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Takeaways vom Bar Symposium Cologne 2023

Next Generation: Sechs(einhalb) Takeaways vom Bar Symposium Cologne 2023

Am 15. und 16. Mai fand in Köln das Bar Symposium Cologne 2023 statt. Es war das erwartet gut besuchte Treffen der deutschen Barszene, das diesmal unter dem Motto der Vergrößerung stand. MIXOLOGY Online war vor Ort.

Die sechste Auflage des Bar Symposium Cologne stand unter dem Motto „Next Generation“. Dazu ging es in eine neue, größere Location, den nur Die Halle Tor 2 genannten Veranstaltungskomplex im Nordwesten der Stadt. An zwei Tagen fanden 40 Workshops und Vorträge in vier unterschiedlichen Bühnen statt. Sozialer Dreh- und Angelpunkt war der zentral gelegene Außenbereich, von dem aus die vier unterschiedlichen Bühnen einzeln zugänglich waren. Wir unterlassen an dieser Stelle einen atmosphärischen Rückblick, eine architektonische Analyse der Location oder eine Bestandsaufnahme des Caterings, sondern extrahieren sechs inhaltliche Punkte, die sich durch Vorträge, Gespräche und Beobachtungen auf dem BSC als szenerelevant herausgestellt haben.

1) Die Brands sind da, aber nicht immer im Vordergrund

Bislang hatte das Bar Symposium Cologne das Credo „Von der Szene für die Szene“. Gleichbedeutend war das mit der Tatsache, dass der offene Austausch im Vordergrund und Marken- bzw. Sponsoren (und deren Befindlichkeiten) im Hintergrund standen. In diesem Jahr folgte ein größerer Cut: Ein Großteil der 40 Workshops und Vorträge wurde jeweils von einem Partner aus der Getränke-Industrie präsentiert. Warum, ist auch einfach erklärt: Mit etwa 600 Tickets zum Staffelpreis von 35, 45 und 55 Euro lässt sich eine Veranstaltung dieser Größenart nicht mehr stemmen. Die Sponsoren interpretierten ihre Rolle unterschiedlich; manche hatten Vertreter auf der Bühne – entweder als alleinige Vortragende oder als ein Teil des Programmes –, andere traten bloß als Name in Erscheinung. Veranstalter Dominique Simon sagte: „An diesem Punkt werden wir nachfragen, wie das bei den Besuchern angenommen wurde.“ Die meisten, mit denen ich gesprochen habe, hatten – zumindest offiziell – kein Problem damit. Wenn vom Vortrag „Experience in a glass“ der Britin Zoe Burgess gesprochen wurde, dann über den spannenden Inhalt und nicht, weil Lillet der präsentierende Partner war. Im Außenbereich blieb das Branding dezent. Schweppes brachte einen Tischtennistisch und eine kleine Bar, an der man im Test alkoholische und nicht-alkoholische Drinks voneinander unterscheiden konnte (zu dem Thema später mehr), Bacardi hatte ein kleines, dreirädriges Vespa Car angerollt, aus dem Drinks gezapft wurden. Die Brand-Aktivitäten wurden ansonsten in die nächtlichen Gastschichten der Kölner Bars gerollt.

Neuer Austragungsort war der „Die Halle Tor 2“ genannte Veranstaltungskomplex im Nordwesten der Stadt
Neuer Austragungsort war der „Die Halle Tor 2“ genannte Veranstaltungskomplex im Nordwesten der Stadt
Der Außenbereich mit Bars und Kaffestation diente als sozialer Dreh- und Angelpunkt
Der Außenbereich mit Bars und Kaffestation diente als sozialer Dreh- und Angelpunkt

2) Profis und Profil

Ist eine Erweiterung zu Punkt Eins: Es gibt auch nichts gegen die Symbiose Bar und Brand zu sagen. Eine Bar lebt von ihren Verkäufen an den Gast, aber auch von ihren Partnerschaften mit der Industrie; so, wie auch ein Bar-Magazin zu einem guten Teil von Werbepartnern lebt. Man eröffnet heute keine Bar, indem man sich einen Tresen zimmert und ein paar Drinks auf eine Tafel malt. Auch das wurde auf dem BSC deutlicher: Eine Bar braucht einen Masterplan, der über einen Businessplan hinausgeht. Sie ist eine Unternehmung mit klarem Profil, und je mehr man davon hat, desto besser. Schwammig zieht nicht. Für diesen Weg braucht man die richtigen Partner. Alex Francis vom Pariser Little Red Door formulierte das ohne Schnickschnack: „Wir arbeiten mit Marken zusammen, die wir gut finden. Wenn jemand mit uns arbeiten will, der nicht unserer Philosophie entspricht, sagen wir ab. Aber das machen wir nie respektlos oder öffentlich.“ Drinks mögen das Profil vorgeben, die „Bartender-Brand“ wird aber durch andere Aktivitäten geschärft, denn viele sind längst Schweizer Taschenmesser zwischen Prep-Kitchen, Social Media und Design. Ein Bartender, der vor der Selbständigkeit steht, meinte: „Ich eröffne nicht, bevor das Merchandising steht.“ Das streift auch ein Thema, das immer wieder aufpoppt: Warum ist die deutsche Barszene im internationalen Vergleich so unterrepräsentiert? Erklärungen gibt es – zu wenig Lust an der Selbstinszenierung; zu wenig Social Media; zu wenig organisiert; ein Arbeitsrecht das Ausbeutung des Personals verhindert, worauf so mancher internationale Ruhm beruht – , werden aber in Nebensätzen verhandelt. Es schmerzt ein bisschen, ärgert auch ein wenig, raubt aber auch nicht den Schlaf.

3) Consulting is the New Black

Ein paarmal gehört: „Die Bar läuft super, was ebenfalls Bombe läuft, ist Consulting.“ Es ist die Folge einer Kettenreaktion: Die Coronapandemie hat den Personalmangel verschärft. Das bedeutet, dass neben Muskel- und Beinkraft auch einiges an Know-how abgewandert ist. Die Nachfrage der Bevölkerung nach Gastronomie aber ist hoch, das Gastro-Angebot wird landesweit aufgestockt: Allein in Berlin stehen Neueröffnungen von Restaurants und Hotels scheinbar an der Tagesordnung. Nur: Dieses Personal muss auch von jemandem geschult werden. Hier scheinen mehr und mehr eine Nische im Consulting zu finden, sei es aus Geschäftssinn oder aus dem Wunsch nach persönlicher Veränderung: Ein Bartender sagte gegenüber MIXOLOGY, sein Grund, in Zukunft ins Consulting zu wechseln, sei der, dass er nach vielen Jahren in der Bar einfach mehr aus dem Nachtleben aussteigen wolle, weg von der Anstrengung der späten Arbeitszeiten. Ein weiteres „Kind der Pandemie“ wächst ebenfalls weiterhin: Das Interesse einer breiteren Öffentlichkeit an Cocktails. Auch hier wird an Event- und Verkostungsstandbeinen gebaut, die über den normalen Barbetrieb hinausgehen. Muss vielleicht auch so sein, denn siehe nächster Punkt:

Die Vorträge und Workshops waren zum Großteil stark frequentiert
Die Vorträge und Workshops waren zum Großteil stark frequentiert
Für einige – wie hier im Bild Indika Silva (Toddy Tapper, Köln) – hieß es mal Bühne, mal Publikum
Für einige – wie hier im Bild Indika Silva (Toddy Tapper, Köln) – hieß es mal Bühne, mal Publikum

4) Die Teuerungen: The Struggle is Real

Erzählungen von verdrei- und vervierfachten Stromrechnungen sind schon fast die traurige Norm. Hinzu kommen steigende Mieten, Löhne und allgemeine Teuerungen, was mehr als einmal die Frage aufgeworfen hat: Wie wird Gastronomie aussehen können, und wie steht es um das Überleben von inhabergeführten Barbetrieben, nach wie vor das Rückgrat der progressiven Barkultur? Ein deutscher Barbetreiber, mit dem ich gesprochen habe, meinte: „Zehnjährige Mietverträge sind ein Auslaufmodell, das wird in Zukunft nicht mehr funktionieren. Wie will man das denn noch bezahlen? Meiner Meinung nach wird es nur noch funktionieren, wenn man die Immobilie seiner Gastronomie auch besitzt. Dann kann man vernünftig wirtschaften.“ Zusätzlich würden Mitarbeiterbeteiligungen ein gangbarer Weg sein, Personal zu binden und durch Kontinuität mehr Qualität zu gewinnen. Michael Sager vom Londoner Sager & Wild, u.a. ausgezeichnet als „International Restaurant Bar of the Year“ bei den Tales of the Cocktail, eilt den Bars an diesem Punkt zu Hilfe: „Ich glaube nicht mehr an Restaurants. Mit Lebensmittelketten und Lieferanten wird das sehr teuer. Ich besitze selbst ein Restaurant, aber ich denke, Bars haben bessere Möglichkeiten.“ Interessanter Punkt.

5) No und Low ABV: too big to fail

Das Thema bleibt ein Streitpunkt. Die einen sehen es als einen Teil der Strömung der gesellschaftlichen Selbstoptimierung und somit als Verrat an der Bar als Ort der Selbstentgleisung, getragen von dünnflüssigen Wässerchen, die von Entrepreneur:innen mit erwartungsvollen Augen kredenzt werden. Die anderen sehen es pragmatisch: Die Gäste verlangen nach weniger alkoholhaltigen bis alkoholfreien Getränke. Sie sind ein Umsatzbringer, und darauf zu verzichten, wäre ein wirtschaftliches Manko. Kurzum: Das Thema ist mittlerweile too big to fail. So war es auch auf dem BSC prominent vertreten, zu sehen im vollständig besetzten (von Schweppes präsentierten) Workshop von Alexej Grjasnow (Frankfurt), der sechs Schritte zum richtigen No- bzw. Low-ABV-Drink präsentierte, die da wären: 1) Spice it up! 2) Fat will help 3) Bubbles! 4) Umami means extra 5) Think about texture 6) Tannins are your friends. Phum Sila Trakoon wiederum referierte über den Unterschied zwischen „Genuss und Rausch“ (präsentiert von der Marke Siegfried Gin bzw. Siegfried Wonderleaf, für die er tätig ist). Insgesamt erinnert das No- und Low-ABV-Thema ein bisschen an den Umgang mit einem Klassenstreber: Man rollt ein wenig die Augen, wenn er in den Raum kommt, aber für den Erfolg sucht man doch seine Nähe, um von ihm abzuschreiben. Man will ja nicht sitzenbleiben. Und bemerkt, dass es dann doch Spaß machen kann.

Stark besucht war auch der Vortrag von Danil „Cocktailman“ Nevsky, der über den Zusammenhang von Kreativität und Budget sprach
Stark besucht war auch der Vortrag von Danil „Cocktailman“ Nevsky, der über den Zusammenhang von Kreativität und Budget sprach
Visuelle Unterstützung des Gesagten war obligatorisch
Visuelle Unterstützung des Gesagten war obligatorisch
Last but not least, die Macher des BSC: Felix Engels, Dominik Mohr und Dominique Simon (v.l.n.r.)
Last but not least, die Macher des BSC: Felix Engels, Dominik Mohr und Dominique Simon (v.l.n.r.)

6) Der BSC ist die Tür in den Garten

Der Vergleich mit dem Bar Convent Berlin (BCB) steht häufiger im Raum, was so selbstverständlich wie unnötig ist. Das Thema ist kein Entweder-Oder, sondern ein Sowohl-Als-Auch. Deutschland ist groß genug für beides – und es ist gut, dass es beides gibt. Als jemand, der während der Pandemie aus erster Hand erfahren hat, dass die Berliner Landespolitik noch nicht mal von der Existenz der weltgrößten Barmesse in ihrer Stadt weiß, bin ich der Meinung, dass der BCB weiterhin das internationale Zugpferd werden muss. Es lohnt nicht, der Station Berlin hinterherzujammern, vielmehr kann sich die Barwelt auf dem Messegelände als seriöser Wirtschaftszweig etablieren und Berlin sich gleichzeitig der internationalen Bar-Community präsentieren – auch wenn es letzteres bisweilen nur zähneknirschend tut. Es geht auf dem BCB um Produkte, die von Bartender:innen an Produktständen präsentiert werden, der Rahmen ist ein hektisches Gewusel auf mehreren tausend Quadratmetern, in dem „immer jemand irgendwohin muss“, wie es eine Bartenderin auf dem BSC formulierte.

In Köln gibt es keine Produktstände, und es muss auch nicht immer jemand irgendwohin. Und wenn, ist er oder sie nicht weit weg. Kurzum: Der BCB ist die Tür zur globalen Welt, der BSC die Tür in den heimischen Garten. Die Intimität der Location und die Lockerheit der Atmosphäre sorgen in Köln mit Sicherheit dafür, dass man nicht weiter drüber nachdenkt, wenn der Markenbotschafter einer Champagner-Marke auf der Bühne sagt „Jetzt ist ein guter Zeitpunkt, Champagner zu pushen.“ Aber es ist zum einen einfach Realität, und zum anderen sitzt man sich Auge in Auge gegenüber – und hört nicht mit Kopfhörern jemanden auf einer zwanzig Meter entfernten Bühne referieren. Der kurze Austausch, das schnelle Tête-à-Tête, dafür ist das BSC der perfekte Ort. Ein gemächliches Gewusel aus Barbetreiber:innen, Bartender:innen und Brand-Vertreter:innen: zu klein, um sich nicht zu begegnen, dabei groß genug, um sich auszuweichen. Diese Intimität zieht sich in der Nacht fort. Während man in Berlin mit seinen weiten Wegen auch mal Lost in Transfer geht, punktet das kleinere Köln mit seinem auf engerem Raum konzentrierten Bars. Darauf ein Kölsch.

7) Das Catering

Hat Luft nach oben. Aber auch das ist ja wohlvertraut vom Bar Convent #Zwinkersmiley. Bis zum nächsten Jahr.

Credits

Foto: Franziska Klein

Comments (1)

  • Thomas Domenig

    Ein schöner Nachbericht. Leider konnte ich dieses Jahr nicht dabei sein, weil wir parallel den Beginn der Sommersaison im Jack Rabbit hatten. Hoffentlich ist der Termin nächstes Jahr wieder etwas früher ?

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