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Das Parfum der Bar: zehn essentielle Gin-Botanicals

Gin wird auch als „Wacholderspirituose“ bezeichnet, und das kommt natürlich nicht von ungefähr: Wacholder ist schlichtweg das dominierende Botanical der nach wie vor ungebrochen populären Spirituosengattung. Es gibt aber auch noch andere Zutaten, die häufig zur Grund-DNA eines Gins zählen. Wir haben die zehn wichtigsten Botanicals und Drogen aufgeschlüsselt.

Gedanklicher Trommelwirbel … Gin! Der Autor dieser Zeilen hat zwar auch schon vor fünf Jahren geglaubt, dass der Wacholder-Zenit überschritten sei, hat sich aber mittlerweile eines Besseren belehren lassen. Also nähern wir uns dem Gin doch einmal wohlwollend und mit etwas Neugier. Schließlich ist er noch immer das »Parfum der Bar«, wie Charles Schumann schon vor langer Zeit wusste, und die Begeisterung und allgemeine Kenntnis über die flüssige Existenzberechtigung für Tonic Water wächst noch immer. Aber was macht Gin eigentlich aus, also, jetzt mal außer Wacholder? Es folgen zehn Botanicals, die gern die oft unscheinbare, aber wichtige Nebenrolle einnehmen.

1. Zitrusfrüchte
Beginnen wir mit einer Zutat, die wirklich in fast jedem Gin dieser Welt auftaucht: Zitrusfrucht. In Form von frischen oder getrockneten Schalen (teils auch beides) wird dem Mix aus Kräutern und Gewürzen ein entscheidendes Aroma mit auf den Weg gegeben. Gin wäre wahrscheinlich nicht derart beliebt, hätte er nicht diese trockene Frische und Spritzigkeit, die ihn so perfekt zur Longdrinkbasis macht. Ein guter Mix aus getrockneten und frischen Zitrusschalen bringt am Ende sowohl schwere und volumige als auch gleichzeitig frische und klare Zitrusnoten hervor.

2. Koriander
Ein ganz und gar anderes Ausgangsmaterial, aber ebenso zuständig für die herbe Frische, die alle am Gin so schätzen. Um Gin zu destillieren, können sowohl frischer Koriander als auch die getrockneten Früchte des Doldenblütlers verwendet werden, mit deutlich unterschiedlichem Einfluss. Meist sind es die Samen, die Destillateure verwenden, um Aromatik und Frische hervorzuheben und neben der Zitrusfrucht zum Haupt-Nebenakteur im Gin zu werden. Die Aromen des Wacholders werden von Koriander perfekt ergänzt.

3. Malz
Eine ausgesprochen ungewöhnliche Zutat, die sehr spezielle Aromen mitbringt. Insgesamt muss das Malzige schon sehr, sehr gut zum restlichen Produkt passen. Ist dies aber gegeben, dann kann man neben der kornig-malzigen Note eine subtile Süße ins Destillat bringen, die den Gesamteindruck des Gins entscheidend mitbestimmen kann.

4. Hopfen
Willkommen beim Braukurs, könnte man meinen. Aber neben Malz ist tatsächlich Hopfen ein Botanical, das nicht nur in Bayern sehr geschätzt wird. Schon kleine Mengen haben einen positiven Effekt, vor allem auf die Nase. Ist er gut eingebunden, dann verleiht der Hopfen dem Gin eine warme, süßlich-bittere Note und eine angenehme Würzigkeit. Aber Vorsicht: Laut Andreas Vallendar (Ferndinand’s Gin) ist mit zu viel Hopfen eine ganze Charge auch schnell versaut. Gibt man zu viel hinzu, kann sich schnell ein unangenehmer Geruch entwickeln, der an faule Eier erinnert. In Bezug auf Nase und verschiedene Zutaten hat Gerald Schroff (Adler Gin) eine gewohnt starke Meinung. So ist er überzeugt, dass es ein Leichtes ist, einen Gin zu produzieren, der toll riecht und gut schmeckt. Die Herausforderung liege aber meist darin, ein Produkt zu präsentieren, das auch bekömmlich ist – und dafür ist es oft notwendig, bestimmte Zutaten zu streichen, anstatt noch mehr hinzuzufügen.

5. Lavendel
Häufig wird Gin eine florale Note attestiert. Sie setzt aromatisch einen interessanten Kontrapunkt zum Wacholder und sorgt zudem für einen ausgesprochen angenehmen Geruch. Oft sind die ersten erkennbaren Aromen nach dem Öffnen einer Flasche jene floralen und zitrischen Noten, bevor die eher dunklen Töne durchkommen. Neben Lavendel können hier natürlich auch viele andere blumige Aromen wie z. B. Veilchen oder Holunder zum Einsatz kommen. Lavendel ist aber für die meisten Ginbrenner die erste Wahl.

6. Pfeffer
Weißer Pfeffer, langer Pfeffer, schwarzer Pfeffer, Szechuan oder rote Pfefferkörner (Letztere sind aus botanischer Sicht gar kein Pfeffer, aber das ist ein anderes Thema). Allesamt können sie verwendet werden und insgesamt haben sie den gleichen Effekt, wenn auch in verschiedenen Formen und Intensitäten. Durch ihre pikante Schärfe und spezielle Aromatik wird laut Gerald Schroff eine „Rassigkeit in den Gin gebracht“ – einer der Eckpunkte im Gesamteindruck. Wenn auch nicht im ersten Moment so deutlich zu benennen, ist Pfeffer mitbestimmend für die finale Aromatik. Andreas Vallendar bezeichnet Pfeffer als eine der wichtigeren Zutaten in Gin.

7. Bisamkörner
Die Samenkörner dieses Malvengewächses sind es, die die Brenner für ihren Gin benötigen. Die aus den tropischen Bereichen Asiens stammende Frucht des Abelmoschus sorgt nicht nur in der Parfumherstellung für besondere Aromen. Im Gin führt die Verwendung auch zu einer gewissen Rassigkeit und leichten Schärfe, ähnlich wie beim Pfeffer.

8. Kardamom
Die ätherischen Öle der grünlichen Kapseln sind es, deren süßlich-scharfe Aromen nicht nur in der Küche geschätzt werden. Die angeblich aphrodisierende Wirkung lassen wir hier mal außen vor, aber die Kombination aus dezenter Süße und leichter Schärfe hat als positiven Nebeneffekt noch die harmonisierende Wirkung für das finale Destillat. Allerdings will auch Kardamom sehr gezielt und in genauen Mengen eingesetzt werden.

9. Piment
Zu Unrecht oft mit Pfeffer in einen Topf geworfen, hat Piment mit der Karibik nicht nur eine komplett unterschiedliche Herkunft, auch die Aromatik und der finale Effekt auf den Gin sind deutlich anders. Neben der pfeffrigen Schärfe finden sich sowohl Noten von Gewürznelke – was den Gebrauchsnamen als »Nelkenpfeffer« erklärt –, aber auch von Zimt oder Muskat in den Körnern wieder. Piment verleiht dem Gin nicht nur einen hintergründig-komplexen Körper, sondern ergänzt sich auch hervorragend mit fruchtigen und floralen Noten.

10. Angelikawurzel
Vielleicht betiteln die beiden Destillateure Vallendar und Schroff den Engelwurz nicht als ihre Lieblingszutat im Gin, aber für beide ist es eine unheimlich wichtige Zutat. Laut Schroff ist Angelikawurzel dafür zuständig, alles andere zu harmonisieren und zu vereinen. Es sei problemlos möglich, einen wohlriechenden Gin zu produzieren, ohne Angelikawurzel zu benutzen. Allerdings erhalte man, so Brenner Schroff, dann ein Destillat, bei dem man mit jedem Schluck eine andere Droge erschmecken kann, aber nie einen Gesamteindruck bekommt. Vallendar beschreibt es ähnlich: »Das Botanical als solches ist kaum zu erkennen. Aber es ist schnell bemerkbar, wenn es nicht verwendet wird.« Zudem öffnet Ange- likawurzel das Destillat und ist unter anderem dafür verantwortlich, dass sich Gin und Tonic so gut verstehen.

Fazit: Gin herzustellen ist kein Hexenwerk

Wir merken also: Es ist immer das Zusammenwirken verschiedenster Zutaten, das Gin zu Gin macht und durch das er so vielfältig wird. Andererseits sagt Schroff mit einem Augenzwinkern, dass man sich beim Genuss eines Doppelwacholders schon die Frage stellen dürfe, wozu man sich die Mühe macht.

Abschließend ist man sich unter Brennern bei einer Sache einig: Einen guten und wohlschmeckenden Gin herzustellen ist grundsätzlich kein Hexenwerk. Erhoffte Probleme mit sehr speziellen Zutaten sind nicht vorhanden und die vielleicht größte Herausforderung ist es, alle benötigten Botanicals ganzjährig in gleicher Güte zu erhalten. Wenn der Einkauf zur Chefsache wird, sozusagen. Und so können wir uns wohl auch in den kommenden Jahren weiter über immer neue Ginsorten und exotische Aromen im Gin freuen und den Hype in weiteren fünf Jahren nicht mehr als solchen abtun, sondern als größte Spirituosenkategorie akzeptieren. Mit deutlich mehr als zehn Botanicals neben Wacholder.

Dieser Text ist eine gekürzte Fassung. Das Original ist in der Ausgabe 3-2021 von MIXOLOGY, dem Magazin für Barkultur, erschienen. Details zur jeweils aktuellen Ausgabe gibt es hier, Information über ein Abonnement hier.

Credits

Foto: Editienne

Comments (1)

  • Stephan

    Malz, Hopfen, Lavendel und Bisamkörner sind sehr spezielle Zutaten, die man normalerweise nicht nimmt. So etwas nimmt man höchstens, um sich von anderen abzuheben. Dann könnte man aber noch über hundert weitere Botanicals nennen.

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