TOP
Luke Rogers Ménage Bar | Roman Pritzkow

Luke Rogers will überraschen, nicht übertrumpfen

»In der Küche ist es wie bei Artisten: Überraschung heißt ja nicht, das etwas „out of the blue“ kommt. Vielmehr musst du tausend mal üben, bis ein Trick oder ein Gericht wirklich verblüfft.“.«

— Luke Rogers

René Soffner und Johannes Möhring etablieren die Münchener Ménage Bar als Ort für experimentelle, klar strukturierte Drinks. Ohne die entsprechende Küche von Luke Rogers würde das Konzept aber nur zur Hälfte funktionieren. Zeit für ein kulinarisches Porträt.

Wer seine Barweihen noch in den frühen 90ern empfangen hat, kann sich vielleicht erinnern, wie selten damals zwischen Gordon’s und Grenadine echtes Gemüse ins Glas gewandert ist. Eine Olive im Martini? Nur was für Agenturleute. Sellerie im Bloody Mary? Grusliger Gag fürs Katerfrühstück. Gurke im Pimm’s? Gehört definitiv auf die Couch.

Ménage Bar BarFood | Credit: Gerhard Büttner
Dem Kater kann man schon vorbeugen | Credit: Gerhard Büttner

»In der Regel legen Gäste keinen Wert auf „Serious Eating“ – sie wollen einfache, schnelle Speisen, die vorhalten.«

Luke Rogers Ménage Bar
Der Küchenchef der Ménage Bar hat seine ganz eigene Philosophie von guter Küche | Credit: Roman Pritzkow

Der Fernsehteller aus dem Schumann’s

Heute dreht niemand mehr den Kopf, wenn am Tresen Lorbeerblätter kokeln und die Rote Beete ins Rührglas wandert. Nur: Warum landen all diese Sachen im Tumbler und nicht auf dem Teller? In Sachen Barfood scheinen die Uhren offenbar langsamer zu ticken. Abseits von triefenden Clubsandwiches und den obligatorischen Erdnüssen haben es nur wenige Bar-Gerichte wie Schumann’s notorischer „Fernsehteller“ zum echten Klassiker gebracht.

In der Tat ist anspruchsvolles Barfood keine einfache Angelegenheit. In der Regel legen Gäste keinen Wert auf „Serious Eating“ – sie wollen einfache, schnelle Speisen, die vorhalten. Dazu kommen organisatorische und regulatorische Widrigkeiten: Wo gibt es Platz für Küche und Bevorratung, ab wann rechnet sich ein Vollzeitkoch, und wer zahlt Abluft und Hygienemaßnahmen?

Luke Rogers und die ménage à trois

Im Fall der Münchner Ménage Bar standen die Sterne augenscheinlich günstig: René Soffner (The Kinly) und Johannes Möhring (Schumann’s, Roomers) hatten die richtige Mischung aus Erfahrung, Fügung und Mut im Gepäck, in München eine experimentelle, aber extrem sauber konzipierte Bar zu platzieren. Dazu kam eine (fast) fertige Location – und mit Luke Rogers ein Koch, der sich als Dritter im Bunde ebenfalls perfekt darauf versteht, das gustatorisch Abenteuerliche mit dem handwerklich Professionellen zu vereinen.

Rogers, Jahrgang 1983, konnte bereits vor seinem gastronomischen Debüt in München Mitte der 2010er Jahre auf eine bunte und kreative Biographie zurückblicken. Geboren in Yorkshire, verbrachte er dank des elterlichen Berufs viele Jahre seiner Kindheit und Jugend im Ausland, vor allem in der arabischen Welt, die ihn bis heute kulinarisch geprägt hat.

Der Weg des Luke Rogers

Nach einem Kunststudium in Bristol, welches er mit gastronomischen Nebenjobs finanzierte, und einem tapferen Versuch, im „seriösen Gewerbe“ Fuß zu fassen, erfolgte 2013 der endgültige Beschluss, die Laufbahn des Küchenchefs einzuschlagen. Ausschlaggebend war hier auch ein im britischen Fernsehen ausgestrahltes Interview mit dem damals noch weitgehend unbekannten René Redzepi, dessen Leidenschaft für Handwerk, Herkunft und Produkt Luke anspornte, seinen eigenen Weg am Herd zu gehen.

Dieser begann freilich zunächst an der Spüle, und führte im Anschluss durch den klassischen Kreuzweg der Gastronomie. Zunächst als Tournant und „Mädchen für Alles“, dann als Gardemanger und schließlich als Saucier. Eine Position, die Luke Rogers als seine liebste bezeichnet, und die heute noch starke Spuren in seiner kulinarischen Handschrift hinterlässt.

Doch wie lässt sich diese „Signatur“ nun beschreiben? Auffällig ist zunächst einmal der schwungvoll-kreative Umgang mit kolonialen Geschmäckern und Gewürzen, der sich seit Jahren durch Rogers Küche zieht und schon auf vorherigen Stationen wie dem Mühlviertler „Avva“ deutlich erkennbar war. Ob nun südafrikanisch angehaucht wie ein klassisches „Chakalaka“ (Bockshornklee, Piment und Ingwer) oder arabisch vom Schlage eines „Ras el Hanout“ (Paprika, Zimt und Kreuzkümmel), werden viele Komponenten in einem würzigen, gelegentlich auch scharf-süßen Kontext neu arrangiert, in welchem das Grundprodukt überraschenderweise oftmals erst die gebührende Geltung erfährt. Ein von Lemon Curd, Chili und Mandeln begleiteter Brokkoli beispielsweise wird in der Ménage als Hauptgericht serviert und weiß sich in dieser Kombination anstandslos zu behaupten.

Ménage Bar BarFood | Credit: Gerhard Büttner
Poached Egg | Credit: Gerhard Büttner
Louis Highball Ménage Bar | Credit: Gerhard Büttner
Louis Highball, ein frischer Drink mit Rye Whiskey und Ginger Beer | Credit: Gerhard Büttner

Mit wenigen Strichen eine eindrückliche Struktur

Gewagt also, aber nie aufdringlich: So lässt sich auch das Gesamtkonzept der Bar umschreiben. Und spätestens hier wird klar, warum die Betreiber René Soffner und Johannes Möhring, die Luke nach eigenen Angaben „in den Job gequatscht“ haben, das gemeinsame Experiment bereits wenige Monate nach dem Start als „Glücksgriff“ bezeichnen. Die Drinks – z.B. „King Clear I“ aus destillierter Erdnussbutter, Bourbon, Tequila, Limette und Pandan-Sirup – und Gerichte zeigen sensorisch interessante Überschneidungen, können sich aber frei von einander bewegen. Und anstatt „synthetischer“ Konzepte, bei denen verschiedene Inhalte zu einem neuen Ganzen vermengt werden, geht es in der Ménage Bar sowohl beim Essen als auch beim Trinken darum, einzelne Komponenten sternförmig herauszuarbeiten, so dass sie geschmacklich separat, aber stets anregend und harmonisch wirken.

In der Praxis wirkt dieser Ansatz glücklicherweise alles andere als dogmatisch. Die Ménage praktiziert weder lektionenhaftes „Food Pairing“, noch kulinarisch präpotenten „Rock’n’Roll“. Wenn man schon nach Anleihen aus den „performing arts“ sucht, so findet man sie vielmehr in Luke Rogers eigener künstlerischer Vita, in der er sich unter anderem intensiv mit japanischen Radierungen beschäftigt hat. Hier wie dort geht es darum, mit wenigen Strichen für eine eindrückliche Struktur zu sorgen. Diszipliniert und auf das Wesentliche reduziert – aber immer kontrastreich, und immer „mit Schmiss“.

Credits

Foto: Portrait: Roman Pritzkow

Kommentieren