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Blinker Cocktail

Der Blinker Cocktail. Oder: Zwischen Granate und Beere.

Mit dem Blinker Cocktail haben wir einen dieser alten Drinks auf dem Tisch, die sich auf Papier ein wenig abstrus anfühlen: Rye, Grapefruit und Grenadine? Was zunächst wie ein zu fruchtig-süßer, liquider Kaugummi wirkt, erweist sich bei einiger Feinjustierung als ziemlich fesche Köstlichkeit. Auch für die warme Jahreszeit.

Zugegeben, beim Namen des vorzustellenden Drinks fällt es unglaublich schwer an dieser Stelle auf eine mit dümmlichen Wortwitzen gespickte Eröffnung zu verzichten. Am Ende sind sie aber auch alle zu offensichtlich und dem Ernst der Sache auch nicht angemessen. Immerhin reden wir über einen Drink, der vielleicht schon 100 Jahre auf dem Buckel hat. Darüber Witze zu machen birgt immer die Gefahr, schnell und falsch abzubiegen.

Die Geschichte hat den Blinker Cocktail vernachlässigt

Vielleicht 100 Jahre? Ja, die Geschichtsschreibung ist beim Blinker Cocktail leider nicht so detailliert. Erstmals erwähnt wurde er 1934 in Gavin Duffys The Official Mixer’s Manual. Und obwohl man ihn in den Jahren zuvor, also während der Prohibition in den USA, wohl nicht in jeder Bar bestellen konnte, sind die Zutaten bei weitem nicht so ungewöhnlich, dass vorher noch niemand hätte drauf kommen können.

Ungewöhnlich ist eher der Punkt, dass der Drink so komplett in Vergessenheit geraten ist, weist er doch in seiner Struktur einige Ähnlichkeit zum „Brown Derby“ auf, der ja in einer durchaus wachsenden Zahl von Bars auf der Karte zu finden ist. An dieser Stelle sei ein kurzer Seitenschwenk erlaubt. Der hochgeschätzte Kollege Armin Zimmermann schreibt in seinem Blog Bar-Vademecum vollkommen zurecht, dass der Brown Derby quasi identisch ist mit dem bereits lange zuvor erwähnten „De Rigueur Cocktail“ ist. Der Name Brown Derby ist allerdings in meinen Augen deutlich zugänglicher und wird sich entsprechend halten.

Blinker Cocktail (Original)

4 cl Rye Whiskey
6 cl frischer Grapefruitsaft
2 cl Grenadine

Blinker Cocktail

Zutaten

6 cl Rye Whiskey
4 cl frischer Grapefruitsaft
1,5 cl Grenadine oder Himbeersirup

Wie der Blinker Cocktail zu einem stattlichen Shortdrink wird

Aber schnell ein Zeichen gesetzt und zurück zum Blinker Cocktail. Im erwähnten Official Mixer’s Manual wird dieser aus zwei Teilen Rye Whiskey, drei Teilen Grapefruitsaft und einem Teil Grenadine zusammengesetzt. Ja: Auf dem Papier mutet der Drink nicht nur fruchtig, sondern auch sehr süß an. So brachte der Test auch einen eher faden Drink hervor, der aber Potenzial erahnen lässt. Vielleicht hilft die Einordnung, dass Grapefruits in den letzten Jahrzehnten durch gezielte Züchtung immer süßer wurden und der Rye vor 90 Jahren wahrscheinlich auch noch etwas straffer daherkam als heute übliche Abfüllungen. Den Unterschied von Grenadine damals und heute muss man wohl nicht mehr hervorheben, aber die ursprüngliche entscheidende Verwendung von Granatapfel wird in heutigen Produkten eher komplett außer Acht gelassen.

Blinker Cocktail
nach Ted Haigh, 2009

6 cl Rye Whiskey
4 cl frischer Grapefruitsaft
1,5 cl Grenadine oder Himbeersirup

Granaten und Himbeeren

Schauen wir also auf das benannte Potenzial, das in der Ur-Variante durchblitzt. Bereits vor 15 Jahren hatte Ted Haigh in seinem Werk Vintage Spirits & Forgotten Cocktails eine moderne Variante herausgegeben, in der er die Verhältnisse weitestgehend beibehält, aber Grapefruitsaft und Rye Whiskey tauscht und den Sirup ein wenig zurücknimmt. Zudem tauscht er Grenadine gegen Himbeersirup. Mit dem Rezept kommen wir dem 21. Jahrhundert durchaus ein gutes Stück näher und haben einen Drink in der Hand, der wohl in den meisten Bars direkt ins Menü passen dürfte. Faszinierend dabei ist übrigens, wie unterschiedlich sich herkömmliche und pinke Grapefruits verhalten. Deutlich trockener und sehr schön crisp ist die Variante mit gelben Grapefruits, runder und leichter zugänglich wird er mit Pink Grapefruitsaft. Die Frage, ob man nun Himbeersirup oder hausgemachter Grenadine den Vorzug gibt, ist ein wenig Geschmackssache, ich mag in diesem Rezept tatsächlich den Granatapfelsirup lieber, auch wenn man der Empfehlung von Imbibe zu Beginn des Jahres folgt, und den Himbeersirup noch einmal deutlich zurücknimmt.

Himbeere ist dafür allerdings immer ein No-Brainer in Kombination mit Mezcal. Da lag die Idee auf der Hand, den Blinker Cocktail noch einmal neu aufzusetzen und im Spreewald abzufahren, um den Drink mit Stork Club Ryezcal auszuprobieren. Der Mix aus Roggen und Agave hebt den Drink aromatisch noch einmal auf ein neues Level und könnte sich zu einem Lieblingsdrink für das noch junge Jahr entwickeln.

Blinker Cocktail
nach Marco Beier, 2024

6 cl Stork Club Ryezcal
4 cl frischer Grapefruitsaft
1,5 cl Himbeersirup
1 Dash Grapefruit Bitters

Credits

Foto: Sarah Swantje Fischer

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