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Die Mixology Verkostungsrunde im Januar 2024

Zwischen Hingucker und Sonderlingen: Die Verkostungsrunde im Januar 2024

Unsere MIXOLOGY-Verkostungsrunde ist zurück. Wir starten in das Jahr 2024 wie gewohnt mit einem aromatischen Quintett, diesmal bestehend aus Paku-Chii Koriandergeist, Silent Pool Gin, Bozal Mezcal, Marquis de Montesquiou Armagnac und einem Scotch von Klaus St. Rainer.

Hinweis: Die Verkostung basiert ausschließlich auf redaktioneller Basis. Die Flaschen wurden MIXOLOGY für die Verkostung unentgeltlich zur Verfügung gestellt oder ungefragt zugesandt. Es erfolgt weder eine Einflussnahme auf die Bewertung, noch erfährt MIXOLOGY finanzielle Zuwendungen durch eine Veröffentlichung oder Verlinkung. Wenn Sie denken, Ihr Produkt solle an dieser Stelle ebenfalls Erwähnung finden, schreiben Sie uns.

Für seinen Whisky durfte sich Klaus St. Rainer durch die Fässer bei Berry Bros & Rudd in London kosten
Für seinen Whisky durfte sich Klaus St. Rainer durch die Fässer bei Berry Bros & Rudd in London kosten

Benrinnes 2010/2023 - Goldene Bar Edition

„Wie alle meine Produkte, ist auch der Scotch ein reiner Egotrip.“ Ein typischer Satz von Klaus St. Rainer. Aber wie bei seinen anderen Produkten auch, möchte er es als Qualitätssiegel verstehen, wenn sein Name auf einer Flasche steht. So auch bei der neuesten Abfüllung, seinem ersten Scotch, der in Kooperation mit Berry Bros & Rudd in London entstanden ist „Ich wollte einen Scotch haben, der mir persönlich zu 100 Prozent zusagt und den ich zu jeder Gelegenheit auf den Tisch stellen kann“, beschreibt der Münchner seine Intention. Dafür hat er sich bei einem Termin vor Ort durch verschiedene Fässer probiert und sich schnell auf das Jahr 2010 eingeschossen. Hier findet sich für ihn „eine großartige Trinkreife“, und „außerdem ist es das Gründungsjahr der Goldenen Bar“, also ein schöner Bezugspunkt zu seiner eigenen Geschichte. Selbstverständlich wurde mit einer Fassstärke von 58,5% Vol. abgefüllt.
Vor mir im Glas wartet also ein Single Cask Single Malt, der golden schimmert und einen intensiven Duft nach Holz, Tanninen und dunklen, getrockneten Früchten verströmt. Die 58,5% Vol. sind mehr als präsent und machen den ersten Schluck wahrlich anspruchsvoll. Das Oloroso-Fass sorgt für ein sehr voluminöses und angenehm trockenes Mundgefühl, der Scotch ist gefühlt eine Ewigkeit präsent. Der Empfehlung folgend, füge ich einen großzügigen Schluck Wasser hinzu, und es präsentiert sich ein nahezu gänzlich neuer Whiskey. Eine leichte Süße ist zu erkennen, viel Frucht. Deutlich zugänglicher, aber immer noch wundervoll komplex öffnen sich auch beim zweiten und dritten Schluck neue Aromen. Kaum verwunderlich, dass die anfänglich 270 Flaschen nahezu ausverkauft sind. Die gute Nachricht: Klaus St. Rainer ist endgültig auf den Geschmack gekommen und möchte dem ersten „eigenen“ Whisky gern weitere Folgen lassen. Vielleicht sind wir seinem großen Traum, einen eigenen Blend zu entwickeln, damit schon einen Schritt nähergekommen.
Flaschengröße: 700 ml
Alkoholgehalt: 58,5% Vol.
UVP: € 99,-
Vertrieb: Kirsch Import; Bezug: Tara Spirits 

Paku-Chii Koriandergeist

Folgt man der allgemeinen Beobachtung, gibt es nur zwei Sorten Mensch: die, die Koriander lieben und die, die ihn hassen. Entsprechend war auch die Frage an mich, ob ich mich damit auseinandersetzen kann, bevor der Paku Chii in meine Richtung geschickt wurde. Aber ich gehöre praktisch zum kleinen gallischen Dorf der Geschmacksnerven, ich habe kein Problem mit Koriander, verherrliche ihn aber auch nicht: Wenn es zu etwas passt, gerne her damit, aber man muss es nicht zwingend auf alles werfen. Koriander in einem Drink ist mir zum ersten Mal vor etwa 15 Jahren in Form eines Daiquiri mit frischem Koriander und rosa Pfeffer begegnet, und diesen habe ich in sehr guter Erinnerung.
Also her mit dem Geist aus Fernost. Die Flasche sieht schonmal sehr gut aus. Lackiertes Glas mit feiner Struktur. Der klare Geist verströmt ein angenehm intensives Aroma von sehr frischem Koriander. Eine wenig, als würde man beim Kochen gerade frische Kräuter schneiden. Im Geschmack dann weniger intensiv als erwartet. Die 35% Vol. sind zu erkennen, die kräuterige Note baut sich sehr langsam auf. Kohlensäure hebt die feinen Aromen schön hervor, und Süße und Säure stehen Paku-Chii auch sehr gut zu Gesicht. Ein Fizz, zur Hälfte mit dem Koriandergeist und zur Hälfte mit Vodka, ergibt eine unverschämt leckere, boozy Lemonade, und wer eher Low-ABV sucht, ersetzt den Vodka mit Sake.
Flaschengröße 500 ml
Alkoholgehalt: 35% Vol.
UVP: € 39,99
Vertrieb: Ginza Berlin

Wer Koriander mag, wird den Paku-Chii lieben, andere sollten die Finger davon lassen
Wer Koriander mag, wird den Paku-Chii lieben, andere sollten die Finger davon lassen
Den Mythos bewerten wir nicht, wohl aber die 24 Botanicals – die einen sehr smoothen Gin ergeben
Den Mythos bewerten wir nicht, wohl aber die 24 Botanicals – die einen sehr smoothen Gin ergeben

Silent Pool Gin

William Grant & Sons erweitert sein Portfolio und stellt der Ikone Hendrick’s einen weiteren Gin an die Seite. Bevor wir uns dem Geschmack widmen, eine kurze Geschichte zum Namen: Die Destille liegt „natürlich“ an einer sagenumwobenen See, in dem bereits im 12. Jahrhundert badende Jungfrauen und Prinzen ihr Glück gesucht haben. Nun denn. Aus dem früheren Badewasser für Prinzen wird jetzt also Gin, zu dessen Herstellung sich eine Gruppe guter Freunde zusammengetan hat, um endlich ihre Idealvorstellung eines Gins zu kreieren. Ich spare mir an dieser Stelle bissige Kommentare und widme mich direkt dem liquiden Inhalt der hübschen Flasche. 24 Botanicals sollen laut Hersteller den Geschmack von Silent Pool Gin bestimmen, die – eigenen Angaben zufolge – in einem monatelangen Prozess ausgewählt und perfektioniert wurden. Klar fließt der Gin ins Glas und macht sich schnell in der Nase bemerkbar. Wacholder, leichte, fruchtige Noten und vor allem Zitrus, Kaffirlimette und eine dezente, sehr angenehme florale Note scheinen durch. Diese zeigen sich auf der Zunge erst im zweiten Moment, nachdem Süßholz und Angelika den Auftakt machen. Sehr rund, ausgesprochen smooth und der Wacholder eher dezent als überbordend. Dennoch deutlich als Gin zu erkennen, als sehr angenehmer noch dazu. Der Gin Tonic ist tadellos, und weil gerade die Laune sowie Zutaten vorhanden waren, wurde ein New Orleans Gin Fizz probiert, den ich direkt noch einmal trinken würde. Manchmal muss man die Story drum rum vielleicht gar nicht so groß machen, wenn der Inhalt auch allein überzeugt.
Flaschengröße: 700 ml
Alkoholgehalt 43% Vol.
UVP: ca. € 34,90
Vertrieb: WG&S

Bozal Mezcal Espadín, Barril und Mexicano

Die Agave trendet weiter. Schon verrückt, wie schnell eine Spirituosengattung wächst, obwohl der Rohstoff so wahnsinnig lange benötigt, um nachzuwachsen. Wilde Agaven sind es, die bei Bozal von den Mezcaleros geerntet werden, der hier verkostete Ensamble wird aus drei verschiedenen Sorten gefertigt, der klassischen Espadín-Agave, Barril und Mexicano. Die Beschreibung verspricht dabei einen „Einsteiger-Mezcal“, der leicht zugänglich sein soll und vor allem in Drinks eine gute Figur abgibt.
Rein äußerlich ist Bozal auf jeden Fall ein Hingucker. Die Flasche hat eine tönerne Optik, die an die kleinen Copitas erinnern soll, aus denen Mezcal gern getrunken wird. Klares Destillat, in der Nase eine leichte, dezent rauchige Note, feine Zitrusnoten, abgelöst von erdigen, beinahe gemüsigen Aromen. Grün, mineralisch und frisch. Am Gaumen dann eine tolle Viskosität, die 47% Vol. sind präsent, aber nicht unangenehm. Rauch und Zitrone wechseln sich ab und bleiben lang im Mund, dabei aber nie überbordend oder anstrengend. Wirklich ein schöner Einsteiger-Mezcal, der nebenbei einen fantastischen Negroni zaubert.
Flaschengröße 700 ml
Alkoholgehalt 47% Vol.
UVP: ca. € 55,-
Vertrieb: Bremer Spirituosen Contor

Der Bozal Mezcal wird aus drei wilden Agavensorten hergestellt und ist ein hervorragender Einsteiger-Mezcal
Wer Gascogne sagt, muss nicht nur d'Artagnan sagen, sondern vor allem auch Armagnac – wie hier von Marquis de Montesquiou
Wer Gascogne sagt, muss nicht nur d'Artagnan sagen, sondern vor allem auch Armagnac – wie hier von Marquis de Montesquiou

Marquis de Montesquiou Armagnac VSOP

Zugegeben, Weinbrände sind derzeit nicht der größte Player im Spirituosenmarkt. Um so schöner, dass es dennoch immer wieder neue Vertreter gibt. Armagnac bleibt dabei noch immer der Sonderling. Oftmals als „Cognac ohne Herkunftsbezeichnung“ missverstanden, könnte es kaum falscher sein. Drei Regionen bilden das geschützte Herkunftsgebiet, insgesamt sind nur zehn Rebsorten für die Herstellung zugelassen. Derer drei werden für die Herstellung von Marquis de Montesquiou genutzt, deren Destillate dann in neuen Eichenfässern aus der Gascogne gelagert und anschließend in großen und bereits genutzten Fässern vereinheitlicht und in ihrer Aromatik ausgeprägt werden. Danach folgt die Kunst des Kellermeisters, die Assemblage, bei der verschiedene Jahrgänge zu einem harmonischen Armagnac zusammengeführt werden.
Der Vorliegende VSOP muss laut Gesetz mindestens vier Jahre in Fässern verbracht haben, die vorliegende Flasche kann laut Hersteller sogar sechs vorweisen. Das hinterlässt natürlich Spuren, am auffälligsten in der Farbe. Der Armagnac liegt bronzefarben mit einem leichten Rotstich im Glas und verströmt weinig, fruchtige Aromen. Karamell und Toffee sind zu erkennen, begleitet von Orange, Zimt und Kardamom. Auf der Zunge dann sehr weich, buttrig und mit leichter alkoholischer Schärfe. Trocken und dezent fruchtig, warm und mit schönem eigenem Charakter, der dem probehalber gerührtem Vieux Carré eine sehr eigene Note verleiht.
Flaschengröße: 500 ml
Alkoholgehalt 43% Vol.
UVP: ca. € 50,-
Vertrieb: Jacobi Spirits

Credits

Foto: Marco Beier

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