das Unterstützung verdient hat. Und damit hinein in die weiteren Themen der Woche:

Die Auswirkungen auf das eigene Konzept

Einen kurzweiligen wie konkreten Text aus der Praxis liefert der Gastronom Mike Baxter für das Class Magazine. In diesem geht der Betreiber des Gonzo’s Tea Room der Frage nach, ob und wie er sein Konzept durch die Lockerungen für die Gastronomie wieder anpasst an die Zeit vor der Pandemie. Denn das Gonzo’s Tea Room ist keine kleine, gemütliche Bar, sondern ein Hybrid aus Bar, Restaurant und Club. Seine großen Räumlichkeiten wurden durch die Corona-Auflagen natürlich anders genutzt, das Gedränge an der Bar wich einer großzügigen Anordnung von Tischen und Tischservice.

Nun stellt er sich die Frage, die auch für viele andere Dive-Bars gelten dürfte: Dabei bleiben oder zurück zum alten Modell? Selbst seine eigenen Bartender:innen seien unschlüssig, so Baxter. Eine Folge der Umorientierung sei gewesen, dass viele Gäste die Cocktails erst wahrgenommen hätten, das Trinkgeld besser geworden sei und überhaupt mehr persönliches Service Einzug gefunden hätte. Aber die Sehnsucht nach früher, wo die Reihen am Tresen „four deep“ gewesen sei, bleibt natürlich.

Die Barkultur und die Nostalgie

Ein ebenfalls ausführlicher Beitrag im Punch Magazine geht der Frage nach: Hat Cocktail-Kultur ein Nostalgieproblem? Im Kern geht Autor Scott Hocker der Therorie nach, ob man sich wirklich noch so stark an dem Goldenen Zeitalter des Cocktails, also dem Ende des 19. Jahrhunderts mit all seinen Protagonisten wie Jerry Thomas und Harry Johnson, orientieren sollte? Oder ob es nicht vielmehr Zeit wäre, damit aufzuhören, diese Ära zu verklären?

Mit zahlreichen O-Tönen und Zitaten von prominenten Bar-Protagonist:innen von Monica Berg über David Wondrich bis Shannon Mustipher untermauert er seine These, dass ein ständiges Zitieren und vor allem eine „Heiligsprechung“ dieses im Kontext der Geschichte doch relativ kurzen Zeitraumes nicht mehr notwendig sei, ebenso wenig wie das Bild des Bartenders mit Schnauzbart und Hosenträger. Ein wenig stellt sich beim Lesen die Frage ein, ob sich jede Sachlage, die er anspricht, tatsächlich überhaupt noch so verhält. Aber bei anderen wiederum trifft der Text ins Schwarze und wirft auch wichtige Fragen auf. Definitiv lesenswert.

Besser ohne Garnitur?

Wer immer schon gedacht hat, dass um die Garnitur eines Drinks zu viel Brimborium gemacht wird, sollte den Beitrag von Max Allison für den Australian Bartender lesen. Allison ist Betreiber des Good Measure, das in Kürze in Melbourne eröffnet, und hat ebenfalls wenig Vorliebe und Verständnis dafür, jeden Drink mit einem Garnish zu verzieren.

Der Bartender macht dies aber nicht in einer persönlichen Polemik, der einfach nur individuelle Präferenzen zugrunde liegen. Er untermauert seine Einwände gegen seiner Meinung nach vielfach überflüssige Garnituren auch mit vielen Beispielen aus der Praxis, ob es sich nun um essbare oder nicht-essbare Garnishes handelt, ob es um Pairings oder um den olfaktorischen Reiz geht. Es mag dabei also nicht unbedingt verwundern, dass vor allem dehydrierte Früchte ganz besonders schlecht wegkommen. Ein schöner, wahrer und unterhaltsamer Text.

Liquid Market mit Premiere in Berlin

Eigentlich hätte es im letzten Jahr schon so weit sein sollen, aber die Coronapandemie machte diesen Plänen einen Strich durch die Rechnung. 2021 aber ist es soweit: Bert Jachmann und sein Liquid Market feiern ihre Premiere in Berlin. Seit 2016 bereits veranstaltet der in Wien lebende, deutsche Barbetreiber in seiner Wahlheimat diesen zweitägigen Event, nun bringt er ihn auch in die deutsche Hauptstadt. Genauer gesagt: in den Innenhof der Königlichen Porzellan-Manufaktur (KPM), wo der Liquid Market am 6. und 7. August stattfinden wird (jeweils 15:00 – 22:00 Uhr).

Ein Tagesticket kostet € 48, ein Festivalpass € 78, beides ist online über die Website buchbar. Das Ticket beinhaltet alle Cocktails, die von den teilnehmenden Bars präsentiert werden, sowie Wasser auf dem gesamten Festivalgelände. Das weitere Programm bietet Streetfood, Verkostungen, Workshops und Musik. Wir wünschen gutes Gelingen bei diesem stattlichen Unterfangen und werden sicher vorbeischauen …

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