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Wie Ron Ron das brandenburgische Bernau auf die Rum-Landkarte setzt

Bernau würde man nicht sofort mit Rum in Verbindung bringen. Das sehen drei Quereinsteiger anders und wollen im Rumlikör-Segment für Furore sorgen. Ihr „Ron Ron“ hat mit einer nicht realisierten Idee begonnen, die am Lagerfeuer neu belebt wurde. Seit August 2021 wird das „karibische Elixier“ vertrieben und sucht nun auch den Weg in die Bars. MIXOLOGY Online stellt die drei Macher vor.

Mythen sind so etwas wie die Hochglanzlügen der Vergangenheit für Bildungshungrige, um den Deutungsdurst zu löschen, ohne als Scharlatan dazustehen. Es könnte ja so gewesen sein, erzählt man sich. Im Falle der Sage kommt noch das Märchenhafte als Komponente hinzu: es war einmal. Der Wahrheitsgehalt tendiert gegen null. Heute gibt es dafür die schöne Formel: Es stimmt zwar nicht, ist aber gut erzählt.

Die Sage über Bernau geht so: „Albrecht der Bär“, 1157 Gründer der Mark Brandenburg und ihr erster Markgraf, ließ sich bei einer Jagdrast im Nirgendwo ein Bier ausschenken, an dem er einen derartigen Wohlgeschmack fand, dass er beschloss, genau an dieser Stelle eine Siedlung zu gründen. Genau, Bernau. Das ist historisch längst widerlegt. Wahr ist allerdings, dass die Bernauer Braukunst seit dem Spätmittelalter weit über die Brandenburgischen Gefilde, bis nach Hamburg im Norden oder das heutige Polen im Osten, gerühmt wurde. Was folgte, waren die üblichen Verheerungen des Dreißigjährigen Krieges mit Verfall, Tod, zusammenbrechendem Handel und Rohstoffkappheit. Schließlich veränderten sich auch noch das Konsum- und Hygieneverhalten. Zur Desinfektion des Wassers wurde statt Bier der günstigere Branntwein eingesetzt. Anfang des 19. Jahrhunderts war es geschehen, um das Bernauer Bier.

Branntwein? Genau hier beginnt die Geschichte von „Senór Ron“. Was es nicht gibt, wird eben möglich gemacht und der Feind mit seinen eigenen Mitteln geschlagen. Es gibt jetzt eben Branntwein aus Bernau. Genauer: Rumlikör mit dem repititorischen Namen „Ron Ron“ und dem katalanischen Untertitel „Elixir de Caribbean“.

Romantische Quereinsteiger gründen Ron Ron

Drei junge Männer sitzen an einem trüben Novembertag in einer funktionalen Industriehalle, in Sichtweite ein Discounter, nicht gerade eine poetische Umgebung. Also erzeugt der Mangel, das Nichts die Phantasie. Der Reihe nach. Steven-Peer Gattermann, Maik Thiele und Patrick Wiese sind bereits mit oder in anderen Firmen erfolgreich. Wiese hat als einziger der Drei als Hotelfachmann gastronomische Erfahrung. Thiele ist Handwerksmeister und Gattermann ist im Vertrieb, unter anderem bei Bosch, tätig gewesen. In dem gemeinsamen Unternehmen „Feinschliff“ befassen sie sich mit der Außendarstellung und Designentwicklung für ihre Kunden mit Augenmerk auf ausgefallene Werbetechnik. „Einer dieser Kunden war eine bekannte Rummarke. Der haben wir irgendwann mal vorgeschlagen, kleine Flaschen ihres Produktes abzufüllen und zum Beispiel mit einer Zigarre in Automaten-Kühlschränken von anspruchsvollen Hotels zu platzieren. Das ließ sich aber leider nicht realisieren“, so Wiese.

Die Idee beschäftigte die drei Rum-Aficionados weiter. Bei einem gemeinsamen Abend 2019 am Lagerfeuer beschlossen sie, es einfach selbst zu versuchen. „Wir fühlen uns eben sehr hingezogen zur lateinamerikanisch-karibischen Kultur und Lebensweise, somit hat uns an diesem Abend eben die Romantik gepackt“, erinnert sich Thiele. „Wir haben hier ja alle Möglichkeiten, ein vermarktungsreifes Produkt herzustellen. Design ist unser Geschäft“, ergänzt Wiese noch. Nun war nur noch die Frage nach dem Produkt an sich und einem Importeur offen, die bürokratischen und technischen Hürden erstmal außen vor gelassen.

Von rechts nach links: Steven-Peer Gattermann, Maik Thiele, Patrick Wiese und Dolmetscher Marcel

Erste Schritte von Ron Ron

Man habe von Anfang an den Konsumenten im Blick gehabt und auch eine Marktanalyse erstellt. „Es war uns wichtig, mit Qualität zu punkten, aber auch nicht zu nerdig aufzutreten. Also haben wir erstmal unzählige Proben von Importeuren verkostet. Schließlich war klar, dass wir einen Rumlikör machen wollen. Manche Leute haben bei Rum immer noch eine Hemmschwelle. Viele verbinden damit vor allem eine starke Spirituose für Spezialisten“, so Gattermann.

Letztlich fiel ihre Wahl auf einen spanischen Importeur, „ein sehr engagiertes Familienunternehmen“. „Wir beziehen einen Blend aus Puerto Rico, einen Dark Rum auf Melassebasis, der anschließend in Spanien mehrere Monate auf Sherry-Fässern gelagert wird. Natürlich bringt ein Likör immer Süße mit sich, aber wir wollten den Fruchtanteil herausarbeiten. Also haben wir mit einem Labor eine eigene Fruchtessenz entwickelt, die 20 Fruchtaromen beinhaltet“, verraten sie. „Senór Rum – Elixir de Carribbean“ war geboren und wird als „Ron Ron“ seit August 2021 vertrieben.

Die Dopplung Ron Ron soll die ausgeprägten Rum-Noten unterstreichen. Bisher sind neben dem Direktvertrieb erste Kooperationen mit großen Einzelhandelsketten geschlossen worden. „Jetzt gehen wir bald den nächsten Schritt. In einigen Bars in Bremen und Hamburg sind wir schon vertreten. Wir lassen uns gerade Signature Drinks aufsetzen und demnächst gibt es ein größeres Tasting für Bartender.“ Neben dem klassischen Endverbraucher im LEH soll also die Mixability von Ron Ron in den Blick genommen werden. Perspektivisch wird ein Markenbotschafter das Produkt vertreten. „Die Barszene ist ja für uns neu, daher lassen wir viel Spielraum für Ideen“, so Thiele. Auch die Tikiwelt scheint ihnen für Ron Ron von besonderem Interesse zu sein.

Ron Ron ist mit seinen 34% Vol. im kräftigen Bereich angesiedelt
Die Basis von Ron Ron bildet Rum aus Puerto Rico, der mehrere Monate in Sherry-Fässern lagert

Schöne Momente teilen

Zur Zeit wird Ron Ron als Lifestyle-Produkt im gehobenen Qualitätssegment vermarktet. „Das meiste läuft über Social Media. Wir rufen unsere Konsumenten dazu auf, schöne Momente mit uns zu teilen, organisieren Gewinnspiele. Auch als Geschenk haben wir Ron Ron konzipiert.“ Dazu passt die auffällige, weiße Flasche mit den floralen Motiven. Als Spezialisten für Folierung und Car-Wrapping hat man diese bedruckt, sie hat also kein Etikett. Abgerundet wird das Paket mit einem eigens entworfenen Glas, das sich wie ein Kegel verhält und sich somit dem Konsumenten zuneigt. Ron Ron ist mit seinen 34% Vol. im kräftigen Bereich angesiedelt. Eine erste Verkostung brachte würzig-fruchtige Aromen zu Tage; dunkle Schokolade, Toffee, Sherry- und Tabaknoten. Voluminöse Südfruchttöne. Kräftig im Antrunk mit einem mild-süßen Abgang.

Enthusiasmus und Engagement

Bier wird inzwischen wieder gebraut in Bernau. Nun muss der Ron Ron sich seinen Weg bahnen durch den hart umkämpften Markt. Die drei „Senórs“ machen allerdings nicht den Eindruck, dass sie sich ihren Enthusiasmus und ihr Engagement so schnell nehmen lassen. Geht nicht ist keine Option.

Credits

Foto: via Senor Ron

Comments (4)

  • Robert Schröter

    Ich bin etwas irritiert.
    Es ist schön zu sehen, dass im Umfeld Berlins weiterhin die Genusskultur wächst und auch neue Wege beschritten werden – besonders von jungen individuellen Gründern.
    Aber eine offensichtlich auf dem Reißbrett entstandene, im Labor aromatisierte Spirituose entwickelt aus reiner Marketingperspektive: arbeitet die deutsche Bar- und Brennerszene sowie die Mixology nicht eigentlich seit Jahren in die exakt entgegen gesetzte Richtung!?

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    • Mixology

      Hallo Robert,

      danke für deine kritische Anmerkung. Es steht natürlich jedem frei, ein Produkt anzuzweifeln. Es ist aber auch ein schmaler Grat, zu definieren, was eine Entwicklung unter einer „Marketingperspektive” genau bedeutet; der Autor des Textes, dir ja kein Unbekannter, hat uns jedenfalls versichert, dass die Macher ihr Projekt mit persönlichem Aufwand und Herzblut betreiben und es auch in die Barwelt tragen wollen, und seiner fachlichen Einschätzung vertrauen wir auch. Wir haben uns daher entschlossen, die Geschichte unter diesem Aspekt zu erzählen.

      Beste Grüße,

      Stefan // Mixology

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  • Maria K.

    Super leckerer Rum selbst für mich als Frau einfach nur super schmackhaft ?

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    • Mixology

      Liebe Maria,

      das ist schön zu hören. Allerdings unterscheiden wir bei Mixology nicht in Männer- und Frauengeschmäcker. Es schmeckt, wenn’s schmeckt 🙂

      Beste Grüße aus der Redaktion.

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