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Spritzig schalten mit dem Leap Year Cocktail

Leap Year steht für Schaltjahr. Genau aus diesem Anlass wurde der Gin-Cocktail einst von Harry Craddock entwickelt. Zu größerer Bekanntheit hat es der Drink nicht gebracht, aber am Geschmack kann das nicht liegen.

Seit es Cocktails gibt, denken sich Menschen auch Drinks zu besonderen Anlässen oder Momenten aus. Und wen wundert es? Schließlich braucht man lediglich die Funktionsweise der wenigen wirklich grundsätzlichen Cocktail-Gattungen zu verinnerlichen – und schon steht ein quasi unerschöpflicher Variantenreichtum zur Verfügung. Um einen Drink, der genau dieses Muster bedient und einen einfach wunderschönen Namen hat, soll es heute – am 29. Februar – gehen.

Leap Year Cocktail wurde 1928 erfunden

Ein Meister des besagten Variantenreichtums war Harry Craddock, legendärer Headbartender der American Bar im Londoner Savoy Hotel und Autor des bis heute zentralen Werks namens Savoy Cocktail Book, das 1930 erschienen ist. Viele der darin enthaltenen Rezepturen mögen auf uns heute wie der sprichwörtliche Alte Hut wirken, doch man bedenke: Das Savoy Cocktail Book ist mittlerweile 90 Jahre alt. Und das, was Craddock damals an Twists auf klassische Drinks (ja, man muss das mit der damaligen Perspektive so nennen) durchexerziert (oder schlicht versammelt) hat, sucht in der damaligen Literatur mehr oder weniger seinesgleichen.

Ein wunderbarer und bis heute noch immer fast unbekannter Drink aus Craddocks Buch jedenfalls ist der Leap Year Cocktail, den er anlässlich des Schaltjahres 1928 (english leap year) für die Feierlichkeiten in der American Bar entwickelt hat. Überhaupt ein irgendwie schöner Gedanke, dass sich betuchte Menschen in einer teuren Hotelbar versammeln, um zu feiern, dass das Jahr einen zusätzlichen Tag hat. Passend dazu servierte Craddock an diesem Abend einen Drink, der zwar oft als eine Abwandlung des Martini apostrophiert wird, dessen Schema aber andererseits auch bricht.

Leap Year Cocktail hat Eleganz und gleichzeitig Biss

Denn das Dreierlei aus Dry Gin, rotem Wermut und Orangenlikör – somit noch grob der klassischen historischen Gruppe der „Fancy“ Cocktails zuzuordnen – wird aufgebrochen durch die Zugabe von etwas Zitronensaft. Wenn auch die originale Rezepter aus dem Buch von 1930 nur einen „Spritzer“ davon verlangt, verändert die Zutat den Drink aber ganz eindeutig.

Der Zitronensaft transformiert die Struktur des Drinks, indem er ihm ein wenig seines cleanen, crispen Wesens nimmt und ihn eine Spur mehr in die Breite gehen lässt. Gleichzeitig erhält das würzige, leicht fruchtige Profil des Leap Year Cocktail dadurch eine kleine Spur Biss und vor allem eine elegante Trockenheit. Kein wirklicher Sour, denn dafür ist die Menge an Zitrus zu gering – es ist vielmehr genau die richtige Dosis Säure, die den Drink von einem straighten, schlanken Aperitif zu einem spritzigen Begleiter für einen ganzen Abend macht.

Der Leap Year Cocktail animiert – nicht nur zum Trinken

Das sahen die Gäste der American Bar am Abend des 29. Februar offenbar genauso, denn der Leap Year Cocktail wurde anscheinend in großer und ausgesprochen euphorisierender Anzahl konsumiert. Immerhin verkneift sich das Buch unter dem Rezept nicht den Hinweis zum Leap Year Cocktail:

It is said to have been responsible for more proposals than any other cocktail that has ever been mixed.

Leider verschweigt das Buch, ob auch alle der an diesem Abend ausgesprochenen Heiratsanträge letztendlich in geschlossene oder gar vollzogene Ehen gemündet sind. Vielleicht war die Schaltjahresgesellschaft im Savoy auch etwas übermütig angesichts des ja immer etwas entrückten Datums. Möglich sogar, dass der Leap Year Cocktail auch dafür verantwortlich war, dass so mancher der Feiernden einen ganz besonders schnöden, tristen und unfeierlichen 1. März 1928 erlebt hat. Wir wissen es nicht.

Das ändert aber nichts daran, dass man den heutigen Tag unbedingt dazu nutzen sollte, sich endlich mal einen Leap Year Cocktail zu gönnen. Die Zutaten dafür sollten sich in jeder halbwegs sorgsam geführten Hausbar finden. Und wer weiß: Mit der richtigen Gesellschaft für den Abend führt der spritzig-frische Moment mit dem Drink ja vielleicht sogar zu langfristigen Konsequenzen. Harry Craddock sei Dank. Und natürlich der Sitte, zu bestimmten Anlässen einen bestimmten Drink zu kreieren.

Leap Year Cocktail

Zutaten

6 cl Dry Gin
1,5 cl roter Wermut
1,5 cl Dry Curaçao
0,5 cl frischer Zitronensaft

Credits

Foto: Sarah Swantje Fischer

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