TOP
Jeff »Beachbum« Berry Interview

Im Zweifel für die frische Frucht: Jeff »Beachbum« Berry im Interview

Jeff »Beachbum« Berry ist eine bedeutende Persönlichkeit der »New Tiki Wave« und wurde vom Imbibe Magazine zu den 25 einflussreichsten Cocktail-Stimmen des letzten Jahrhunderts gezählt, während die New York Times ihn als »Indiana Jones of Tiki Drinks« sieht. Er hält Vorträge, schreibt Bücher und betreibt die Bar „Latitude 29“.

Sind fertige, gekaufte Sirupe und Pürees in einer hochwertigen Bar heutzutage noch angemessen? Darüber hat MIXOLOGY Online mit Tiki-Legende Jeff »Beachbum« Berry gesprochen, der anlässlich seiner Zusammenarbeit mit Reàl Ingredients in Berlin zu Gast war. Denn auch er findet zu dem Thema keine eindeutige Antwort.

Jeff »Beachbum« Berry Interview
Verkostungsrunde: Ein Planter’s Punch mit Twist.

MIXOLOGY: Jeff, wir erleben seit Jahren eine Bar-Renaissance und Tiki wird dabei ein immer größeres Thema. In den 90ern hatte der Tiki-Stil seinen vorläufigen Tiefpunkt erreicht, nachdem ausgerechnet Donald Trump 1989 die »Trader Vic’s« Bar im Trump Tower schloss, weil sie ihm zu »tacky« war…

Jeff »Beachbum« Berry: Noch ein Grund, Trump zu hassen! Als gäbe es nicht genügend Gründe Trump zu hassen!

MIXOLOGY: Wie hat sich Tiki davon erholt? Was ist neu und was bleibt eher traditionell in der Tiki-Kultur?

Jeff Berry: Grundsätzlich machen in den USA noch immer überall neue Craft-Cocktail-Bars auf, auch viele Bars mit Tiki-Einschlag. Alleine in diesem Jahr sind unzählige dazugekommen. Mich überrascht das, denn ich hätte gedacht, dass der Trend so langsam vorbei sein müsste. Das fing etwa 2009 an, jetzt sind es zehn Jahre. Am Anfang passierte das nur in den großen Städten, Los Angeles, San Francisco, Chicago oder Miami. Jetzt eröffnen neue Tiki Bars in Tulsa, Indianapolis und Detroit.

MIXOLOGY: Hast Du vielleicht ein paar Namen für uns? Bars, die man unbedingt besuchen sollte?

Jeff Berry: New York hat sich lange geweigert, beim Tiki-Trend mitzumachen, vor allem wegen dieser Trump-Sache. Heute gibt es dort einen Laden, The Polynesian. Da würde ich auf jeden Fall Stelle vorbeischauen.

» New York hat sich lange geweigert, sich am Tiki-Trend zu beteiligen. Vielleicht war das sogar eine Folge dieser Sache mit dem ›Trader Vic’s‹ im Trump Tower. «  – Jeff »Beachbum« Berry

Jeff »Beachbum« Berry Interview
Jeff »Beachbum« Berry`s Vortrag beim Launch Event von Reàl Cocktail Ingridients.

MIXOLOGY: Wir sind hier bei einer Veranstaltung von Reàl Cocktail Ingredients, Frucht-Pürees und Sirup. Ist das noch zeitgemäß, in Zeiten in denen viele Bars ein halbes Chemielabor im Hinterzimmer haben?

Jeff Berry: Ich mag die Produkte, sonst wären wir nicht hier. Ich würde mich niemals von einem Produkt einspannen lassen, das ich nicht vertreten kann. Natürlich machen wir viel selbst im Laden, aber nur, weil wir müssen.

Es gab eben kein gutes Passionsfrucht-Püree, also mussten wir es selber machen. Aber das kostet uns eine Menge Zeit und rechnet sich natürlich nur schwer. Wenn ich einen Mitarbeiter für Stunden abstelle, damit der irgendeinen Sirup oder Püree macht, nur damit ich die nächsten drei Tage alle Zutaten für einen Off-Menu-Drink habe, den im schlimmsten Fall niemand bestellen wird, dann ist das ein Verlustgeschäft.

Versteh mich nicht falsch: Wenn es keine gute Qualität gibt, dann muss man es halt selber machen, ich würde niemals auf Qualität verzichten. Aber sobald es gute Qualität in der Flasche gibt, bin ich der erste, der zu so einem Produkt greift. Wir haben 22 Sirupe im Latitude, zehn davon machen wir selbst. Und bei Reàl gibt es die Qualität einfach her.

MIXOLOGY: Ihr benutzt also das Passionsfrucht-Püree von Reàl?

Jeff Berry: Nun ja, also, nein. Das machen wir selbst.

»Wenn es keine gute Qualität gibt, dann muss man es halt selber machen, ich würde niemals auf Qualität verzichten.«  — Jeff »Beachbum« Berry

MIXOLOGY: Wofür benutzt Du denn am ehesten ein fertiges Produkt?

Jeff Berry: Schau, wir haben zum Beispiel einen »Zombie« auf der Karte, bei dem fünf verschiedene Zutaten in Tropfen und Dashes abgemessen werden müssen. Wenn ich in eine Bar komme, dann möchte ich eigentlich nicht, dass mein Drink zehn Minuten alleine in der Zubereitung benötigt. Wir erlauben uns solche Drinks. Aber für diesen Drink zum Beispiel haben wir einen »Undead Mix«.

MIXOLOGY: Gibt es einen Cocktail, den Du unseren Lesern ans Herzen legen möchtest? Vielleicht einen aus dem Latitude 29?

Jeff Berry: Ich liebe alle meine Drinks! (lacht) Aber wenn Du mich besuchen kommen würdest, und wir würden für einen Drink in meinem Restaurant vorbeischauen, dann ist mein erster Drink, den ich bestelle und den ich Dir bestelle, der »Rum Barrel«. Ein Original von Don the Beachcomber. Ein guter Drink, aber vor allem ist er so kompliziert zu machen!

Da sind ungefähr 16 Zutaten drin, und ich bin immer froh, wenn ich ihn nicht machen muss, aber zuschauen kann, wie er gemacht wird. Das ist ja auch Qualitätskontrolle! (lacht)

Naja, mein zweiter Drink ist dann meistens ein »Navy Grog«, und wenn meine Frau nicht dabei ist und ich einen dritten trinken kann, dann einen »Pearl Diver«, auch ein Cocktail von Donn Beach. Ein Drink mit Honigbutter, die man eigentlich nur aus heißen Getränken kennt, Hot Toddy oder Buttered Rum, aber Don the Beachcomber hat daraus einen kalten Drink gemacht. Die Samtigkeit der Butter, die erdige Süße vom Honig, das ist es, was diesen Drink ausmacht. Und was ihn zu einem Bestseller bei uns hat werden lassen.

MIXOLOGY: Ist das Rezept in deinem neuen Buch zu finden?

Jeff Berry: Du meinst die 10 Years Edition von »Sippin Safari«?

MIXOLOGY: Genau.

Jeff Berry: Ja, da steht was drüber drin. Das erste Buch ist 2007 erschienen, also noch vor der »Craft Cocktails« beziehungsweise auch vor der Tiki-Revolution. Und ich habe das Buch mit dem Blick in die Vergangenheit geschrieben. Quasi ein historischer Blick. Und ich dachte: Das ist es jetzt. Ende der Geschichte. Aber zwei Jahre, nachdem das Buch erschienen war, kam dieses Revival…

MIXOLOGY: …das ja in gewisser Weise auch dem Buch mit zu verdanken ist?

Jeff Berry: Sicher. Jedenfalls eröffneten plötzlich überall neue Bars und benutzten die Rezepte aus dem Buch. Aber vor allem hat die Craft-Cocktail-Revolution dafür gesorgt, dass die Rezepte wieder lebendig wurden und plötzlich war mein Buch nicht mehr aktuell – keine zwei Jahre nach Erscheinungsdatum. Der zehnte Geburtstag des Buches ist meine Chance gewesen, das aufzuholen.

Jetzt gibt es hinten im Buch auf 40 Seiten ein Nachwort, das eine Chronologie des Tiki-Revivals zu sein versucht; und vorne 40 Seiten Einleitung, in denen ich über die Wurzeln des Revivals spreche. Und schlussendlich gibt es noch etwa 40 neue Rezepturen, die den Text selbst noch erweitern. Und hoffentlich wird es noch eine »20 Years Edition« geben, die noch etwas dicker ausfallen wird.

MIXOLOGY: Jeff, wir bedanken uns herzlich für das Interview.

Dieser Artikel beinhaltet Affiliate Links.

Kommentieren